Proteste in KölnPolizei löst Corona-„Spaziergang“ am Dom auf

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Polizisten lösten die Versammlung auf.

Köln – Es ist genau 18.31 Uhr, als aus einem Lautsprecherwagen der Polizei vor dem Roncalliplatz die erste Durchsage kommt, die die Demonstration von mehreren Hundert sogenannten „Montagsspaziergängern“ für beendet erklärt. Die unangemeldete Kundgebung, für die sich niemand als Veranstalter zu erkennen gibt, wird aufgelöst, weil sie nach Ansicht der Polizei unter anderem wegen fehlender Straßensperren eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten könnte.

Lautes Gelächter schallt den Beamtinnen und Beamten entgegen, ebenso „Wir sind das Volk“- und „Widerstand!“-Rufe. Einzelne Demo-Teilnehmer verstricken die Polizistinnen und Polizisten in Diskussionen über Versammlungsfreiheit und Demokratie.

Eine halbe Stunde lang waren die Demonstrierenden da schon am Dom, einige mit Lichterketten um den Hals, andere mit Kerzen in der Hand, die wenigsten mit Maske vor dem Gesicht. Kurz zuvor hatte der Starkregen nachgelassen. Starke Kräfte von Polizei und Ordnungsamt ahndeten Maskenverstöße und verhinderten, dass die Demo in mehreren Zügen durch die Innenstadt verläuft. Durchgänge vom Dom zum Bahnhofsvorplatz und von Roncalliplatz zur Hohe Straße wurden mit Polizeiketten blockiert. Bis zuletzt verlief die Aktion aber friedlich.

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Protest gegen Corona-Maßnahmen

Stunden zuvor sprachen der Leitende Polizeidirektor Michael Tiemann und Stefan Mitschke von der Abteilung Staatsschutz über die „Montagsspaziergänge“, diese relativ neue Form des Protests in Köln gegen – ja, gegen was eigentlich genau? So ganz klar ist das nicht.

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Der Corona-„Spaziergang“ am Montagabend in Köln.

Das Wort „diffus“ jedenfalls fällt häufig. Erstmals am 20. Dezember, dann erneut am 27. Dezember sowie am gestrigen Montagabend demonstrieren mehrere Hundert Menschen in der Innenstadt gegen Corona-Impfungen, gegen Kontaktbeschränkungen und andere angeblich unangemessene Beschneidungen demokratischer Rechte, aber auch gegen „die Medien“ und für die Freiheit. Sie fordern zu Widerstand auf gegen die „Repressionen des Staates“. Immer wieder ist auch von einer „Diktatur“ die Rede, die es zu bekämpfen gelte.

Teilnehmer stammen überwiegend aus „bürgerlichem Spektrum"

„Es ist schwierig, konkrete Forderungen auszumachen“, sagt Stefan Mitschke von der Abteilung Staatsschutz. Ebenso diffus sei die Zusammensetzung dieser Montagsversammlungen. Knapp 250 seien am 20. Dezember gekommen, doppelt so viele eine Woche später. Verschwörungsideologen seien dabei, „Rechtsesoteriker“, aber auch Linke. „Im Kern“, sagt Mitschke, stammten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Einschätzung der Polizei aus dem „bürgerlichen Spektrum“. Einige seien möglicherweise von Existenznöten getrieben, alle eint ihr offenkundiger Unmut über „den Staat“.

Von einer Ausnahme abgesehen, als ein paar Demonstrierende eine Polizeiabsperrung durchbrachen und in die Fußgängerzone vordrangen, seien die Proteste bislang friedlich geblieben – anders als in München, Berlin, Kassel, Schweinfurt oder im thüringischen Greiz, wo solche „Spaziergänge“ zuletzt in Auseinandersetzungen mit der Polizei gipfelten.

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Warum es in Köln bislang vergleichsweise ruhig blieb, könnte nach Einschätzung von Michael Tiemann daran liegen, dass Stadt und Polizei hier das Versammlungsrecht in Zeiten der Pandemie bislang sehr eng auslegen. Während des Lockdowns voriges Jahr waren zum Beispiel teilweise nur zehn oder 50 Teilnehmende pro Versammlung erlaubt. Die Folge dessen könnte sein, „dass Köln jetzt nicht als Schwerpunkt solcher Versammlungen hervortritt“.

„Spaziergänger“ lehnen Kooperation mit Polizei ab

Neu ist, dass die „Montagsspaziergänger“ jede Kooperation mit der Polizei im Vorfeld ablehnen. Ihre Versammlungen melden sie nicht an, so wie das generell bei Kundgebungen in der Stadt üblich ist und Tiemann zufolge in 95 Prozent aller Fälle so geschehe. Polizei und Anmelder vereinbaren dann, wo und wann eine Veranstaltung stattfindet und mit wie vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu rechnen ist.

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Polizisten lösten die Versammlung am Roncalliplatz auf.

Gleichwohl: Eine Versammlung oder Demo muss hierzulande nicht zwingend im Vorfeld angemeldet werden, sie kann auch spontan stattfinden. Die bloße Teilnahme daran ist weder strafbar noch eine Ordnungswidrigkeit. Haftbar wäre bei Verstößen im Zweifel nur der Versammlungsleiter, der benannt werden oder sich bei Veranstaltungsbeginn bei der Polizei melden müsste.

Auf all das verzichten die „Montagsspaziergänger“ aber. Stattdessen verbreiten sie untereinander Aufrufe zu Treffpunkten und Uhrzeiten auf Plattformen wie Telegram oder Twitter. Am Abend selbst suchen sich die „Spaziergänger“ spontan ihre Wege durch die Innenstadt, entweder alle gemeinsam oder in mehreren Kleingruppen – mal geht die voran, mal jener. „Das macht es für uns ein bisschen schwierig“, sagt Tiemann.

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