Rechtsruck in ItalienDas sagen in Köln lebende Italiener zur Wahl

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Davide Brocchi 

Köln – Die radikalen Rechten triumphieren bei der Parlamentswahl in Italien. Giorgia Meloni von einer im Faschismus verwurzelten Partei kann nun die Regierung übernehmen. Die Rechten in Europa jubeln – andernorts ist die Sorge vor der Zukunft groß. Auch in Köln lebende Italiener äußern sich bestürzt zum Ergebnis der Parlamentswahl.

Rechtsruck in Italien: Giorgia Meloni eine „echte Populistin“

Der in Köln lebende Italiener Clemente di Parma, der das italienische Lebensmittelgeschäft „Salumi Toscani“ in Köln-Ehrenfeld führt, ist der Meinung: „Der, der die besten Wahlversprechen vermittelt, gewinnt. Meistens werden die jedoch nicht eingehalten und es passiert nichts.“ Mit der rechten Politikerin Giorgia Meloni hätte eine „echte Populistin“ bei der Wahl gesiegt, so Di Prima. Allerdings sieht er den jetzigen Rechtsruck in der Regierung nur temporär: „Das ist nicht von Dauer, die Stimmungslage in der Gesellschaft kann in sechs Monaten schon wieder ganz anders aussehen.“ Kritisch sieht er hingegen, dass die rechtsradikale Partei Fratelli d’Italia Menschenrechte nicht würdigt und gegen Abtreibungsrechte ist. In ihren Reden macht Meloni deutlich, dass sie gegen Migranten aus mehrheitlich muslimischen Ländern und Abtreibungsrechte ist.

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Filippa Padiglia 

Filippa Padiglia, Chefin des „Ristorante Etrusca“ im Kwartier Latäng, glaubt, dass die Italienerinnen und Italiener rechte Parteien gewählt haben, weil sie genug haben von schlechten Nachrichten: „Sie haben die Nase voll von allem – Corona-Pandemie, steigende Energiepreise – die Menschen konnten nicht mehr, und das macht sich in dem Wahlergebnis bemerkbar.“ Sie glaubt: „Mit Mario Draghi waren die Menschen zufrieden, aber er wurde nun mal nicht vom Volk gewählt.“ Padiglia hofft, dass sich das Rechtsbündnis nicht langfristig durchsetzt.

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Antonietta Abbruscato

Antonietta Abbruscato, Vorstands-Vorsitzende der Kita „Zebra e.V.“ in Köln-Niehl, ist nicht überrascht über das Wahlergebnis: „Ich habe damit gerechnet, da sich bereits seit Jahren sehr populistische Bewegungen in Italien gebildet haben.“ Laut Abbruscato ließe sich schön länger ein veränderter Ton in der Presse vernehmen, die Energiekostensteigerung mache die Menschen dazu ebenfalls „empfänglich für rechte Parolen“.

Der Mitbesitzer des italienischen Eiscafés „Anna Lisa“ in Köln-Bickendorf findet das Wahlergebnis „schrecklich“. „Es zeigt sich das wahre Gesicht der Menschen in Italien – ich kann es nicht glauben. Ich verstehe nicht, warum die Italienerinnen und Italiener so gewählt haben, die können sich doch in den heutigen Zeiten leicht informieren.“

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Davide Brocchi 

Davide Brocchi, Diplom-Sozialwissenschaftler, in Italien geboren und seit 2007 in Köln, findet das Wahlergebnis nicht überraschend: „Es ist nicht das erste Mal, dass eine rechtsorientierte Partei an die Macht kommt. Dennoch sind die Sympathien von Giorgia Meloni für die polnische und ungarische Regierung für Europa beunruhigend – auch Berlusconi kann man Sympathien für den Faschismus und Benito Mussolini, Italiens Diktator von 1922 bis 1942, nachsagen.“ Interessant wird es laut Brocchi jetzt nach der Wahl, wo sich zeigen wird, ob Meloni ihre Wahlversprechen umsetzen kann: „Es wird deutlich werden, ob ihre Aussagen nur oberflächlich-ästhetisch oder wirklich tiefgreifende Änderungen im Programm hervorrufen werden.“

Brocchi: „Ein bisschen wiederholt sich die Geschichte vielleicht doch“

Auf die Frage, wie es in Italien so weit kommen konnte, sagt der 53-Jährige: „Die Erklärung liegt nicht nur innerhalb dieses Landes. Schweden hat vor wenigen Wochen einen historischen Rechtsruck erfahren. In Frankreich ist die Partei von Marine Le Pen im Aufwind, während in Polen und Ungarn rechte Regierungen schon lange die Demokratie beschnitten haben. London hatte Boris Johnson und die konservative Nachfolgerin ist nicht viel besser, während die USA ein tief gespaltenes Land sind, in dem Rassismus genauso verbreitet ist wie die Liebe für Waffen. In Deutschland könnte die Energiekrise der AfD noch mehr Zulauf bringen. Eine ähnliche Entwicklung in so vielen Ländern muss auch ähnliche Ursachen haben. Ein bisschen wiederholt sich die Geschichte vielleicht doch.“

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Einige der vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ angefragten Italienerinnen und Italiener wollten sich nicht zu dem Wahlergebnis äußern. Sie machten deutlich, dass sie sich von der Wahl distanzieren und dass sie seit vielen Jahren in Deutschland leben und sich daher der deutschen Politik zugehörig fühlen.

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