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Respektlose BehördenbriefeHinterbliebende berichten von Erfahrungen nach Todesfall

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Rechnung Keller Krankenhaus

Das Schreiben des St.-Antonius-Krankenhaus an den verstorbenen Peter Keller

  • Nach dem Tod von Angehörigen erhalten Hinterbliebene oft Briefe von Behörden, in denen die Anteilnahme fehlt.
  • Wie solch ein Schreiben aussehen kann, haben wir in einem früheren Bericht am Beispiel einer Rechnung des St.-Antonius-Krankenhauses gezeigt.
  • Daraufhin haben sich viele KStA-Leser gemeldet, die uns von ähnlichen Fällen berichtet haben. Eine Auswahl veröffentlichen wir an dieser Stelle.

Am Beispiel einer Rechnung des St.-Antonius-Krankenhauses an den dort verstorbenen Kölner Peter Keller mit dem Betreff: „Entlassart Tod“ hat der „Kölner Stadt-Anzeiger“ jüngst die Frage aufgeworfen, ob sich Respekt und (Krankenhaus-)Bürokratie ausschließen. 

Der Sohn des Verstorbenen, Alexander Keller, hatte sich an die Redaktion gewandt, da das Hospital trotz mehrerer Nachfragen nicht auf seine Kritik reagiert hatte – und er sich als Theologe über den Widerspruch zwischen den ethischen Grundsätzen der Cellitinnen und seinen Erfahrungen ärgerte. „Bis heute hat sich das Krankenhaus nicht gemeldet. Ich finde das sehr bedauerlich“, sagt Keller.

KStA-Leser berichten von ähnlichen Erfahrungen

Bei unserer Zeitung haben sich auf den Artikel hin etliche Menschen gemeldet, um von ihren Erfahrungen zu berichten. Einige der Vorwürfe sind zu schwerwiegend, um sie ohne Prüfung zu veröffentlichen. Wir veröffentlichen eine Auswahl aus Briefen und Gesprächen zum Thema Krankenhaus-Bürokratie und Respekt.

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Hier lesen Sie mehr: Hinterbliebene ärgern sich über respektlose Behördenbriefe

Nord Feldhausen, Köln: „Zutiefst betroffen habe ich ihren Artikel gelesen. Ich bin froh, dass sie sich diesem pietätlosen Verhalten widmen. Ich habe das nach dem Tod meines Gatten vor drei Monaten auch erlebt, vor allen Dingen mit der Uniklinik Köln, bei der ich mich vehement beschwert habe. Die Rechnung über 28.000 Euro war an ihn adressiert und der Entlassungsschein auch. Ich empfinde das als absolute Pietätlosigkeit und Ungehörigkeit. Es gäbe ja in so einem Fall die Möglichkeit, „An die Angehörigen von...“ zu adressieren. Trotz Automatisierung sollte so etwas möglich sein mit etwas Achtsamkeit. 

Die Uniklinik hat sich zwar entschuldigt, es aber damit begründet, dass die Beihilfe – mein Mann war Beamter – Rechnungen an Angehörige nicht akzeptieren würde. Das habe ich mir schriftlich geben lassen. Dieses Schreiben werde ich an das Landesamt für Besoldung mit der Bitte um Stellungnahme senden.“ 

Rena Krebs, Köln: „Ich bekam an die Adresse meines Mannes am Jahresende „gute Wünsche zum Jahreswechsel“ mit Foto der Klinikmannschaft vom St.-Agatha-Krankenhaus zugesandt. Mein Mann war 23 Jahre lang Chef der inneren Abteilung dieses Hauses und ist im Juni 2019 verstorben. Während der letzten Wochen wurde er im eigenen Krankenhaus unglaublich unsensibel behandelt.

