ProstitutionDie Last mit dem Bordell im Haus

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Auch in liberalen Hausgemeinschaften hat die Toleranz Grenzen, wenn man Tür an Tür mit einem Bordell wohnen muss.

Auch in liberalen Hausgemeinschaften hat die Toleranz Grenzen, wenn man Tür an Tür mit einem Bordell wohnen muss.

Immer, wenn Michaela Franck in ihre Wohnung will, muss sie am Arbeitsplatz von Prostituierten vorbei. Bei schönem Wetter stehen sie auf der Straße im gut situierten Sülz und sprechen Männer an, um ihre besonderen Massage-Künste anzubieten. „Das ist ekelig. Man begegnet den Kunden der unglaublich jungen Mädchen. Ich schäme mich, Besuch einzuladen“, sagt Franck. Sie möchte nicht, dass ihr richtiger Name gedruckt wird. Sie hat Angst vor „denen, die das betreiben“.

Früher war im Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses ein Schreibwarenladen, davor ein Pelzgeschäft. Im Ladenlokal wurde verkauft, im Keller die Ware gelagert. Jetzt ist das Ladenlokal eine Art Empfangsraum, von dem aus die Kunden in den Keller geführt werden. Da, wo früher Mäntel und Bleistifte lagerten, sind nun offenbar die Arbeitsplätze der Masseurinnen. „Man weiß nicht genau, was da läuft“, sagt eine andere Nachbarin. Sie sei „verängstigt“, niemand traue sich, etwas zu sagen. Auch wenn sie selber bislang noch nicht belästigt worden ist, spricht sie von einer „dramatischen Entwicklung“. In der Nachbarschaft ist eine Schule, viele Kinder und Jugendliche laufen an dem Haus vorbei.

Muss man in einer Großstadt mit einem Puff im Haus leben? Was ist zumutbar, was nicht? Prostitution ist rechtlich mittlerweile ein ganz normales Gewerbe. Was man sich in Parlamenten ausgedacht hat, scheint jedoch in der Praxis nicht immer zu funktionieren. Auch in liberalen Hausgemeinschaften hat die Toleranz Grenzen, wenn man Tür an Tür mit einem Bordell wohnen muss.

Vor einigen Jahren sorgte ein Massagesalon in der Südstadt, der mit „chinesischen Schlittenfahrten“ und „erlösenden Liebesstellungen“ warb, für heftige Debatten. Die gut vernetzte Hausgemeinschaft schaffte es, dass sich Bezirkspolitiker, Stadtverwaltung und sogar Gerichte der Sache annahmen. Auch der grüne Bezirksbürgermeister Andreas Hupke zürnte: „Es muss eine andere gesetzliche Grundlage her. Wir brauchen Möglichkeiten, um schnell und restriktiv handeln zu können.“

Die Folgen der Legalisierung der Prostitution und ihrer Einstufung als normales Gewerbe verbinden sich mit dem Sterben des klassischen Einzelhandels in den Stadtvierteln. Wenn Ladenlokale leer stehen, können sich Sex-Betriebe in bester Lage ansiedeln. Wenn sich so etwas herumspreche, seien ganze Quartiere davon bedroht, zu Rotlichtvierteln abzusteigen, warnte Hupke.

Die Furcht vor einem solchen Szenario hört man nun auch bei den betroffenen Anwohnern in Sülz. „Die ganze Straße verändert sich. Es ist zum Weinen“, sagt eine Wohnungseigentümerin. Es gebe keine attraktiven Einzelhandelsangebote mehr. „Wenn das hier ein Rotlichtbezirk wird, kannst du das Haus wegschmeißen.“ Auch die Sülzer haben die Bezirkspolitik eingeschaltet. Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Freker von der CDU hat den Fall unter anderem ans Bauaufsichtsamt der Stadtverwaltung weitergeleitet. Tatsächlich scheint das der einzige Hebel: Denn wer zuvor anders genutzte Räume umbaut, um dort käuflichen Sex anzubieten, muss Auflagen für den Brandschutz erfüllen. Das Bauaufsichtsamt muss eine Nutzungsgenehmigung ausstellen, für die allerlei Auflagen erfüllt werden müssen. Hinzu kommen einige spezielle Auflagen für Prostitutionsbetriebe wie die Installierung eines Notrufsystems, eine „angemessene Ausstattung mit Sanitäreinrichtungen für Beschäftigte und Kunden“ sowie „geeignete Pausenräume für Prostituierte“, wie es das NRW-Wirtschaftsministerium ausführt.

Um solche baurechtlichen Fragen ging es auch, als der Fall des Massagesalons in der Südstadt vor dem Verwaltungsgericht landete. Die Stadt hatte wegen einer fehlenden Baugenehmigung und ungeklärten Brandschutzfragen eine Ordnungsverfügung erlassen, gegen die der Gewerbebetrieb vorgegangen war. Die Frage, ob man solche Etablissements in Mehrfamilienhäusern mitten in der Stadt ertragen muss oder nicht, war nicht Gegenstand des Verfahrens. Das Gericht gab der Stadt recht. Der Massagesalon müsse schließen, er sei „nicht genehmigungsfähig“, so die Richter (Az 2L882/14).

Die Erleichterung der Mitbewohner währte jedoch nur kurz. Offenbar konnten die fehlenden Unterlagen nachgereicht werden. Die klaren Worte der Richter hatten in der Praxis letztlich keine Konsequenzen. „Immerhin ist es im Haus ruhiger geworden“, berichtet ein Mieter. Der Massagesalon versuche wohl, weiteren Ärger zu vermeiden, in dem er sich möglichst unauffällig verhalte. Das bescheinigt die Polizei auch dem Sülzer Anbieter. Es gebe aus polizeilicher Sicht keinen Anlass, aktiv zu werden. Tatsächlich ist von außen kaum zu erkennen, was drinnen stattfinden könnte. Während der Massagesalon in der Südstadt weiterhin eindeutige Werbung im Netz für sich macht, findet man Hinweise auf das Sülzer Leistungsspektrum nur durch im Internet gepostete Kundenberichte.

Das Bauaufsichtsamt spricht auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ durchaus von Aussagen, die auch „auf strafrechtliche Aspekte deuten“. Deshalb könne man keine weiteren Angaben machen und werde „der Angelegenheit angemessen“ nachgehen.

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