Prostitution trotz LockdownKölner Sexarbeiterin: „Ich spiele mit meiner Gesundheit“

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Eine Prostituierte verdeckt mit einer Maske ihr Gesicht.

Köln – Derya (Name geändert) arbeitet  als Prostituierte. Die 32-Jährige empfängt ihre Kunden in einem Apartment in der Kölner Innenstadt – auch während der Pandemie, obwohl Sexarbeit seit November laut Corona-Schutzverordnung verboten ist. Sie spiele zwar mit ihrer Gesundheit, sagt Derya, aber sie sei auf das Geld angewiesen. Ein Wortprotokoll.

Als ich 2018 anfing, als Prostituierte zu arbeiten, war die Welt noch in Ordnung. Es gab keine Pandemie. Inzwischen sind wir im zweiten Lockdown, Prostitution ist verboten, aber ich mache trotzdem weiter, wie schon während des ersten Lockdowns. Nicht nur ich übrigens, viele Mädels, die ich kenne, arbeiten weiter. Das Geld muss ja irgendwie reinkommen.

Während des ersten Lockdowns  standen die Gäste hier Schlange, es ging fast zu wie auf dem Fließband. Klar, die Clubs hatten zu, viele Frauen hatten Angst zu arbeiten – und die, die weitergemacht haben, wie ich, hatten mehr zu tun.

„Mache nur noch Termine mit Stammgästen”

Aber inzwischen mache ich nur noch Termine mit Stammgästen. Im Schnitt habe ich zwei Kunden am Tag. Alles andere ist mir gerade zu riskant. Ich habe  Angst, dass mich das Ordnungsamt erwischt. Ich glaube, die arbeiten mit Testpersonen, mit  Lockvögeln, die dich austricksen wollen, ich will nicht von denen hochgenommen werden.

Ich bin bisher erst ein Mal kontrolliert worden. Nachts stand plötzlich die Polizei an meinem Fenster, der Beamte sagte: „Uns wurde mitgeteilt, dass Sie hier arbeiten.“ Aber ich hatte zum Glück an diesem Tag nicht gearbeitet. Kein Problem also. Wenn sie mich mal mit einem Gast im Bett erwischen würden, könnten sie mir natürlich eine Strafe reindonnern.

„Von Hartz IV könnte ich das alles nicht bezahlen”

Aber ich brauche das  Geld. Ich wohne in Rheinland-Pfalz, da ist mein Erstwohnsitz, da zahle ich meine Miete. In Köln bin ich nur wochenweise zum Arbeiten, aber auch hier muss ich natürlich Miete für diese Wohnung bezahlen. Dazu kommen Fixkosten für Krankenkasse, Handyverträge, Fitnessstudio – das läuft ja alles weiter. Von Hartz IV könnte ich das alles nicht bezahlen.

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Die Angst, mich mit Corona zu infizieren, schwingt im Hinterkopf mit, ganz klar. Ich versuche, nicht zu viel darüber nachzudenken. Mein letzter Test im Dezember war negativ. Aber komplett ausblenden kann ich das nicht. Ich weiß: Ich spiele mit meiner Gesundheit. Was mich ärgert, ist, dass jedes Bundesland seine eigenen Regeln macht. Die ganze Welt leidet unter dieser Pandemie. Vielleicht bin ich so ein bisschen Aluhut-mäßig unterwegs, aber wenn das doch tatsächlich so schlimm ist wie alle sagen: Warum ziehen wir das dann nicht  einmal alle gemeinsam durch? Gleiche Regeln für alle, dann gehen auch die Zahlen mal richtig runter.

Die meisten Gäste tragen keine Maske

Aber die Gäste kommen auch so. Manche mit Maske, die meisten nicht. Ich trage auch keine. Ein Kunde fragte mich letztens: „Du hast aber kein Corona, oder?“ Ich dachte: „Alter, wie dämlich ist das denn?“ – und antwortete: „Doch, habe ich.“ Wer dumm fragt, kriegt eine dumme Antwort. Er meinte: „Ich arbeite in der Medizinbranche, ich kann mir das nicht erlauben.“ Ich sagte: „Dann spar dir doch dein Geld und klapp lieber den Laptop auf.“ Und er sagte: „Ich habe aber so große Lust“ – und ist dageblieben.

Durch Corona mache ich im Moment nebenbei auch ein paar Sachen im Internet, Livestreams und so etwas. Viel verdient man damit aber nicht. Ich habe nichts gelernt, habe keine Ausbildung. Ich habe früher gekellnert, in der Spielhalle und an der Kasse im Einzelhandel gearbeitet. Dahin will ich nie wieder zurück.

„Ich arbeite auf eigene Rechnung, habe keinen Zuhälter”

Klar, Prostitution ist ein sehr anstrengender Job, aber ich habe Blut geleckt, ich habe gemerkt, dass ich eine gewisse Wirkung auf Männer habe. Das Geld, das ich damit verdienen kann, schmeckt gut, muss ich ehrlich sagen. In manchen Monaten verdiene ich so viel wie ein Arzt. Ich arbeite auf eigene Rechnung, habe keinen Zuhälter oder so etwas. Ich will überhaupt nie wieder irgendwo arbeiten, wo ich einen Chef über mir habe.

Im Moment gehe ich davon aus, dass Prostitution in diesem Jahr wohl nicht mehr erlaubt sein wird. Naja, mit etwas Glück vielleicht gegen Ende des Jahres wieder. Ich lebe jetzt erst einmal von Monat zu Monat, versuche, möglichst früh, meine beiden Mieten zusammenzukriegen. Viele Mädels, die diesen Job machen, haben keinen sozialen Rückhalt. Wenn es für mich hart auf hart käme, würde ich zu meiner Mama zurückgehen.

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