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Interview über Köln-Raderthal„Hier sind schon enge Freundschaften entstanden“

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Heinrich Wild-Matejka lebt gerne in Raderthal.

Köln-Raderthal – 2011 sollte der große Raderthaler Veedelszoch ausfallen. Daher beschloss ein kleines Grüppchen Anwohner den Verein Schulze-Delitzsch-Straße zu gründen – „D'r kleinste Zoch vun Kölle“ war geboren. Insgesamt werden 600 Meter beschritten. Der eigentliche Zugweg ist sogar nur 300 Meter lang, doch der Zug geht hin und zurück. Mittlerweile ist der Verein offiziell eingetragen. Mitglied ist, wer in der Schulze-Delitzsch-Straße wohnt. Einer von ihnen ist der stellvertretende Vereinsvorsitzende Heinrich Wild-Matejka.

Warum haben Sie sich als Verein eintragen lassen?

Vor knapp drei Monaten haben wir uns als Schulze-Delitzsch-Straße SDS e. V. eintragen lassen. Wir haben uns schon immer so genannt, aus formellen Gründen sind wir jetzt ein e.V.. Eigentlich sind wir eine Nachbarschaftsgemeinschaft, die es schon sehr lange gibt.

Es fing also nicht mit dem Zug an?

Es hing mit dem Karnevalszug zusammen, der damals von Raderthal, Raderberg und Zollstock bis zum Südstadion ging. Die Organisatoren waren plötzlich klamm, und da haben die Nachbarn Inge Herrig und Ulrike Behling kurzerhand mit dem Septembermarkt auf unserer Straße angefangen, um Geld für den Karnevalsumzug zu sammeln. Ein Teil der Einnahmen wurde für gemeinnützige Zwecke gespendet. 2011 fand dann der erste, eigene Zug statt. Seitdem trödeln wir immer noch für Kamelle, damit die Kinder genug kostenfreies Wurfmaterial haben.

Sie haben sogar ein Dreigestirn?

Ja, jeder ist bei uns einmal dran. Wir hatten schon ein reines Damen- und ein gemischtes Dreigestirn sowie einen griechischen Prinzen. Scherzhaft haben wir irgendwann gesagt, wir hören dann auf, wenn jeder einmal im Dreigestirn war.

Sie haben also eine intakte Gemeinschaft im Veedel?

Was hier jeder sofort mitbekommt, sind der außergewöhnlich enge Kontakt und das Gemeinschaftsgefühl. Wir haben einen Stuhlkreis etabliert. Jeder bringt was mit, man trifft sich auf der Straße, sitzt zusammen auf ein Getränk und einen Plausch. Vor der Haustür ist das etwas ganz anderes als im eigenen Garten.

Machen alle in der Straße mit?

Die engen Bindungen wirken sich aus, hier sind schon enge Freundschaften entstanden. Aber es ist eine intensive Beziehung, der man sich auch entziehen kann. Es gibt keine Verpflichtung, an der Gemeinschaft teilzunehmen. Denn niemand wird gezwungen mitzumachen. Und ehrlich gesagt, kenne ich immer noch nicht alle aus der Straße.

Seit wann wohnen Sie selbst dort?

1979 zog ich hierher, zunächst zur Miete, ehe ein Haus gegenüber frei wurde. Ich wohne in dem ältesten Teil der Straße. 1902 sind die ersten Gebäude dort für städtische Bahnangestellte als Genossenschaftswohnungen gebaut worden. Unser Haus müsste von 1903 sein, ich weiß es nicht genau. Als es 1920 an einen Kardinalsassistenten verkauft wurde, gab es noch Einschränkungen, die für uns dann Gott sei Dank nicht mehr galten. Hier durften zum Beispiel nicht mehr als zwei Familien wohnen, und es war verboten, Spirituosen aus dem Haus zu verkaufen oder auszuschenken. Ein unanständiger Lebenswandel war auch nicht angebracht. Heute wird ab und zu ein Haus verkauft, meist über Empfehlung aus der Straße, aber die Preise sind sehr gestiegen. Gerade herrscht Generationenwechsel, es kommen jüngere Nachbarn.

Die Straße im Wandel?

Sicher, leider ist einiges verloren gegangen – wie der Sparmarkt Stommeln, der Metzger, die Sparkasse und die Post, um einige zu nennen. Mit Friseuren sind wir allerdings gut bestückt. Mir gefällt das Bodenständige, das Gemeinsame – wir sind sehr glücklich hier. Die englische Siedlung gegenüber ist elitär, bei uns hingegen herrscht geselliges, normales Leben.

Zur Person

Heinrich Wild-Matejka (Jahrgang 1948) war vor seiner Pensionierung Schulleiter der Kölner-Heinrich-Welsch-Schule in Bornheim. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Schulze-Delitzsch-Straße SDS e. V., Aufgabe des Vereins ist die Durchführung des kleinsten Kölner Veedelszugs.

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