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Rizin-Anschlag in Köln geplantAngeklagte testeten Giftcreme erfolglos an Zwerghamster

Lesezeit 4 Minuten
Krasniqi Rizinprozess

Der Angeklagte Sief Allah H. neben Justizbeamten beim Prozessauftakt in Düsseldorf.

Köln – Mit einem Aktenordner vor dem Gesicht betritt er am Freitag den Gerichtssaal für Staatsschutzverfahren des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Sief Allah H., 30, verdeckt sein Antlitz vor den Kameras, als er auf der Anklagebank hinter der Glastrennscheibe zwischen  zwei Justizwachtmeistern Platz nimmt. Offenbar weiß der mutmaßliche Rizin-Bombenbauer aus Chorweiler nicht, dass sein Gesicht ohnehin in den Medien nicht gezeigt  werden darf.

Ganz anders  tritt seine 13 Jahre ältere Frau Yasmin auf. Die deutsche Konvertitin bahnt sich in Begleitung ihrer Anwältin zielstrebig einen Weg durch den Journalistenpulk. Im Gegensatz zu ihrem Mann darf sie im offenen Bereich vor dem Senat neben ihrer Verteidigerin Platz nehmen. Bei ihr gehen die Behörden von einem geringeren Sicherheitsrisiko aus.

Angeklagte wirkt wie eine moderne, westlich orientierte Frau

Das blonde Haar hinten zu einem Zopf gebunden, adrett im roten Blouson und schwarzer Hose gekleidet, entspricht die Angeklagte so gar nicht dem Klischee einer militanten Islamistin. Kein Kopftuch oder Schleier, kein schwarzes Überkleid, das bei radikal-islamischen Salafistinnen die weiblichen Formen verhüllen soll.

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Yasmin H. wirkt wie eine moderne, westlich orientierte Frau. Und doch wird beim Verlesen der Anklage durch die Vertreterin der Bundesanwaltschaft klar, dass die Kölnerin mit ihrem Ehemann einen Anschlag mittels einer Bio-Splitterbombe geplant haben soll, um so viele „Ungläubige“ wie möglich zu töten. Aus Chats geht demnach hervor, dass die Eheleute im Namen der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) in „einem Restaurant, einem Busbahnhof oder einem Einkaufszentrum“ ein blutiges Attentat verüben wollten.  Konkrete Anschlagsziele standen laut Anklägerin allerdings noch nicht fest.

Yasmin H. als Geldgeberin

Nach zwei gescheiterten Ausreisen des Mannes im Spätsommer 2017 soll sich das Paar auf Vorschlag zweier IS-Kontaktleute daran gemacht haben, in Chorweiler einen Sprengsatz mit metallenen Kugeln und dem hochtoxischen Biokampfstoff Rizin herzustellen. Leitfaden, Anleitungen und Ratschläge fanden sich in speziellen Telegram-Zirkeln von IS-Anhängern.

 Geldgeberin für die explosive Gift-Attacke soll Yasmin H. gewesen sein. Die gelernte Arzthelferin zahlte laut Anklage die Rechnungen für die Utensilien zum Bombenbau. Über Onlinehändler bestellte sie 3300 Rizinussamen, orderte 350 Silvesterknaller und finanzierte zwei Reisen ihres Mannes, damit der in Polen weitere hochexplosive Böller beschaffte. Daraus soll Sief Allah H. im Frühjahr 2018 gut ein Kilogramm Explosivstoff isoliert haben.

Reger Kontakt mit IS-Hintermännern

Der tunesische Extremist, ein schmaler mittelgroßer Mann mit einer Glatze und einem kurzen Bart, stand via Telegram-Messenger in regem Kontakt mit seinen Hintermännern des IS.  Man werde ihn ständig begleiten, versprachen seine Instrukteure, die nur unter ihren Kampfnamen bekannt sind.

Immer wieder erkundigte sich H. bei seinen Lehrmeistern, wie und ob man welche Materialien benutzen sollte. Ob der Einsatz von Stahlkugeln denn die gewünschte Wirkung erzielen würde? Ja, keine Sorge, lautete die Antwort. Und als er für seinen Sprengstoff die Grundsubstanz Ammoniumnitrat benötigte, gaben ihm seine Instruktoren den Rat, entweder „Düngemittel oder Kältekompressen zu beschaffen“.

Test an Zwerghamster aus der Tierhandlung

Seine Frau Yasmin bestellte neun der Kompressen online. Dann aber stellte sich heraus, dass diese Kompressen in Europa inzwischen ohne Ammoniumnitrat produziert werden. Anklägerin Verena Bauer zufolge muss das Paar mit etlichen Typen von Zündermechanismen, Streu- und Splittersprengsätzen experimentiert haben.

Auch bei der Fertigung des Biokampfstoffs Rizin verfolgte man zwei Varianten. So stellte der Angeklagte mit Hilfe seiner Ratgeber eine Art Pulver und eine Giftcreme her, die  – mittels Sprengkörper in einem geschlossenen Raum gezündet –  schnell über die Haut in den Körper eindringen sollte. Um die tödliche Wirkung zu erproben, erwarb das Paar einen Zwerghamster in einer Tierhandlung. Die Creme strich man dem Nager auf das Fell, ohne eine Wirkung zu erzielen, der Hamster überlebte. Das Experiment scheiterte in Augen der Angeklagten offenbar nur deshalb, weil sie vorher nicht sein Fell abrasiert hatten.

Der Freitagvormittag neigt sich dem Ende zu, als der Vorsitzende Richter Jan van Lessen sich bei Yasmin H. und ihrem Mann erkundigt, ob sie Angaben machen wollen. Die Frau verweigert über ihre Anwältin die Aussage. „Nein“, ergänzt auch Sief Allah H. Es wird wohl eines seiner letzten Worte für die kommenden Prozesstage sein. Sein Verteidiger Serkan Alkan beantragt dann, den Senatsvorsitzenden van Lessen wegen Befangenheit abzulehnen. 70 Seiten Begründung hat er beigelegt. Über den Antrag soll allerdings später befunden werden.  Weitere 16 Prozesstage sind in dem Fall anberaumt.

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