Die Reifenkönigin von KölnBisi Olusoga hat vor 16 Jahren eine Marktlücke erkannt

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Die Chefin

Die studierte Biologin Bisi Olusoga ist alleinerzeihende Mutter von zwei Töchtern und seit 16 Jahren Chefin der „Corporate Shipper GmbH“

  • Seit 24 Jahren lebt Bisi Olusoga in Köln.
  • Zunächst arbeitete sie als Reinigungskraft im Cinedom und verschiedenen Grundschulen.
  • Vor 16 Jahren hat sich die Unternehmerin mit dem Handel von Altreifen selbstständig gemacht.

Köln-Godorf – Im Schatten der alten Godorfer Mühle erheben sich auf fast 1000 Quadratmetern hohe, schwarze Reifen-Berge. Reifen aller Zoll-Größen und Profiltiefen, unzählige Felgen und einige Gebrauchtwagen. Schrottberge, könnte man meinen – Goldberge nennt sie Bisi Olusoga. Die 47-jährige ist Chefin der Entsorgungsfirma „Corporate Shipper GmbH Köln“ und handelt mit dem, was Autowerkstätten hierzulande entsorgen müssen: gebrauchte Reifen.

„Jeder Reifen, jedes Auto hat eine eigene Geschichte und ich rette sie vor dem Tod. Denn was in Deutschland gesetzlich verordnet weggeworfen werden muss, wird in Afrika noch gerne und lange verwendet“, sagt Bisi Olusoga. Mindestens zwei Millimeter Profil müssen die Reifen noch haben – „obwohl es in meiner Heimat keine Profil-Kontrollen gibt, denn die Menschen dort haben ganz andere Sorgen.“

Die Reifenkönigin

Bisi Olusoga hat sich in Köln einen Namen gemacht.

Die studierte Biologin hat sich vor 16 Jahren mit dem Export von Alt-Reifen und der Verschiffung von Gebrauchtwagen selbstständig gemacht. Geboren ist sie in Nigeria, dort leben noch heute die meisten ihrer zehn Geschwister. „Mein Lieblingsbruder wohnte damals in Düsseldorf, ich hatte Sehnsucht nach ihm, habe mir ein Touristenvisum besorgt und bin Richtung Europa aufgebrochen“, sagt sie. Inzwischen lebt Bisi Olusoga seit 24 Jahren in Köln, hat einen deutschen Pass, zwei Töchter, 12 und 18 Jahre alt. „Ich habe Deutschkurse belegt und als Putzfrau im Cinedom und verschiedenen Grundschulen gearbeitet. Ich wollte aber mehr, vor allem unabhängig sein und meinen Töchtern eine gute Ausbildung ermöglichen“. Also hat die zweifache Mutter nach einer Marktlücke gesucht.

Köln: Bisi Olusoga ist bekannt

Begonnen hat Olusoga mit der Verschiffung von gebrauchten Autos aus Köln über Rotterdam nach Afrika. Irgendwann kamen die Altreifen hinzu. Olusoga erinnert sich: „Unter den rund um Köln lebenden Afrikanerinnen und Afrikanern hat es sich herumgesprochen, dass ich Deutsch spreche und mich um den Papierkram für die Verschiffung von Autos und Reifen kümmere.“ Olusoga habe sich vor Anfragen nicht retten können. Das war die Chance, in Godorf eine große Fläche anzumieten, um sie als Zwischenlager für Autos und Reifen, die ihre Landsleute in die Heimat transportieren wollten, gegen eine Gebühr unterzuvermieten. „Es funktionierte, plötzlich war mir klar, wie einfach es sein kann, Geld zu verdienen.“

Bisi bei der Arbeit (2)

Sie hat sich mit dem Handel von Altreifen in einer Männerdomäne durchgesetzt. 

