Raser-Prozess in KölnSchöffe könnte zum wichtigen Zeugen werden

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Der Schöffe (r.) könnte befangen sein, was den Prozess gegen Firat M. (l.) und Erkan F. (M.) platzen lassen würde.

Der Schöffe (r.) könnte befangen sein, was den Prozess gegen Firat M. (l.) und Erkan F. (M.) platzen lassen würde.

Köln – Nicht mehr die beiden mutmaßlichen Raser vom Auenweg, sondern einer der beiden Schöffen steht plötzlich im Mittelpunkt des Revisionsprozesses um den tödlichen Raserunfall im April 2015. Doch der möglicherweise befangene Laienrichter ist nicht nur der Grund, warum das Verfahren wohl nächste Woche platzen wird – der 31-Jährige könnte wegen seiner denkbaren Kontakte in die Raserszene nun sogar zu einem wichtigen Zeugen werden.

Wirbel um Video auf Facebook

„Wir werden ihn von unserer Seite aus jedenfalls als solchen benennen“, kündigte Rechtsanwalt Nikolaos Gazeas an. Er vertritt die Familie der getöteten Radfahrerin Miriam Scheidel (19) als Nebenkläger. Der Grund ist ein Video, das eine Zeit lang auf Facebook kursierte. Eingestellt wurde es im Februar 2016, zehn Monate nach dem Unfall auf dem Auenweg.

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In dem knapp 90 Sekunden langen Film ist zu sehen, wie zwei teure Sportwagen im Dunkeln durch die Stadt rasen, gefilmt von einem Mann, der in einem Fahrzeug dahinter sitzt. Dessen Gesicht wird nicht gezeigt, nur seine Stimme ist hörbar. Die Nebenklage hält es für möglich, dass es sich bei diesem Kameramann um einen der beiden Angeklagten, Firat M., handeln könnte. Denn über dem Video ist M.’s Name verlinkt, darunter steht: „Mit den Jungs ’ne Runde touren.“

Der 24-Jährige hat beim ersten Prozesstag am Mittwoch bestritten, in dem Auto gesessen zu haben, mehr noch: Er legte in Bezug auf den tödlichen Unfall wortreich Reue an den Tag und sagte, er kriege als Beifahrer seitdem „Paranoia“, wenn ein Fahrer zu schnell fahre. Warum er über dem Video verlinkt sei, wisse er nicht.

Die Nebenklage ist skeptisch. Aufschluss geben könnte die Person, die das Video auf ihrer Facebook-Seite eingestellt hat. Aber die verwendet in dem sozialen Netzwerk ein Pseudonym, ihr Klarname ist nicht bekannt. Und hier kommt der Schöffe ins Spiel: In der Mittagspause am ersten Prozesstag teilte er seinen Richterkollegen mit, dass er denjenigen, der unter dem Pseudonym firmiert, kennt. Er habe ihn als Jugendlicher beim Praktikum bei einem Autoverwerter kennengelernt, habe ihn aber seit etwa fünf Jahren nicht mehr gesehen. Man sei zwar noch auf Facebook befreundet, er habe aber insgesamt 1200 Facebook-Freunde, berichtete der Schöffe.

Zugleich beteuerte er, dass ihm die beiden Angeklagten, Firat M. und Erkan F., „völlig unbekannt“ seien. Als Zeuge vor Gericht – so die Hoffnung der Nebenklage – könnte der Schöffe die Identität des Video-Verbreiters enthüllen.

Den Schöffen selbst trifft keine Schuld

Auf seiner eigenen Facebook-Seite hatte der Laienrichter noch am Mittwoch mehrere Fotos gepostet, die ihn mit teuren Sportwagen zeigen. Fast alle waren am Donnerstag von der Seite verschwunden. Ein Faible für schnelle Autos scheint offensichtlich. Ob er aber auch tatsächlich Kontakte in die Raserszene hat, ist unklar.

Alles zusammen genommen ist der Schöffe, der zudem vor 13 Jahren eine Gefährderansprache der Polizei wegen zu schnellen Fahrens erhielt, dem Vernehmen nach für Nebenklage, Staatsanwaltschaft und die Verteidiger der beiden Angeklagten nicht mehr tragbar; er könnte voreingenommen sein. Die Juristen bereiten entsprechende Anträge vor. Gibt das Gericht ihnen statt, wird der Revisionsprozess mit einem Ersatzschöffen neu aufgerollt.

Die Unfallstelle am Auenweg

Die Unfallstelle am Auenweg

Den 31-jährigen Schöffen selbst trifft an dieser überraschenden Entwicklung womöglich keine Schuld. Schöffen werden einem Verfahren zugelost und wissen vorher in der Regel gar nicht, worum es geht. Somit hätte der 31-Jährige auch nicht eher reagieren können als in der ersten längeren Verhandlungspause. Da Gefährderansprachen nicht in Vorstrafenregistern auftauchen, war wohl auch das Landgericht ahnungslos.

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