Die Neujahrs-Wünsche, an die Adresse eines Toten gerichtet, waren sozusagen der Tropfen, der das Fass der Gedankenlosigkeit zum Überlaufen brachte. Ich schrieb an die Geschäftsleitung, die sich umgehend entschuldigte. Aber diese Entschuldigung kann die vorausgegangenen tiefen Kränkungen nicht reparieren. Die Leitlinien auf den Hochglanzprospekten eines katholischen Krankenhauses wecken leider zuweilen falsche Hoffnungen auf sensiblen Umgang mit Sterbenden und Toten.“

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Rainer John-Solf, Köln: „Als ich den Artikel las, musste ich spontan an meine (inzwischen ebenfalls verstorbene) Mutter denken. Sie bekam nach dem Tod meines Vaters die Abschlussrechnung des Krankenhauses – in einem Umschlag, adressiert an „Frau John, Witwe des verstorbenen Herrn Erich John“.

Ich habe damals ein Protestschreiben an die verantwortliche Ärztin geschickt und gefragt, warum um alles in der Welt sie meiner Mutter den schmerzlichen Verlust in so völlig überflüssiger Weise unter die Nase reiben musste. „Frau John“ hätte als Anrede schließlich völlig ausgereicht. Eine Antwort habe ich nie bekommen.“

Jeanette Keil-Weber, Köln: „Mein Mann ist am 2. Juli 2019 in der Uniklinik verstorben. Bereits am 12. August 2019 hat die Uniklinik den Krankenhausaufenthalt in Rechnung gestellt. Die Rechnung enthielt den Hinweis Entlassdat (!): 02.07.2019 14:20 (Todeszeitpunkt!) und war an meinen Mann gerichtet. Einen sonstigen Zusatz enthielt die Rechnung nicht.

Bis heute erhalte ich von dort an meinen Mann gerichtete Rechnungen! Dabei nimmt die Uniklinik in Kauf, dass durch die Art der Adressierung den Hinterbliebenen immer wieder Schmerz zugefügt wird, obwohl ihr bekannt sein dürfte, dass Tote zum Begleichen von Rechnungen weder imstande, noch rechtlich verpflichtet sind. Dagegen haben Ärzte und Pflegepersonal der Station 16.2 sich äußerst feinfühlig verhalten und meinem Mann ein würdiges Sterben und den Hinterbliebenen ein würdiges Abschiednehmen in angemessenem Rahmen ohne jeden Zeitdruck ermöglicht. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.“

Ingrid Böckem, Siegburg: „Im vergangenen August haben wir beim MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) einen Antrag gestellt, die Pflegestufe für meine Mutter von 3 auf 4 zu erhöhen. Der Antrag wurde im September abgelehnt, wir haben Widerspruch eingelegt und dann lange nichts gehört. Am 8. Januar 2020 ist meine Mutter, deren Gesundheitszustand sich rapide verschlechtert hatte, verstorben.

Am 29. Januar schrieb die Krankenkasse meiner Mutter von der „freudigen Nachricht, dass Ihrem Widerspruch stattgegeben wurde“. Da bin ich aus der Hose gesprungen, als ich das gelesen habe. Die Kasse entschuldigte sich am Telefon mit Verweis auf die Technik, sie könnten bei den Bescheiden nicht immer den Überblick behalten. Ach so.“

Marcus Flesch, Frechen: „Als mein Vater im Sterben lag, habe ich ein Hospiz im Kölner Umland angerufen und nach einem Platz gefragt. Die Antwort: „Sorry, wir haben gerade nichts frei. Aber melden Sie sich gern in einem halben Jahr noch mal.“

Angelika Meyer, Köln: „Mein am 13. Januar 2020 verstorbener Vater erhielt am 20. Januar 2020 eine Rechnung des Marien-Hospitals (Stiftung der Cellitinnen), die an ihn adressiert war. Ich finde es absolut unmöglich und vollkommen pietätlos, den „Entlassgrund Tod“ auf einer Rechnung zu verwenden. Meiner Meinung nach wäre selbst in unserer kalten, geschäftlichen Welt wenigstens als Entlassgrund „Patient verstorben“ angemessen gewesen. Ich habe mich nach Erhalt der Rechnung gefragt, wo eigentlich der Respekt und die Würde für einen verstorbenen Menschen geblieben sind.“

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