DJ im Reineke Fuchs„Leute, die mehr Geld haben, lassen es nicht raushängen“

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David Hasert im Reineke Fuchs 

David Hasert im Reineke Fuchs 

  • Das „Reineke Fuchs“ ist einer der beliebtesten Clubs im Belgischen Viertel in Köln. David Hasert ist dort DJ und Booker.
  • Er sieht den Club als erste Anlaufstelle für die Leute, die nicht so Lust auf „Schicki-Micki“ haben.
  • Ein Gespräch über die Entwicklung auf der Aachener Straße, Anwohnerklagen wegen Lärm, den Trend zur Zwei-Stunden-Party und die Notwendigkeit von Türstehern.

Wer den Club „Reineke Fuchs“ nicht kennt, läuft Gefahr, an ihm und seiner schwarzen Fassade vorbeizulaufen. Die erste Clubadresse des Belgischen Viertels befindet sich mitten auf der Aachenerstraße, eingekesselt zwischen zwei Gebäuden. Kaum öffnen sich jedoch die schwarzen Türen, wird man förmlich in das Nachtleben hineingesogen – man steht fast direkt auf der Tanzfläche. Das Interieur verbindet Altes mit Neuem. Charakteristisch ist ein prachtvoller Vintage-Holzschrank, in dem die Bar untergebracht ist. Hinter einer Glaswand im DJ-Pult sind Radios aus den Sechzigern bis Achtzigern ausgestellt. Grüne, samtene Sofas laden zum Verweilen ein. Die Risse, aus denen der Schaumstoff hervorlugt, tut ihrem Vintage-Charme keinen Abbruch. Im Gegenteil. Wir haben den DJ und Booker des Clubs, David Hasert, getroffen.

„Reineke Fuchs“ ist eine literarische Figur etwa bei Goethe. Reineke ist ein Übeltäter, der sich durch geniale Lügengeschichten aus allen prekären Lagen rettet. Wieso wurde der Club nach ihr benannt?

David Hasert: In der Fabel ist der Fuchs das Tier, das durch seine List und seinen Verstand den anderen Waldtieren immer einen Schritt voraus ist. Sie versuchen ihn zu erwischen, aber weil der Fuchs so clever ist, schaffen sie es nicht. Wir haben unsere Corporate Identity mit der Figur verknüpft. Unser Logo stellt die Tatze eines Fuchses dar. Die Idee dahinter war, dass man den Fuchs eben nicht greifen kann. Um dieses Konzept herum haben wir auch die Gestaltung entwickelt. In unserer Einrichtung finden sich viele Naturtöne. Jedes Jahr gestaltet ein anderer Künstler die Tiere auf unserer Homepage neu. Diese Liebe zum Detail zahlt sich irgendwann aus.

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Nach sieben Jahren Reineke: Was waren Höhen und Tiefen?

Oft ist es so, dass ein Club bei der Eröffnung einen Hype auslöst. Wenn dieser vorbei ist, flaut es ab. Anfangs denkt man, dass es ganz einfach sei, einen Club zu eröffnen. Beispiel Einrichtung: Wenn man eine neue Wohnung bezieht, streicht man zuerst. Hier haben wir auch zuerst renoviert. Dann kamen die Ersten und fanden, dass es etwas steril ist. Den Charakter eines Clubs macht gerade dieses Abgerockte aus. Daher hinterfragen wir uns immer wieder, auch wenn es gut läuft. Unser Erfolgsrezept ist es, authentisch zu sein. Bei unseren Möbeln haben wir darauf geachtet, dass sie nicht nachgebaut sind. Wir möchten keinen Retro-Style haben: Der Schrank hinter der Theke zum Beispiel ist ein Original. So überlebt man auch schlechte Phasen wie das Sommerloch. Insgesamt würde ich sagen, dass es nach sieben Jahren immer aufwärts geht, nicht zuletzt wegen der Aachener Straße, die immer belebter ist.

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Die Aachenerstraße ist regelrecht ein Hotspot des Kölner Nachtlebens geworden.

In den letzten Jahren hat es sich multipliziert. Man sieht es am Brüsseler Platz: Früher waren am Wochenende bei schönem Wetter viele da, aber jetzt reicht ein Sonnenstrahl an einem Dienstag und der Platz ist voll. Das merken wir extrem. Wir sind die erste Anlaufstelle für die Leute, die nicht so Lust auf „Schicki-Micki“ haben. Wir sind nicht so kommerziell. Das belgische Viertel ist gemütlich, die Wege sind kurz. Wenn um Mitternacht Schluss auf dem Platz ist, sind wir praktisch gelegen.

Das Reineke Fuchs sieht sich also als integraler Bestandteil des Belgischen Viertels...

Ich kann mich gut mit dem Belgischen Viertel identifizieren. Leute, die mehr Geld haben, lassen es nicht raushängen. Es gibt mehr Kinderwagen als Porsche. Klar, es ist hip, ich nenne es immer den Prenzlauer Berg von Köln. Doch die Menschen sind nett – es gibt gefühlt weniger Schlägereien als in anderen Gegenden.

Die Anwohner am Brüsseler Platz beschweren sich seit Jahren heftig über den Lärm. Gibt es auch Beschwerden über das Reineke Fuchs, das eingekesselt zwischen Gebäuden liegt?

Es gibt immer Anwohner, die das nicht gut finden. Doch wir stehen im ständigen Austausch mit dem Ordnungsamt. Wir machen uns Gedanken, wenn sich jemand beschwert und versuchen, unseren Schallschutz stets zu verbessern. Aber Fakt ist, dass der Club nun mal lauter ist als es eine andere Einrichtung wäre. Solange man freundlich bleibt, kann man über alles reden.