Es dauert nicht lange und Olusoga beschließt, selbst Altreifen ins Ausland zu exportieren. Da man gesetzlich in Deutschland einen Reifentausch bei 1,6 Millimetern empfiehlt, werden hier jährlich bis zur 600.000 Reifen entsorgt, die in Afrika und Mittelamerika noch bestens ihren Dienst tun. Mit dem Gewerbeschein in der Hand klappert die Jungunternehmerin zunächst Autohändler, Werkstätten und Privatgaragen ab, auf der Suche nach ausgedienten Reifen und bietet eine Entsorgung entsprechend den gesetzlichen Regelungen an. „Es kam einem Rausch gleich: Man bekommt etwas umsonst und verkauft es dann weiter.“

In Köln-Godorf lagern im Herbst und Frühling beinahe 10.000 Reifen

Wenn die Godorfer Lagerfläche aus den Nähten zu platzen drohen – im Herbst und Frühling kommen beinahe 10.000 Reifen pro Monat zusammen – bestellt Olusoga einen Container, der dann voll beladen Richtung Rotterdam zur Verschiffung nach Afrika, Mittelamerika oder England fährt. Damit sich der Reifen-Export lohnt, muss extrem platzsparend verschifft werden.

„Einen Übersee-Container mit losen Reifen zu beladen, lohnt sich nicht, deshalb drücke ich bis zu fünf Reifen verschiedener Größen ineinander. Je nach Jahreszeit komme ich auf 300 bis 1000 Reifenkränze pro Container“, sagt die 47-jährige, hebt schwungvoll Reifen für Reifen von einem Kleintransporter und überprüft deren Qualität: Sind Laufflächen, Seitenwände und Innenleben okay? Mängel sieht sie sofort. Poröse, profillose oder gebrochene Reifen sortiert sie sofort aus. „Fürs gute Image meines Geschäfts, ist es wichtig, dass ich die Ware selbst kontrolliere, deshalb habe ich auch keine Angestellten“, sagt die Unternehmerin und erklärt: „Die deutschen Alt-Reifen sind gut, im Schnitt kann ich 90 Prozent von ihnen weiterverkaufen.“

Gegen Männer durchgesetzt

Die Autohändler, sagt Olusoga, waren zunächst sehr skeptisch. Eine Frau, noch dazu Afrikanerin, das war in der von Männern dominierten Branche neu. „Aber ich habe mich durchgesetzt und bin jetzt die Reifenkönigin von Köln“, sagt sie – und lacht laut. Aber auch Stolz klingt aus ihren Worten heraus, schließlich ist die Konkurrenz groß in einem Geschäft, das kaum feste Partner kennt. Hier gilt: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“

Trotz allem Erfolg möchte Bisi Olusoga nicht als Reifenhändlerin in Rente gehen. „Ich habe noch viele Ideen. Ein Importhandel mit nigerianischen Lebensmitteln oder ein Geschäft mit Kunsthaaren wären mein Traum. In Köln und Umgebung gibt es eine große afrikanische Community. Man muss nur kreativ sein.“

Altreifen und das Gesetz

Der gesetzliche Profilgrenzwert in Deutschland liegt bei 1,6 mm. Der ADAC rät aus Sicherheitsgründen, die Sommer- bereits bei 3 mm und Winterreifen bei 4 mm zu wechseln.

Seit 2003 dürfen Altreifen nicht mehr auf Mülldeponien entsorgt werden, da sie zu „überwachungsbedürftigen Abfällen“ gehören. Sie können gegen eine geringe Gebühr beim örtlichen Wertstoff- oder Recyclinghof oder beim Kauf von neuen Reifen beim Autohändler abgegeben werden. Die Abgabestellen sind verpflichtet, Reifen fach- und umweltgerecht zu entsorgen. Bei unsachgemäßer Altreifenentsorgung drohen Bußgelder von 30 Euro bis 25.000 Euro. 

Wenn Bisi, wie sie in Godorf liebevoll genannt wird, nicht Reifen wuchtet, sich und Buchführung oder Lagerbestand kümmert, kocht sie, singt und betreut afrikanische Kinder, deren Eltern sie schulisch nicht unterstützen können. Die wenigsten ihrer Landsleute wüssten, dass die Zukunftsweichen in Deutschland bereits in der Grundschule gestellt werden, sagt die Unternehmerin. „Vor Corona habe ich die Schüler bei mir in den Garten eingeladen und versucht, ihnen Selbstbewusstsein mit auf den Weg zu geben. Ich sagte: Du bist zwar schwarz, aber Dein Gehirn funktioniert genau wie das aller Menschen. Du bist hier geboren, Du sprichst Deutsch, Du musst lernen, um später einen guten Beruf zu haben.“ Besonders stolz ist die Alleinerziehende auf ihre beiden Töchter: Die jüngere besucht ein Gymnasium und die 18 -Jährige beginnt im Wintersemester ein BWL-Studium. 

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