Rennen unter Corona-Bedingungen3000 Läufer beim virtuellen Köln-Marathon

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Die Marathon-Botschafter beim Start an der Treppe zwischen Philharmonie-Dach und Altstadt.

Köln – Schon komisch, so ein Marathon-Sonntag in Corona-Zeiten. Kein Mensch am Start in Deutz, kein Mensch im Ziel am Dom. Und trotzdem rennt alles kreuz und quer durch Köln. Mit Startnummern auf der Brust – zehn, 21 oder 42 Kilometer. Mit einer Tracking-App auf dem Smartphone und einer freundlichen Frauenstimme, die jeden Kilometer Mut zuspricht und die Zielzeit ausrechnet.

Gestartet wird überall, in Berlin, in Hamburg, in Lüttich, in Bethlehem, sogar in Kyoto. Der erste und aber auch hoffentlich letzte Köln-Marathon virtuell zieht immerhin knapp 3000 Laufbegeisterte an. Das ist zwar nur ein Bruchteil dessen, was sich sonst durch Kölns Straßen bewegt, aber immerhin.

Echt, nah, sicher, virtuell

Die Hotspots – auch wenn das Wort durch den Virus einen negativen Beigeschmack hat – sind das Rheinufer und der Decksteiner Weiher. Das Motto: Echt, nah, sicher, virtuell auf kölsche Art. „Wir haben versucht, das Beste aus der Situation zu machen“, sagt Jan Broniecki, Sprecher des Köln-Marathon. „Und endlich können wir am Marathontag auch mal selber laufen.“

Einer gibt es sich gleich doppelt, läuft zwei Volldistanzen nacheinander. Jörg Peters (43) war für zwei Rennen gemeldet – im Frühjahr für London, am Sonntag für London. London wurde zunächst auf den 4. Oktober verschoben und dann doch wieder abgesagt. „Mach ich halt beide in Köln.“ Der erste Start um acht Uhr um Appellhofplatz und dann knapp 85 Kilometer. So kann man den Sonntag auch verbringen.

„Stell dir vor, du bist am Rudolfplatz“

Man könnte jetzt 3000 Geschichten erzählen. Geschichten über Menschen, die sich dem Köln-Marathon auch virtuell verbunden fühlen. Nehmen wir eine stellvertretend für alle.

Kurz nach acht in Ebbinghausen an der Soester Börde. Christiane, Startnummer F10125, ist hier aufgewachsen, lebt in Köln und wäre lieber früher losgelaufen, aber die Marathon-App trackt die Läufer nur zwischen acht und 18 Uhr. Zwischen übermannshohen Zuckerrübenhaufen geht es an der alten Fachwerkskapelle durchs Dorf aufs freie Feld Richtung Böckum. Windböen lassen den Mais rascheln, kein Mensch unterwegs. Eigentlich wollte sie den Halbmarathon mit ihrer Schwester laufen, aber die musste in Corona-Quarantäne.

Das Care-Paket mit Startnummer, T-Shirt und allerlei Werbekram war schon vor Wochen gekommen, das T-Shirt wird selbstverständlich getragen. Über die Ohrstöpsel läuft die Radio-Köln-Playlist, auf der Sportreporter Tom Bartels zwischen den Songs mit Sprüchen motiviert. „Lass die Kirche im Dorf“ singen Querbeat in „Heimatkaff“, während Ebbinghausen hinter dem Bahndamm verschwindet. Im Naturschutzgebiet Woeste, wo früher das Moor für Schlammpackungen im nahen Kurort Bad Sassendorf abgestochen wurde, grasen Wasserbüffel, Fischreiher scharen sich um Tümpel. An riesigen Biogasanlagen und durch kleine Wäldchen geht es weiter Richtung Hellweg. Auch in Lohne, wo sich die Ahse an idyllischen Fachwerkhäusern und der trutzigen Pantaleonskirche vorbeischlängelt, ist niemand unterwegs.

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„Stell dir vor, du bist am Rudolfplatz“, motiviert Bartels vom Band bei Kilometer 19, „und die Menschen jubeln dir zu.“ Ein alter Fendt zieht grubbernd seine Bahn. Nach 21 Kilometern und 2:19 Stunden taucht statt des Doms hinter der letzten Kurve der Hangar eines Sportflughafens auf, in den die Fallschirmspringer gerade ihr Flugzeug schieben. Nix geht mehr heute, der Sturm wird stärker. So sieht er aus, der erste Köln-Marathon in Westfalen.

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