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RestimpfdosenWarum die Stadt Köln ihre Mitarbeiter vorzieht

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Impfung Symbol 5

Eine Mitarbeiterin eines Impfteams zieht den Impfstoff von Biontech/Pfizer in eine Spritze auf. (Symbolbild)

  • Bei der Stadtverwaltung arbeiten ungefähr 19.000 Menschen – 8000 haben bereits ein Angebot für eine Corona-Schutzimpfung erhalten.
  • Darunter sind bis zu 400, die in der Impfreihenfolge vorgezogen wurden. Das sorgt in den Reihen der Stadtverwaltung für Unmut.
  • Alex Lechleuthner, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes der Stadt Köln, und Lothar Becker, Leiter des städtischen Rechtsamtes, erklären im Interview, wie es dazu kommen konnte.

Herr Becker, Herr Lechleuthner, die Stadt impft ihre eigenen Mitarbeiter mit Restimpfdosen und zieht sie so in der Impfreihenfolge vor. Nun gibt es nach wie vor viele vorerkrankte und ältere Menschen, die noch nicht geimpft sind. Warum erhalten sie nicht die Restimpfdosen? Alex Lechleuthner: Wir impfen den ganzen Tag. Wenn wir dann um 17 Uhr feststellen, es sind noch fünf Spritzen übrig, dann tickt die Uhr, bis der Impfstoff verfällt. Gehen wir jetzt nach der Priorisierung, wären die Über-70-Jährigen dran. Diese Menschen haben sich datenschutzgerecht über das Buchungssystem angemeldet. An ihre Kontaktdaten kommen wir nicht heran. Bei den Kranken und Schwerkranken ist außerdem oftmals die Flexibilität nicht so hoch.

Wir haben gemerkt, dass neben dem Merkmal Priorisierung das Merkmal Verfügbarkeit eine große Rolle spielt. Sie können nicht 100 Menschen durchtelefonieren und jeder zweite sagt dann, dass er jetzt nicht zum Impfen kommen kann. Deshalb haben wir ein System entwickelt, das funktioniert. Die Priorisierung der Restimpfdosen wurde von der Ethikkommission festgelegt, die hat der Krisenstab schon im Januar gegründet.

Und dieses System sieht vor, die Restimpfdosen nicht unbedingt in der Reihenfolge zu vergeben.

Lechleuthner: Am Anfang haben wir das mit den Krankenhäusern gemacht, die uns einen Ansprechpartner nannten, den wir kontaktieren konnten. Dieser hat dann Mitarbeiter losgeschickt, die die Restimpfdosen bekommen haben. So machen wir das auch im Impfzentrum. Wir telefonieren abends die Listen durch und gehen nach der Priorisierung, aber es können eben nicht immer alle direkt vorbeikommen. Deshalb kann es auch schon mal vorkommen, dass dann jemand mit der Prio vier angerufen und geimpft wird – weil er eben kurzfristig verfügbar war.

Das bedeutet aber doch, dass Mitarbeitende der Stadt geimpft wurden, obwohl sie noch nicht an der Reihe waren.

Lechleuthner: Wir haben bislang rund 17.000 Restimpfdosen verimpft. Davon gibt es sicher einige wenige Personen, die nach der Impfreihenfolge erst etwas später dran gewesen wäre. Das gesamte System hat aber Ungenauigkeiten. Die Corona-Impfverordnung hat ein relativ starres Berufsgruppensystem aufgestellt. Zuerst war es so, dass nur die Über-80-Jährigen an der Reihe waren und nicht das medizinische Personal. Dem 80-Jährigen wäre aber auch nicht geholfen, wenn im Krankenhaus alle mit Corona infiziert wären und kein Personal da wäre, das ihn versorgt. Bei den Restimpfdosen weicht die Impfreihenfolge auf, weil wir nicht in diesen Priorisierungen bleiben konnten. Wir haben das Ziel, keine Überhangdosen wegzuwerfen, und das ist uns bislang gelungen.

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Lothar Becker: Von den 17.000 Restdosen sind mehr als die Hälfte an Personal in sozialen Einrichtungen, weitere circa 5000 im Bereich Polizei und Justiz verimpft worden. Im Bereich der Stadt sind vorrangig Rettungsdienst, Feuerwehr und Ordnungsdienst einbezogen worden. Am Ende reden wir von 300 bis 400 Mitarbeitenden der Stadt, die eine Restimpfdose erhalten haben, weil andere, die vor ihnen an der Reihe gewesen wären, nicht erreichbar waren. In einer idealen Welt wäre es so, dass wir die Reihenfolge genau einhalten würden. In der realen Welt ist es aber so, dass auch mal auf einen Schlag 500 Menschen ins Impfzentrum kommen müssen. Da können wir nicht so fein ziseliert trennen, ob da auch jemand dabei ist, der nur im Innendienst arbeitet. Die Restimpfdosen machen fünf Prozent aus. Wenn wir sagen, dass von diesen fünf Prozent wiederum fünf Prozent durchgerutscht sind, die bei einer ganz genauen Einhaltung der Priorisierung eigentlich nach hinten hätten rutschen müssen, dann kann ich gut damit leben.

Entstehen denn Nachteile für diejenigen, die zuerst an der Reihe gewesen wären?

Lechleuthner: Nein, es wird dadurch niemand eine Impfung weggenommen. Das Vorgehen ist rechtlich einwandfrei. Und moralisch betrachtet ist für uns der Schutz der Allgemeinheit nicht weniger wert als der Schutz des Individuums. Das sollte ein ausgewogenes Verhältnis sein.

Becker: Im Einzelfall mag das moralisch schwierig sein. Aber ich halte es moralisch für vertretbar, wenn diese Einzelfälle die absolute Ausnahme darstellen, aber dafür das Tempo höher ist und wir keine Impfdosen wegwerfen müssen.

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