RitualeDiese Kölner Bräuche gibt es zwischen Weihnachten und Aschermittwoch

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Das alljährliche jecke Treiben beim Karneval mit bunten Kostümierungen, Musik und zahlreichen Umzügen ist wohl der bekannteste Kölner Brauch.

Das alljährliche jecke Treiben beim Karneval mit bunten Kostümierungen, Musik und zahlreichen Umzügen ist wohl der bekannteste Kölner Brauch.

Köln – Ob einst die „Heinzelmännchen“ das Rezept für den „Halven Hahn“ bei einer geselligen Runde Kölsch erfunden haben, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Ob „Tünnes und Schäl“ je vom „Thekenschaaf“ aus dabei beobachtet wurden, wie sie in Kontakt mit dem „Kölschen Klüngel“ getreten sind, wird wie zahlreiche andere typisch kölschen Bräuche und Eigenheiten von mitunter widersprüchlichen Überlieferungen seit Generationen unter den Einheimischen weitererzählt.

Es gibt aber auch Kölsche Bräuche, die  unstrittig seit Jahrzehnten, wenn nicht gar Jahrhunderten bestehen – die immer wieder in der selben Form gelebt werden. Kein Beispiel ist dafür wohl bekannter als der Karneval.

Obwohl es heute oft nicht mehr deutlich ist, besteht bei den weitaus meisten Ritualen und Traditionen ein enger Bezug zum christlichen Jahreskreis. So auch beim Karneval, der sich gemäß des lateinischen Wortursprungs (carnis-Fleisch und levare-wegnehmen), ähnlich wie der Begriff „Fastelovend“ (Abend vor dem Fasten) auf das Osterfest bezieht. So hat das karnevalistische Treiben seit den ersten Belegen aus dem Jahr 1341 immer an wenigen Tagen vor Beginn der Fastenzeit am Aschermittwoch stattgefunden.   

Bräuche können zur Integration beitragen

„Diese Bräuche sind unglaublich wichtig für unsere Leitkultur“, sagt Michael Euler-Schmidt, Vizedirektor des Kölner Stadtmuseums. Viele Feste fallen meist mit kirchlichen Ereignissen zusammen. „Der Kirchenkalender trägt in Köln maßgeblich dazu bei, dass wir zu verschiedenen Anlässen feiern. Sie haben schon früher unser Jahr gegliedert.“ 

Euler-Schmidt tritt vehement für den Erhalt und die Wiederbelebung von Kölns Bräuchen ein: „Das Thema ist aktueller denn je. Bräuche können zur Integration beitragen und helfen, unsere Stadt und die Menschen besser zu verstehen“, erläutert der Historiker. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ liefert eine Übersicht Kölner Bräuche  zwischen der Adventszeit und dem Osterfest.

Bohnenkönig

Noch bis in die 1930er Jahre war dieser Brauch in Köln bekannt – und wurde mit dem Bohnenkönigsball zu Karneval zelebriert: Am Vorabend des 6. Januar, dem Dreikönigstag, saß man in geselliger Runde beisammen. Dann wurde meist ein Kuchen kredenzt, bei dem in einem Stück eine Bohne versteckt war. Wer die Bohne ergatterte, war der neue Bohnenkönig. Das war nicht immer billig: Der Bohnenkönig musste dann ein Fest ausrichten, sich einen Hofstaat zulegen und die Party schmeißen.

Glocken-Beiern

Wird an Weihnachten nicht läuten: Der „Dicke Pitter“, die größte Glocke im Kölner Dom.

Wird an Weihnachten nicht läuten: Der „Dicke Pitter“, die größte Glocke im Kölner Dom.

Diese alte Tradition wurde im gesamten Rheinland an den Abenden vor Festtagen zelebriert: Beim „Glocken-Beiern“ wurde nur der Klöppel der Kirchenglocken gegen die Glocke geschlagen, die Glocken blieben dabei hängen und schwangen nicht mit. Die Gemeinde versuchte so, Melodien zu spielen. Das Beiern soll aus dem Alt-Französischen kommen und so viel heißen wie „anschlagen“.  Bei der Ausübung dieses Brauchs soll zahlreichen Überlieferungen zufolge stets reichlich Alkohol geflossen sein.

Geldbeutel waschen

Wenn am Aschermittwoch – vor dem sechsten Sonntag vor Ostern – die Fastenzeit beginnt, dann ist auch die Karnevals-Saison beendet. Viele Kölner haben das vor allem im 19. Jahrhundert zum Anlass genommen, ihre Geldbeutel im Rhein auszuwaschen. Dieser Brauch stellt ein Zeichen dafür dar, dass der Karneval den letzten Euro gekostet hat – und wird von älteren Kölner noch heute gepflegt. Der erste Beleg für das „Geldbeutelwaschen“ ist auf das Jahr 1863 datiert worden.