Zur Person und zum Club

David Hasert kommt gebürtig aus dem Sauerland. Der 35-Jährige ist DJ, Produzent und im „Reineke Fuchs“ als Booker das Gesicht des Clubs. Er war von Anfang an mit dabei und maßgeblich für die inhaltliche Ausrichtung des Clubs zuständig. Anfangs legte er selbst noch wöchentlich auf, jetzt nur noch einmal im Monat. Neben den House-, Techno- und Hip-Hop-Partys mit etwa zwölf hauseigenen DJs treten auch regelmäßig internationale DJs auf. David Hasert ist „Vollblutmusiker“. Er wird mit seiner elektronischen Musik für Clubs und Festivals in Deutschland, Amerika, Kanada und Australien gebucht.

„Love Generation“ ist eine regelmäßig stattfindende fremdveranstaltete Party mit dem Besten aus 1990ern und 2000ern.

Am 28. September feiert der Club sein siebenjähriges Bestehen. Am nächsten Tag wird das Jubiläum mit einer Hip-Hop-Party begangen. (gam)

Das musikalische Repertoire besteht zur einen Hälfte aus elektronischer Musik und zur anderen aus Hip-Hop. Damit werden unterschiedliche Szenen angesprochen. Wie verträgt sich das?

Das ist Fluch und Segen zugleich. Es gibt zwar Schnittmengen, aber wir sprechen unterschiedliche Zielgruppen an. Die einen mögen nur Hip-Hop, die anderen nur Elektro und hassen jeweils das andere. Das war schon immer der Spagat, in dem wir uns bewegen. Man kann als Club nicht vier Tage hintereinander dieselbe Richtung spielen. Mittwochs und freitags gibt es Hip-Hop und donnerstags und samstags Elektro. Wir Mitarbeiter stehen jedenfalls alle dahinter. Als Anlaufpunkt im Veedel haben wir auch schon zur musikalischen Sozialisation von Leuten beigetragen: Es gibt welche, die nur Charts kennen und ein Jahr später von Musik sprechen, die sie vor einem Jahr nicht kannten. Wir können also unterhalten ohne auf die abgedroschenen Hits zurückzugreifen. Es gibt Clubs, in denen seit zehn Jahren die gleiche Musik läuft.

Mit welchem Club fühlen Sie sich auf einer Wellenlänge bzw. mit welchem konkurrieren Sie?

Für die Subkultur, die wir ansprechen, gibt es nur eine Handvoll Läden. Das ist ein netter Wettbewerb und ich schaue mir gern an, was die anderen Clubs machen. Ich mag das Odonien und das Gewölbe mit seinem ansprechenden, wenn auch speziellen Booking sowie das Artheater. Und dann wird es schon eng. In Berlin hat man in einem Viertel mehr Clubs als hier in der ganzen Stadt. In der Vergangenheit mussten leider legendäre Clubs wie der „Schrebergarten“ schließen (Club aus gestapelten Überseecontainern, der 2013 aufgrund fehlender Genehmigung schließen musste, Anm. d. Red.). Das war ein alternativer Ort. Oder die Papierfabrik und das Sensor. In Ehrenfeld merkt man die Gentrifizierung sehr stark. Dieses Wort ist wie ein Schlachtruf – doch es stimmt. Das Jack Who hat kürzlich eine Schlacht gewonnen und damit ein gutes Zeichen gesetzt. Im Belgischen haben wir es bisher noch gut, obwohl es zurzeit einen Gastrostopp gibt.

Dienstags findet im Reineke Fuchs eine Zweistunden-Party statt. Was macht den Reiz aus?

Wir bieten diese Party erst seit zwei Monaten an, sie wird von einem Veranstalter durchgeführt, der Neunziger-Musik spielt – damit passt sie eigentlich nicht so ins übrige Konzept. Diese After-Work-Party ist sehr beliebt. Die Leute haben am nächsten Tag, wenn sie wieder arbeiten gehen, keinen Kater. Das Konzept kommt aus England. Das ist der Gegenentwurf zu unserem Donnerstag, den wir etabliert haben.

Für Studenten beispielsweise ist der Donnerstag das kleine Wochenende und eignet sich daher bestens zum Feiern...

Als wir angefangen haben, gab es ihn nicht. Das hat eingeschlagen wie eine Bombe. Es kommen 500 oder 600 Leute und es geht bis morgens um Sieben. Das heißt allerdings auch, dass wir jeden Donnerstag abliefern müssen. Die Leute müssen wissen, dass es jede Woche gut wird. Da spielen unsere hauseignen DJs. Dadurch haben wir auch weniger Kosten, so können wir dann den Eintritt niedrig halten, denn unter der Woche ist die Bereitschaft nicht sehr groß, zehn Euro auszugeben.

Welche Gäste kommen zu Ihnen?

Vom stereotypen Belgischen-Szene-Typ und Studenten bis hin zur älteren Generation, gerade bei den Techno-Partys. In letzter Zeit kommen auch mehr Touristen. Jeder ist prinzipiell willkommen. Wir haben keinen Dresscode. Unsere Tür ist zwar streng, aber die Türsteher schauen nicht danach, ob man einen Marken-Anzug trägt, sondern ob der Typ gewaltbereit ist und womöglich Frauen belästigen könnte. Oder einfach schon zu betrunken ist. Ohne Selektion an der Tür hätte man irgendwann Taschendiebe im Laden.

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