Kölner BürgervereinSo hat sich Zollstock in den letzten 111 Jahren entwickelt

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Eine typische genossenschaftliche Bebauung am Zollstocksweg.

Zollstock – Es war eine Zeit des Umbruchs, als sich im Jahr 1908 der „Allgemeine Bürgerverein zur Wahrung der Interessen von Köln-Zollstock“ auf Betreiben des damaligen Volksschulrektors Josef Rosenzweig (1866 bis 1937) gründete. Es regierte Kaiser Wilhelm II. und es bestand noch die Ständeordnung mit Adel, Klerus, Bürgern und Arbeitern. Aber es hatten sich auch schon Gewerkschaften gebildet sowie Turn- und Fußballvereine, quasi als freiheitliche Gegenbewegungen.

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Die Pohligwerke im Jahr 1938, auf dem Gelände des heutigen Südstadions. Hier wurden "Elektrohängebahnen" hergestellt, so auch die Seilbahn über den Rhein und die zum Zuckerhut in Rio de Janeiro.

In Zollstock war der Allgemeine Bürgerverein Zollstock (ABZ) ein Zeichen für den Aufbruch in der Gesellschaft. Der „revolutionäre“ Gedanke war, dass im Verein alle Mitglieder gleich sein sollten unabhängig von Herkunft und Beruf. Freilich galt das damals nur für Männer. Neue Kirchengemeinden entstanden ebenfalls. Genau im Jahr 1908 kam der spätere Kardinal Josef Frings als neuer Kaplan an die Zollstocker Notkirche, die damals in einem ehemaligen Schuppen einer Ziegelei am heutigen Zollstocksweg, Ecke Höninger Weg untergebracht war.

Freiheitlich-demokratisches Engagement der Bürger

Der Vorsitzende des Bürgervereins, Ulrich Bauer, erinnert gern an die Zeit der Vereinsgründung und an das freiheitlich-demokratische Engagement der Bürger von damals, das sich der Verein auch heute auf die Fahne schreibt. „Parteipolitische Neutralität wollen wir wahren, aber politische und gesellschaftliche Wachheit müssen wir praktizieren“, betont Ulrich Bauer in einer Festschrift anlässlich des 111. Geburtstages des Vereins. Der ABZ sei Sprachrohr für die Bürgerinteressen und es sei dessen Aufgabe, neue Menschen im Veedel zu etablieren und sie mit langjährigen Bewohnern zu verbinden – über Kulturen und Religionen hinweg.

Alles zum Thema Henriette Reker

Der Vorstand des Zollstocker Bürgervereins mit Ulrich Bauer, Schatzmeister Bodo Schmitt, Ute Heinemann, Hans-Jürgen Gerlach, Tobias Arens (v. r.).

Der Vorstand des Zollstocker Bürgervereins mit Ulrich Bauer, Schatzmeister Bodo Schmitt, Ute Heinemann, Hans-Jürgen Gerlach, Tobias Arens (v. r.).

Und so wird auch der Jubiläums-Festakt im Alfred-Müller-Armack-Berufskolleg am 24. März ökumenisch und interreligiös eröffnet mit christlicher, muslimischer und voraussichtlich jüdischer Beteiligung. Bei der Feier wird auch die Oberbürgermeisterin Henriette Reker sprechen. Tobias Arens vom Bürgerverein wird Auszüge aus dem Fotoarchiv präsentieren und der Stadtführer Günter Schwanenberg wird einen Vortrag über die Geschichte und Gegenwart Zollstocks halten, einem stetig wachsenden Stadtteil mit derzeit rund 23.000 Einwohnern. Zur Zeit der Vereinsgründung lebten gerade einmal rund 4000 Personen in Zollstock. Es begann der genossenschaftliche Siedlungsbau, die Häuser gruppierten sich meist als Viereck jeweils um einen begrünten Innenhof. Es entstanden die Eisenbahnersiedlung und der Vorläufer der heutigen Indianer-Siedlung mit dem eigenwillig-wilden Charakter sowie die Rosenzweigsiedlung. Dieser hochmoderne Bauhauskomplex entwickelte sich in den Straßen rund um die ebenfalls neu errichtete evangelische Melanchthonkirche. In „Schutzmannshausen“ wohnten überwiegend einfache Polizeibeamte.

Auch immer mehr Studenten wohnen in Zollstock

Heute wird wieder enorm gebaut in Zollstock. In die Wohngebiete Marienhof, Vorgebirgsgärten, Zollstockhöfe sind viele junge Familien eingezogen, auch immer mehr Studenten wohnen in Zollstock. „Leider brechen unsere Geschäfte weg“, sagt Ute Heinemann, Sprecherin des Bürgervereins. „Und leider gibt es auch keinen Veedels-Kern“, bedauert der zweite Vorsitzende, Hans-Jürgen Gerlach. Die Verbesserung der Einkaufs- und der Verkehrsinfrastruktur sei ein großes Anliegen.

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Vor allem die Stadtbahnlinie 12 müsse besser getaktet werden, wünscht sich der Bürgerverein. Erfreulich sei dagegen der Wandel der Gastronomie und der Kultur. „Wo vor zehn Jahren noch nichts los war, gehen jetzt viele junge Leute aus“, sagt Ute Heinemann. Durch die Kultursonntage in der „Halle Zollstock“ und die Veranstaltungen des Vereins „ZollstocKultur“ sei frischer Wind ins Veedel gekommen.

Entwicklung ist nicht belegt

Wie sich der ABZ nach der Gründung entwickelt hat, sei leider nicht belegt, so Ulrich Bauer. Fest steht, dass der Verein von den Nationalsozialisten aufgelöst wurde und sich nach dem Krieg neu entwickelt hat. Heute gehören dem Bürgerverein mit Sitz am Kalscheurer Weg rund 700 Mitglieder an, er ist einer der größten und ältesten in Köln. Wegen eines Wasserschadens ist der ABZ derzeit in den Räumen der Kirchengemeinde von St. Pius am Gottesweg untergebracht. Geschäftsführer ist Manfred Kaiser. Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt 12 Euro.

Veranstaltungen und Konzerte

Der Bürgerverein lädt die Zollstocker das ganze Jahr über zu Veranstaltungen, Führungen, Busfahrten und Bürgerstammtischen ein. Im Jubiläumsjahr gibt es zusätzlich einen großen Empfang für Vereinsmitglieder am Sonntag, 24. März, ab 10.45 Uhr im Alfred-Müller-Armack-Berufskolleg an der Brüggener Straße. Am 9. Mai besucht der Verein das Hänneschen Theater, am 15. Juni findet ein Bürgerfest auf dem Spielplatz an der Rosenzweigschule und auf dem Rosenzweigweg statt. Am 12. Oktober hat der Verein ein Konzert der Bläck Fööss im Berufskolleg organisiert und am 1. Dezember die Adventsfeier „Weihnacht op Kölsch“. Infos zu Tickets gibt es per E-Mail.

www.zollstocker-buergerverein.de

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