Reker über OB-Wahl 2020 in Köln„Ich denke noch nicht über eine zweite Amtszeit nach“

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Reker Interview Mai

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker beim Interview

Frau Reker, Sie sind angetreten, um einen neuen Politikstil zu etablieren, sachbezogen statt von Parteiinteressen geprägt. Wie weit sind Sie gekommen?

Unter neuem Politikstil habe ich verstanden, dass es auf die Qualifikation ankommt, auf die beste Idee. Das hat sich noch nicht überall ganz umgesetzt. Manchmal tut es weh, wenn man merkt, es kommt ein Rückfall in vergangene Zeiten.

Ein neuer Stil der Politik lässt sich doch nicht einfach so ausrufen. Bloß weil sie sich dafür einsetzen, müssen Ihnen die anderen ja nicht folgen. Was können Sie denn konkret tun, um einen anderen Umgang zu erreichen? Im Stadtrat läuft es derzeit nicht besonders konstruktiv.

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Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass Politikverdrossenheit eintritt, weil Dinge nicht umgesetzt werden und in der Politik nicht weitergehen. Viele Vorgänge liegen ja nicht deswegen auf Eis, weil wir die Vorlagen nicht gemacht haben; sondern weil keine Mehrheiten zu finden sind. Daran müssen wir arbeiten, das geht nur nicht von heute auf morgen.

Was tun Sie, um nicht ständig ausgebremst zu werden?

Ich bin stärker als zu Beginn meiner Amtszeit bereit, auch meine eigenen Ideen zu vertreten und nach vorne zu bringen – ohne zu wissen, ob ich dafür eine Mehrheit habe. Ein Beispiel dafür ist die Diskussion über die Zusammenarbeit der Kliniken der Stadt mit der Uniklinik. Nun habe ich allerdings auch schwierige Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat. Es gab früher immer eine Koalition, die Entscheidungen waren abgestimmt. Heute läuft es nicht so einfach.

Wie wird Köln überregional wahrgenommen?

Ich habe in den zurückliegenden Monaten das Gefühl gehabt, dass von dem Mitleid, mit dem ich früher als Oberbürgermeisterin Kölns empfangen wurde, einiges gewichen ist. Wir haben gezeigt, dass wir vieles können. Und da will ich ja hin: dass Köln auch überregional zu dem zurückfindet, was es ist. Ich bin der Auffassung, Köln ist eine Weltstadt, wenn auch eine kleine. Und die Menschen kommen ja auch gerne hierhin. Wir haben unglaublich viel zu bieten: mit dem Wirtschaftsstandort, mit der Universitäts-Landschaft, mit der Medienbranche, mit der Kultur, den Sportereignissen...

...Wohnungen hat Köln nicht zu bieten.

Die gibt es woanders auch nicht. Das nützt jetzt zwar wenig, ich weiß. Trotzdem wollen die Menschen hierhin ziehen, die wollen eben nicht dorthin, wo es jede Menge günstigen Wohnraum gibt. Dennoch ist ja völlig klar, dass Wohnen ein Riesenthema ist. 

Wie kann man erschwinglichen Wohnraum schaffen? Müssen wir mehr ins Umland blicken? Infrastruktur endet ja nicht an der Stadtgrenze.

Ich glaube, wir werden vieles zugleich machen müssen. Wir werden nachverdichten, wir werden unsere Baugebiete am Deutzer Hafen, am Mülheimer Hafen und die Parkstadt Süd verwirklichen. Und wir müssen endlich den neuen Stadtteil nördlich von Chorweiler planen, den Stadtteil Kreuzfeld. Dabei dürfen sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Wir brauchen dort sofort eine Anbindung an das Bahn- und Busnetz, damit es gleich losgeht, wenn die Leute dorthin ziehen.

Eines Ihrer Hauptthemen ist die Verwaltungsreform. Nach außen hin ist da nichts erkennbar. Wenn jemand ins Bürgeramt Lindenthal geht, bemerkt er von der Reform erst einmal gar nichts.

Wenn Sie die Wartezeit stoppen würden, dann würden Sie etwas merken. Sie müssten zehn Minuten weniger warten als früher.

Sollte uns das jetzt beeindrucken? 

Das ist noch zu wenig Fortschritt. Wir schaffen so eine Reform nicht von null auf hundert.

Was soll sich sonst noch für die Bürger verbessern?

Dass Baugenehmigungen schneller erteilt werden, zum Beispiel. Wir werden 2019 die elektronische Bauakte einführen, die von mehreren Dienststellen gleichzeitig bearbeitet werden kann. Das wird die Genehmigungsfrist um mehrere Monate verkürzen.

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Bochum hat die elektronische Bauakte 2004 eingeführt. 13 Jahre später kommt jetzt also auch Köln. Das ist doch eher erschreckend für eine Stadt mit dem Anspruch, Metropole zu sein.

Komischerweise wollen die Menschen trotzdem hier wohnen und arbeiten. Aber ich kann verstehen, was Sie meinen. Wir sind an vielen Ecken total zurück. Nehmen Sie das Thema Krankenhausplanung. So etwas gibt es hier nicht. Wie können wir die Angebote der Krankenhäuser so abstimmen, dass Sie einander ergänzen und nicht alle die gleichen Leistungen anbieten? Das hat auch was mit der Größe Kölns zu tun, dass so etwas nicht koordiniert ist.

