Rednertalente im Park

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Rund 120 Menschen nahmen im lockeren Halbkreis um die Rednerin Platz, um zuzuhören und mitzudiskutieren.

Rund 120 Menschen nahmen im lockeren Halbkreis um die Rednerin Platz, um zuzuhören und mitzudiskutieren.

Bilderstöckchen – Das Experiment ist geglückt. Ein öffentlicher Ort der freien Rede mit offenem Teilnehmerkreis: Was an der berühmten „Speakers' Corner“ im Londoner Hyde Park schon seit 1872 funktioniert, könnte sich nun auch im Blücherpark etablieren. Erstmals hatte die Initiative „Bilderstöckchen spricht“ zur Speakers' Corner auf die vordere Blücherpark-Wiese neben dem Brunnen- und Planschbecken nahe des Parkgürtels eingeladen. Und die Resonanz konnte sich sehen lassen: Rund 120 Besucher nahmen im Halbkreis Platz und beteiligten sich rege.

„Wie oft passiert es uns, dass wir nicht zuhören, allzu schnell abwerten, ins Wort fallen oder uns um des lieben faulen Friedens willen mit oberflächlichen Wortgeplänkeln zufrieden geben?“, so das Gastgeber-Duo, Miriam Haller und Chris Weber, beide aus Bilderstöckchen, zu ihrer Initiative. Die Gesellschaft müsse im Zeitalter von unreflektierten „Shit-Storms“ und Empörungswellen wieder vernünftig diskutieren lernen. Beim London-Besuch kam dem Pärchen die Idee, das Format in den Blücherpark mitzubringen.

Ein kleiner Unterschied zum Vorbild: Es gibt eine Moderation, und auch das Debattenthema ist gesetzt. Zum Auftakt war das Klima an der Reihe: Als Impulsrednerinnen waren die beiden Kölner „Fridays for Future“-Mitstreiterinnen Maira Kellers (14) und Sabrina Meures (21) zu Gast. Nachdem sie erläutert hatten, wie ihr Netzwerk arbeitet und was sie fordern – ein Gratis-ÖPNV in und um Köln, ein sofortiger Kohle-Ausstieg und ein politisches Streikrecht für alle gehören dazu –, ging es rund um die Energiepolitik schnell argumentativ zur Sache. „Wenn wir aus der Kohle aussteigen, fallen wir ins Leere, denn bei Dunkelheit und Windstille ist es vor allem die Braunkohle, die uns versorgt“, so ein Diskutant. Die Lösung seien Kraftwerke mit Bio- und Elektrolyse-Gas, merkte ein anderer an. „Der Strom hieraus kostet ungefähr 700 Euro pro Megawattstunde. Kein anderes Land außer uns steigt fast gleichzeitig aus Kernkraft und Kohle aus“, so wiederum die Antwort hierauf. „Wen wir mal auf den Ruinen unserer Industrie stehen, werden wir sagen: So hatten wir uns das nicht vorgestellt.“ Jeder könne etwas tun, indem man auf Ökostrom wechsle, brachte ein Zuhörer aus Bergisch Gladbach ein. „Das habe ich selbst gemacht. Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir im ökonomischen Bereich den Hebel ansetzen.“

Besonders erfreulich: Vor der eigentlichen Debatte sprach sich das Publikum per Votum klar dafür aus, wahrhaftig frei und ohne „Leitplanken“ zu diskutieren. Auch das von den Gastgebern mitgebrachte „Keine Diskriminierung – keine Hetze“-Erinnerungsschild blieb in der Tasche. „Ich bin der Meinung, dass wir es aushalten können, wenn jemand wirklich extreme Meinungen vertritt“, so stellvertretend eine Besucherin. Und das sollte im Laufe des Nachmittags ohnehin nicht passieren. Es ist also wirklich ein Hauch von Hyde Park im Blücherpark eingekehrt. Die nächsten Runden im Blücherpark sind schon terminiert: Sie finden am 28. Juli, 25. August und 29. September statt, jeweils ab 15 Uhr.

Aufmerksam folgte das Publikum der Debatte (Bild oben), die Chris Weber einleitete (unten). Neben ihm Sabrina Meures (l.) und Maira Kellers von „Fridays for Future“.

Aufmerksam folgte das Publikum der Debatte (Bild oben), die Chris Weber einleitete (unten). Neben ihm Sabrina Meures (l.) und Maira Kellers von „Fridays for Future“.

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