Abo

Rekord-Pegel in Köln offiziell geknacktJede Menge Fahrradleichen im Rhein gefunden

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Das Niedrigwasser fördert viele Fahrräder zutage. 

Köln – Die Feuerwehrleute mussten am Donnerstag im Rheinwasser an der Hohenzollernbrücke nicht lange suchen, bis sie das erste Müllrad im seichten Uferwasser fanden. So hing nach wenigen Minuten ein mit viel Rost überzogenes Rad am Haken eines kleinen Krans, den Helfer vom Kölner Yachtclub mitgebracht hatten. Einen Moment später war der Müll auf die Promenade gehievt und sogleich von den Mitarbeitern der Abfallwirtschaftsbetriebe in einen Müllwagen verladen worden.

Der niedrige Wasserstand des Rheins machte die Umweltaktion möglich und nötig: Schon am Wochenende hatten sich zahlreiche Passanten über den weithin sichtbaren Abfall im Wasser beschwert. An den Uferbereichen hatten Müllsünder nicht nur Räder, sondern auch Einkaufswagen, Poller, Eisenrohre und sogar Verkehrsschilder in den Fluss geworfen. „Das ist eine Katastrophe“, sagte Leser Stephan Blißenbach, der sich an den „Kölner Stadt-Anzeiger“ wandte, über den Müll im Rhein rund um die Hohenzollernbrücke.

An der städtischen Reinigungs-Aktion waren sechs Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr, die Abfallwirtschaftsbetriebe und der Yachtclub beteiligt. Sie holten in nur zwei Stunden 2,5 Tonnen Müll aus dem Fluss, darunter 25 Fahrräder, sieben Einkaufswagen, drei Verkehrsschilder, zwei große Eisenregale, drei Ventilatoren, einige große Eisenstangen und andere Kleinteile. Lob gab es von Passanten: „Die Aktion ist gut, besser wäre es, wenn gar kein Müll im Fluss landen würde“, so Rainer Fink (65). „Ganz toll, dass etwas gemacht wird“, sagt Jutta Zerna (68). Laut Konrad Peschen, Leiter des Umweltamts, soll es bei dieser einen Aktion nicht bleiben.

Alles zum Thema Hohenzollernbrücke

In der kommenden Woche will die Kommune mit einer weiteren Gruppe das Ufer von Müll befreien. Zudem soll ein Runder Tisch aus Vertretern der Stadt und des Bundesamts für Wasserstraßen und Schifffahrt gebildet werden, bei denen die Kompetenzen zur Müllentsorgung zwischen Bund und Kommunen geklärt werden könnten.

Blindgänger aus dem Weltkrieg gefunden

Das extreme Niedrigwasser im Rhein hat in Poll nahe der Rodenkirchener Brücke eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg freigelegt. Weil das Zündsystem der Bombe beschädigt war, konnte sie laut Kampfmittelbeseitigungsdienst nicht entschärft werden. Der Blindgänger wurde daher am Donnerstag gegen 13.15 Uhr kontrolliert gesprengt. Während der Sprengung musste der Schiffsverkehr eingestellt werden. Zusätzlich wurde der Luftraum 300 Meter rund um den Fundort bis zu einer Höhe von 1000 Metern gesperrt. Die über die Rodenkirchener Brücke führende A4 sowie das linksrheinische Ufer waren nicht von Einschränkungen betroffen. Die Polizei hatte den Blindgänger am Mittwochabend am Ufer auf Höhe des Rheinkilometers 684 gefunden.

Denn beim Rhein handelt es sich um eine Bundeswasserstraße, für die sich die Kommune eigentlich nicht zuständig sieht. Das Bund jedoch kümmert sich in erster Linie um die Fahrrinne im Fluss. Peschen hat sich zum Ziel gesetzt, dass am Ende der Gespräche eine Art Bürgertelefon herauskommen soll, das idealerweise im Umweltamt angesiedelt wäre. Die Kölner Bürger hätten dann immer einen Ansprechpartner, wenn sie im Fluss Müll sichten. Und die Gewähr, dass es irgendjemand auch herausholt. Das war in der Vergangenheit oft nicht so. „Trotz aller Debatten, wer zuständig ist, muss die Stadt nun handeln“, sagt Peschen.

Der niedrige Wasserstand im Rhein nimmt derzeit historisches Ausmaß an. Am Donnerstag gegen 22 Uhr erreichte der Kölner Pegel einen Niedrig-Rekordwert von 80 Zentimetern. Am Freitag um fünf Uhr morgens lag er laut des Informationssystems des Bundes (Elwis) bei 77 Zentimetern und damit schon vier Zentimeter unter dem Rekordwert von 2003, als 81 Zentimeter erreicht wurden. Tendenz fallend. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt nimmt an, dass spätestens Freitag die Rekordmarke geknackt wird. Der Wert könnte Prognosen zufolge bis zum Wochenende sogar auf 69 Zentimeter sinken. Zum Pegelstand muss in der 150 Meter breiten Fahrrinne etwa ein Meter Wasser zugerechnet werden, so dass dort die Schiffe über etwa 1,80 Meter Wasser verfügen.

Dennoch ist der derzeitige Wasserstand eine enorme Belastung für die Rheinschifffahrt: Denn schon jetzt können die Schiffe höchstens die Hälfte der üblichen Last aufnehmen und müssen doppelt so oft fahren, teilt der Verband der Binnenschiffer mit. Lasten müssten zudem auf die Straßen und die Schiene verlegt werden. Wegen des niedrigen Pegels im Rhein haben Autofahrer an einigen Tankstellen in NRW zeitweise keinen Sprit mehr bekommen. Am Dienstag und Mittwoch sei es zu Lieferengpässen an schätzungsweise einem halben Dutzend Tankstellen gekommen, sagte ein Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbandes laut Angaben der Deutschen Presse-Agentur.

Wann es mit dem Niedrigwasser vorbei sein könnte, steht und fällt mit möglichen Regenfällen am Oberrhein, sagt Ralf Bröcker von den Kölner Stadtentwässerungsbetrieben. Dort sagen Meteorologen Niederschläge ab dem kommenden Dienstag voraus. Fallen dort starke Niederschläge, könnte der Rhein relativ schnell wieder zu einem normalen Pegelstand von drei Metern zurückfinden. Umweltamtschef Peschen hält das Niedrigwasser nichtsdestotrotz für eine Auswirkung des Klimawandels. Der heiße Sommer, der warme Herbst und die geringen Niederschläge seien die Folge eines extremen Wetters und damit des Klimawandels, der nun auch in Köln zu beobachten sei.

KStA abonnieren