Nur eine Frage der Größe?

Es liegt auch daran, dass hier viel zu viele Menschen bei allem mitreden wollen, mitentscheiden. Das hält uns immer wieder auf. Deswegen bin ich dafür, die Bürger und die Stadtbezirke so frühzeitig zu beteiligen, dass die Verfahren berechenbar ablaufen.

Was sind die wesentlichen Themen für die zweite Hälfte ihrer Amtszeit?

Die wichtigen strategischen Themen sind Wirtschaftsförderung, Kultur- und Sportentwicklungsplan aufstellen, Wohnen, Kinderbetreuung, eine bessere Situation an den Ganztagsschulen. Der Klinikverbund ist für mich auch ein Riesenthema. 

Sie sprechen das zwar häufig an, aber so richtig voran geht es nicht. Kämpfen in der Stadtverwaltung zu viele auf eigene Rechnung?

Man könnte das manchmal meinen. Aber das finden Sie in privaten Unternehmen auch.

Köln hat ein spezielles Problem

Hamburg wird am 31. Mai Fahrverbote für Dieselfahrzeuge bis einschließlich Euro 5 erlassen. Ist das ein Modell für Köln?

Es ist nicht auszuschließen, dass es auch in Köln Fahreinschränkungen geben wird. Nicht pauschal, weil wir keine blaue Plakette haben und deshalb die Einhaltung des Verbots nicht überwachen können.

Wann und wo?

Das müssen die Verkehrsdezernentin und der Umweltdezernent entscheiden. Klar ist ja, dass wir nicht einfach den Clevischen Ring sperren können und dann die Luftverpestung auf den Ausweichstrecken haben. 

Warum dauert die Verkehrsplanung so lange? Jetzt wird in Bocklemünd nach 30 Jahren Diskussion die Linie 3 um bescheidene 200 Meter verlängert. Von neuen Strecken ganz zu schweigen.

Das dauert mir auch alles zu lange. Köln hat das spezielle Problem, dass man sich nicht entscheiden konnte. Die Stadtbahnen fahren oberirdisch und unterirdisch, teilweise im Hochflursystem, teilweise im Niederflursystem, und beide sind nicht kompatibel.

Könnte die Historische Mitte mit den Museumsbauten am Roncalliplatz ein Projekt mit Strahlkraft für die zweite Hälfte Ihrer Amtszeit sein?

Wenn alles fertig ist, wird die Historische Mitte Köln eine besondere Strahlkraft geben. Mir wäre wichtig, dass man das Dom-Hotel in einigermaßen fertigem Zustand sehen kann; dass man mit dem Umbau des WDR-Karrees beginnt. Und dass man auf dem Roncalliplatz nicht eine jahrelange Baustellensituation hat; ich wünsche mir hier ein Projekt, das diese negative Baustellensituation aufnimmt und ein Stück weit positiv umkehrt. Es gibt Menschen, Künstler, die so was können.

OB-Wahl 2020 – Das sagt Reker

Wollen Sie zur OB-Wahl im Herbst 2020 noch einmal antreten?

Ich denke noch nicht über eine zweite Amtszeit nach, ob ich das noch einmal anstrebe. Das werde ich 2019 entscheiden, etwa ein Jahr vor der Wahl.

Setzen Sie dann auch wieder auf die Unterstützung von Parteien – oder würden Sie als Oberbürgermeisterin unabhängig davon allein mit Ihrem Amtsbonus antreten?

Ich glaube, dass man das in einer Millionenstadt nur mit der Unterstützung einer oder mehrerer Parteien machen kann.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie sich noch mal zur Wahl stellen?

Das kann ich wirklich noch nicht sagen. Ich muss jetzt sehen, ob das, was ich angestoßen habe, auch Früchte trägt. Klar ist aber auch: Wenn man es nur fünf Jahre macht, ist es nur eine Episode.

Was haben Sie unterschätzt?

Die Erwartungshaltung zu meiner Präsenz auf Veranstaltungen. Mein Protokoll hört das nicht gerne, aber ich arbeite nach der Maßgabe, 75 Prozent Verwaltungsarbeit, 25 Prozent repräsentieren.

Was war der Tiefpunkt für Sie in den ersten zweieinhalb Jahren?

Silvester 2015/16. Und die Erfahrung, als Oberbürgermeisterin aus der Zeitung mehr zu erfahren als vom Polizeipräsidenten.

Was war Ihr schönstes Erlebnis?

Ach, da gab es viele. Ich freue mich, wenn der Wachdienst den Kaffee kocht, weil das Consilium hier gleich neben dem Rathaus samstags morgens geschlossen ist. Oder als ich zum Stadtgespräch in der Kletterhalle in Kalk war bei fünf Grad Celsius und Frauen, die ich gar nicht kenne, mir ihre Schals gaben. Oder wenn so etwas passiert wie zuletzt im Bus auf der Linie 136. Da funktionierte der Fahrscheinautomat nicht, und die Leute scherzten: Das finde ich gut, dass Ihnen das auch mal passiert, dann sehen Sie das mal…

…kam ein Kontrolleur?

Nein. Aber ein Mann bot mir seinen Platz an und sagte: Wenn der Kontrolleur kommt, dann beschwöre ich, dass Sie versucht haben, ein Ticket zu ziehen.

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