Eier-Kippen

Hühnereier sind Teil zahlreicher Oster-Bräuche.

Hühnereier sind Teil zahlreicher Oster-Bräuche.

Viele Bräuche hängen mit dem Osterfest zusammen – das „Poscheier Färben“, abgeleitet vom jüdischen Passah-Fest, ist wohl der bekannteste. Seit etwa 1810 ist auch das „Eier-Kippen“ Teil des privaten Festes. Kinder und Jugendliche schlagen gekochte Eier zusammen: Wessen Ei dabei zerbricht, der muss es abgeben.

Frautragen

Statue der Kirche St. Marien in Fühlingen.

Statue der Kirche St. Marien in Fühlingen.

Das „Frautragen“ ist ein  Ritual, das bei den Familien eines Veedels oder im Dorf für gesteigerte Fruchtbarkeit und mehr Zusammenhalt sorgen sollte: Dafür gab es zwar keinen festen Termin, aber vor allem in der  Adventszeit wurde dabei eine Marien-Statue der Gemeinde von Haus zu Haus getragen. Dort betete man dann am Haus-Altar. Gleichzeitig förderte das „Frautragen“ auch das Gemeinschaftsgefühl im Dorf – man begleitete gemeinschaftlich  die Heilige  Maria auf dem Weg nach Jerusalem und hielt zusammen. Die Marien-Statuen wurden dem Brauch zufolge dann meistens  an Heiligabend wieder zurück in die Kirche getragen.

In den April schicken

Der Ursprung dafür, andere Menschen „in den April zu schicken“, ist zwar unbekannt,  es wird aber bis heute gepflegt. Eine Erklärung ist, dass der Brauch sich 1564 von Frankreich aus in Europa verbreitet hat, nachdem König Karl IX. eine Kalenderreform veranlasste, wonach der Neujahrstag vom 1. April auf den 1. Januar verlegt wurde. Humorvolle Menschen soll daraufhin weiter Einladungen zum alten Termin verschickt haben – wer anreiste, obwohl kein Fest stattfand, erntete Spott und musste die Kosten tragen. Der Begriff „Aprilscherz“ bürgerte sich erst im späten 19. Jahrhundert ein.

Mariä Lichtmess

In der Katholiken-Metropole Köln ist  „Mariä Lichtmess“,  der Tag der Kerzenweihe, bis heute verbreitet. Zwar endet die Weihnachtszeit liturgisch mit dem Erscheinen des Herren – „Dreikönige“ am 6. Januar. Der Brauch  „Mariä Lichtmess“ aber reicht bis vor die Liturgiereform zurück, wonach der Weihnachtsbaum bis zum 2. Februar stehen bleibt. Das Licht steht dabei  als Symbol für Christus, die am 2. Februar geweihten Kerzen werden zu Hause bei Krankheitsfällen oder Unwettern als Schutz entzündet. In vielen katholischen Kirchen stehen auch die Krippen bis zum 2. Februar.

Nubbelverbrennung

Als Stellvertreter  für die Maßlosigkeit und die während  der Session  begangenen Sünden der Karnevalisten, ist es bis heute das Los der Strohpuppe „Nubbel“, in der Nacht vor Aschermittwoch tausendfach vor Kneipen und Sälen Kölns in Flammen aufzugehen. Es ist unbekannt, seit wann dieser Brauch besteht.

Nach Emmaus gehen

Ebenfalls an Ostern war lange das  „Nach Emmaus gehen“ verbreitet: Demnach ging man vor der Mauer seiner Stadt spazieren, um damit an die biblische Geschichte zu erinnern, in der zwei Jünger Jesu auf dem Weg nach Emmaus dem wieder auferstandenen Sohn Gottes begegnet sein sollen.

22 gelebte Rituale in Köln

Zahlreiche Bräuche sind zwar bereits vergessen, doch es gibt 22 Rituale, die in Köln aktiv begangen werden. Der Verein „Freunde und Förderer  des kölschen Brauchtums“ hat kürzlich das Buch „Bräuche in Köln gelebt“ herausgegeben. Es ist erschienen im Marzellen-Verlag und kostet 9,99 Euro. Autor Michael Euler-Schmidt empfiehlt die Lektüre vor allem Zugewanderten.

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