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Raserunfall am AuenwegAngeklagter Firat M. redet bei Gerichtsprozess plötzlich los

Lesezeit 3 Minuten
Einer der Unfallfahrer, Firat M. im Gerichtssaal.

Einer der Unfallfahrer, Firat M. im Gerichtssaal.

Köln – Die Zeugin, eine Polizistin, hat ihre Aussage fast beendet, gerade geht es um das Thema Prävention, da platzt es überraschend aus Firat M. heraus: Er habe auch schon einmal einen „Crash-Kurs“ besucht, erzählt er dem Gericht freimütig. Das sind Präventionsveranstaltungen an Schulen, auf denen die Polizei Fahranfänger vor zu schnellem und rücksichtslosem Fahren warnt. Polizisten, Feuerwehrleute, Ärzte und Angehörige von Unfallopfern berichten den Schülern aus erster Hand von ihren eindrücklichen Erfahrungen.

Angeklagter will bei Kurs mitwirken

Er habe den Kurs noch vor dem tödlichen Unfall am Auenweg 2015 gesehen, fährt Firat M. ohne Absprache mit seinem Anwalt fort. Ungläubiges Staunen im Gerichtssaal. Aber der 24-Jährige ist noch nicht fertig. Er biete an, fügt er hinzu, beim „Crash-Kurs“ mitzuwirken. Er wolle den Schülern berichten, was man alles anrichten könne im Straßenverkehr und – sinngemäß – wie es sei, wenn dabei ein Mensch zu Tode komme.

Auf der Nebenklage-Bank entgleisen den Eltern der beim Auenweg-Unfall getöteten Miriam Scheidel (19) alle Gesichtszüge. Marita Scheidel, die Mutter, beteiligt sich selbst an dem Polizei-Projekt „Crash-Kurs“. In nahe gehenden Worten berichtet sie dabei Schülern, wie belastend es bis heute für die gesamte Familie sei, Miriam bei einem Raser-Unfall verloren zu haben.

Mitangeklagter schloss sich im Zimmer ein

Auch am dritten Prozesstag dreht sich fast alles nur um Firat M. Sein ehemaliger Kumpel, der Mitangeklagte Erkan F. (25), mit dem er sich im April 2015 das verhängnisvolle Rennen geliefert hatte, verfolgt die stundenlange Verhandlung schweigend, beinahe regungslos. M. schildert, wie er am vorigen Mittwochabend, nach dem zweiten Prozesstag, auf Betreiben seiner Mutter eine psychiatrische Klinik aufgesucht habe. Seine Familie habe sich Sorgen um ihn gemacht, weil er sich nach der Verhandlung in seinem Zimmer eingeschlossen habe und mit niemandem habe sprechen wollen.

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Das Gericht beschließt, eine Oberärztin aus der Klinik als Zeugin zu laden, eine 60-Jährige Fachärztin für Psychiatrie. Sie erläutert wenig später, dass sie anhand von Firat M.s Schilderungen eine „mittelgradig depressive Episode“ diagnostiziert habe. Der Unfall und das Gerichtsverfahren belasteten ihn, die vielen Zuschauer ihm Saal würden ihn hassen, alle seien gegen ihn, habe er ihr berichtet. Er leide unter Schlafstörungen, sei antriebslos. Nach zwei Nächten habe sie ihn nach Hause entlassen und ihm eine Weiterbehandlung in einer Tagesklinik empfohlen.

Polizistin berichtet von wachsender Raserszene

Als erste Zeugin hatte am Vormittag die Polizistin ausgeführt: Illegale Straßenrennen seien ein Problem für die Polizei in Nordrhein-Westfalen. „Die Szene ist noch im Wachstum, sie beruhigt sich nicht“, sagte die Beamtin aus Duisburg, die für das Innenministerium Lagebilder über illegale Rennen im Land erstellt. 335 seien es im Vorjahr gewesen. Die Dunkelziffer sei hoch. In Städten wie Köln, wo die Polizei nach dem tödlichen Unfall auf dem Auenweg eine spezielle Ermittlungsgruppe gegen Raser eingerichtet hatte, würden besonders viele Taten registriert, weil dort auch stärker kontrolliert werde. Am Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt. Dann folgen die Plädoyers, womöglich auch das Urteil. 

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