Seitenhieb gegen die StadtFühlinger kritisieren Verteilung von Flüchtlingen

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Auf diesem Acker soll das Wohnheim stehen.

Auf diesem Acker soll das Wohnheim stehen.

  • Bürgerverein "Wir Fühlinger" legt Beschwerde bei Kommunalaufsicht ein - Verteilung von Flüchtlingen kritisiert - Bezirksregierung muss Vorwürfe prüfen

Köln-Fühlingen – Ein scharfes Schwert oder eher ein stumpfes? Der Bürgerverein „Wir Fühlinger“ hat bei der Bezirksregierung eine Kommunalaufsichtsbeschwerde gegen die Stadt Köln eingereicht - Anlass ist der Ratsbeschluss, an der Neusser Landstraße eine Flüchtlingsunterkunft für 240 Menschen zu errichten. In seinen Augen sei eine solche Beschwerde ein "recht massives Schwert", sagte jetzt der Fühlinger Karl Schmitt auf der Jahreshauptversammlung des Bürgervereins im Pfarrsaal St. Marien.

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Zwar habe er sich von Anwälten sagen lassen, dass es juristisch kaum möglich sei, einen Ratsbeschluss nachträglich zu kippen. Dennoch sei eine Beschwerde ein gewichtiges Instrument, denn die Stadt sehe sich nun gegenüber der Bezirksregierung genötigt, eine ausführliche Stellungnahme abzugeben. Schmitt, ein pensionierter Ministerialrat, der in Düsseldorf bei der Landesregierung beschäftigt war, hat mit Bernd Hüsch, ebenfalls Fühlinger und Mitglied im Bürgerverein, die Beschwerde erarbeitet. "Wir haben monatelang daran gesessen, zum Beispiel die statistischen Zahlen recherchiert", so Hüsch.

Die Kommunalaufsichtsbeschwerde: Die Möglichkeit, sich bei der übergeordneten Behörde über die eigene Kommune zu beschweren, steht jedem Bürger offen. Im Grunde ist das nichts anderes als eine Dienstaufsichtsbeschwerde, nur auf einer höheren Ebene. Das Mittel wird allerdings selten genutzt. Den Brief schickte der Bürgerverein Anfang Januar an die Regierungspräsidentin Gisela Walsken. Die Bezirksregierung hat den Eingang bestätigt, auch die Stadt hat mittlerweile Kenntnis. Mit ihrer Beschwerde zielen die Fühlinger darauf ab, dass die Stadt ihre Entscheidung zur Errichtung eines Wohnheims für 240 Flüchtlinge überdenkt. Keinesfalls sei man gegen die Aufnahme von Migranten im Dorf, betonen sie, allein die Zahl sei zu hoch - einverstanden ist man mit einem Zuzug von 80 Personen. „Im Ergebnis wollen wir eine gerechte und rechtmäßige Verteilung der Flüchtlinge im Stadtgebiet erreichen“, so der Bürgerverein.

Die Flüchtlingsunterkunft: Die Einrichtung soll auf einem städtischen Grundstück an der Kreuzung Neusser Landstraße/Blumenbergsweg entstehen - das Gelände steht eigentlich unter Landschaftsschutz. Geplant ist ein zweigeschossiger Bau in Systembauweise mit 64 abgeschlossenen Wohneinheiten, außerdem Aufenthalts- und Begegnungsräumen. Eine Baugenehmigung sei noch nicht erteilt, erklärte Sabine Wotzlaw, Pressesprecherin bei der Stadt, auf Anfrage. Es sei aber bald damit zu rechnen, da die Ausschreibung für die Beauftragung des Generalunternehmers abgeschlossen sei.

Der Ratsbeschluss: Die Entscheidung für das Wohnheim fällte der Stadtrat am 20. Dezember 2016. Damals hielt der Zustrom von Flüchtlingen noch unvermindert an, die Verwaltung suchte händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten. Anfang Dezember hatte der Rat eine Liste möglicher Standorte in Köln beschlossen, auf der war auch Fühlingen verzeichnet, da war aber nur von 200 Menschen die Rede. Die Zahl wurde später aufgestockt - obwohl es die Bezirksvertretung Chorweiler kurz zuvor einstimmig abgelehnt hatte, in Fühlingen überhaupt ein Wohnheim zu bauen. Dem Stadtteil mangele es an Infrastruktur, argumentierten die Bezirksvertreter.

Die Argumente der Fühlinger: Wie die Bezirksvertreter führt auch der Bürgerverein die schlechte Infrastruktur im Dorf an. Die einzige Kita schon überfüllt, keine Schule, auch Supermarkt und Arztpraxis sucht man vergebens. Von der Situation habe sich die Verwaltung kein Bild vor Ort gemacht, beklagt der Bürgerverein. Fühlingen hat rund 2000 Einwohner. Ein Zuzug von 240 Flüchtlingen würde eine Zuteilungsquote von fast zwölf Prozent bedeuten - die höchste in Köln. „Wir wollen nur 80 Menschen aufnehmen“, bekräftigte Hüsch im Gespräch. Nur dann könne die Integration gelingen. Darüber hinaus sei in den Leitlinien der Stadt zur Flüchtlingsunterbringung verankert, die Zahl von 80 Plätzen pro Heim nicht zu überschreiten. Das Verfahren der Entscheidung damals sei intransparent gewesen, monierte Schmitt. Vor allem aber ärgere ihn die ungleiche Verteilung von Flüchtlingsstandorten in Köln. Der Stadtbezirk Chorweiler werde über Gebühr belastet, vermutlich, weil er unter den Ratsmitgliedern kaum repräsentiert sei. Norbert Radke, scheidender Bürgervereinsvorsitzender, der sein Amt an Verena Sontag abgegeben hat, beklagte, Politik und Verwaltung verweigerten den „konstruktiven Austausch“ auf Augenhöhe.

Das sagen Bezirksregierung und Stadt Köln: „Nach Prüfung des Sachverhalts sowie der Stellungnahme entscheidet sich das weitere Vorgehen“, erklärte Vanessa Nolte, Sprecherin der Bezirksregierung. Die Verteilung liege im Ermessen der Stadt. „Allenfalls wäre ein kommunalaufsichtsrechtliches Einschreiten bei einer rechtswidrigen Entscheidung möglich.“ Das Schreiben des Bürgervereins liege der Oberbürgermeisterin vor, sagt Wotzlaw. Auch sie verweist darauf, dass nur Ratsbeschlüsse beanstandet werden können, die das Recht verletzen. Das wäre der Fall, wenn Regularien missachtet worden wären und sich Verfahrensfehler eingeschlichen hätten; so muss etwa die Tagesordnung stets vor einer Ratssitzung veröffentlicht werden. Zwingend auch: Die Bezirksvertretung muss vorher angehört worden sein. Das sei geschehen, so Wotzlaw.

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