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Rizin-ProzessSief Allah H. soll aus der Ferne von IS-Kämpfern „gecoacht“ worden sein

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Hauptverhandlung im Strafverfahren gegen den tunesischen Staatsangehörigen Sief Allah H. (Archivbild)

Hauptverhandlung im Strafverfahren gegen den tunesischen Staatsangehörigen Sief Allah H. (Archivbild)

Düsseldorf – Das Bombenattentat, das Sief Allah H. zusammen mit seiner Frau Yasmin H. von Herbst 2017 an in Chorweiler vorbereitet haben soll, entspricht einer von vier Anschlagsformen, die typisch für die Terrororganisation Islamistischer Staat (IS) sind. Das lässt sich aus dem Gutachten folgern, das der Islamwissenschaftler Guido Sternberg für den so genannten Rizinbomber-Prozess erstellt hat; am Dienstag hat er vor dem 6. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts eine Zusammenfassung vorgetragen. Steinberg hat unter anderem als Referent für das Bundeskanzleramt gearbeitet und gilt als Experte für islamistischen Terrorismus.

Die fragliche Form in seiner Typologie nannte er „angeleitetes Attentat“: Die Täter würden anders als Terroristen, die in Syrien oder dem Irak ausgebildet wurden, über das Internet in Kontakt mit dem IS-Kämpfern treten und von diesen aus der Ferne „gecoacht“, sowohl was das Ziel des Attentats in Europa als auch die praktische Durchführung angehe. Mehrfach habe die Terrormiliz diese Taktik in Deutschland angewandt – vom Messerangriff, den im Februar 2016 in Hannover eine Schülerin auf einen Polizisten verübte, über den Sprengstoffanschlag eines Syrers im Juli desselben Jahres in Ansbach, bei dem 15 Menschen verletzt wurden, bis zum Blutbad, das der Tunesier Anis Amri im Dezember 2016 auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin anrichtete.

Einreise nach Syrien versucht

Sief Allah H., der auch aus Tunesien stammt, und seine deutsche Ehefrau, die zum Islam konvertiert ist, sollen sich für den Bau der Bombe und die Herstellung des hochgiftigen Rizins ebenfalls haben anleiten lassen. Dafür sprechen auf einem Smartphone sichergestelltes Informationsmaterial aus dschihadistischen Quellen sowie Mitteilungen, die in Chats über den Messenger-Dienst „Telegram“ ausgetauscht wurden. Zudem ist im Prozess zur Sprache gekommen, dass Sief Allah H. anscheinend versucht hat, über die Türkei nach Syrien zu einzureisen, um sich dem Dschihad des IS anzuschließen – vergeblich.

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Ausführlich sprach Steinberg über die Geschichte der Terrormiliz, ihre Organisation, Strategie, Finanzierung und Öffentlichkeitsarbeit, die sich mit Hilfe bei der Anschlagsplanung verbinde. Anleitungen, die auf jenem Smartphone gefunden wurden, stammen offenbar von einem „Medienzentrum“ im Gazastreifen, das, so Steinberg, „ideologisch voll auf IS-Linie ist“. Nach einer Phase des Niedergangs erlebe die Terrormiliz eine Renaissance: „Der IS kommt langsam wieder auf die Beine, aber als Untergrundorganisation“. Nach wie vor sei das Ziel, vom Mittleren Osten aus ein Kalifat global auszudehnen, also die Weltherrschaft.

Der Prozess wird am 28. Oktober fortgesetzt. Nach bisheriger Planung des Senats kann die Beweisaufnahme am 5. November abgeschlossen werden.

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