Leerstand in ImmendorfEin Dorf macht dicht

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Die Bäckerei (o.) in Immendorf wird zum 1. März geschlossen,...

Die Bäckerei (o.) in Immendorf wird zum 1. März geschlossen,...

Immendorf/Godorf – Um 11 Uhr lässt Francesca Schwandt die Rollläden vor den Fenstern der kleinen Bäckerei herunter. Nach dem 1. März wird sie den Laden überhaupt nicht mehr öffnen. Zwei Jahren nachdem sie ihn übernommen hat, gibt sie auf. Brötchen verkaufen lohnt sich nicht mehr in Immendorf. „An der Ware kann es nicht liegen“, sagt Schwandt. Ihre Kunden, die wenigen, die bis zuletzt kamen, hätten Brot und Gebäck stets gelobt. Ihr Entschluss passt vielmehr in die Entwicklung der vergangenen Jahre.

Das öffentliche Leben im Dorf kommt zum Erliegen. „Immendorf ist wie ausgestorben, ein totes Dorf. Hier ist nur noch etwas los, wenn jemand beerdigt wird“, sagt Schwandt. Die Dorfkneipe ist zu. Das bei Feinschmeckern beliebte Restaurant Bitzerhof wurde aufgegeben. Selbst der Bauer, der an der Hauptstraße jahrelang Obst und Gemüse aus eigener Produktion verkaufte, hat seinen Hofladen geschlossen. Mit der Bäckerei verschwindet ein weiteres Geschäft. Nur der benachbarte Kiosk und eine Floristin sorgen für etwas Leben auf der Hauptstraße.

Im Jahr 948 wurde der Ort Iminethorp zum ersten Mal erwähnt. Schon in fränkischer Zeit gab es wohl eine Kirche im Ort. Bis heute ist die 1873 erneuerte Kirche Sankt Servatius Blickfang und Mittelpunkt des Dorfes. Sie steht auf einem kleinen Hügel, der früher das Ufer eines inzwischen verschwundenen Rheinarmes gewesen sein könnte, und war Zentrum einer großen Gemeinde. Ihr Bezirk erstreckte sich zeitweise bis kurz vor das Severinstor. Immendorf gehört heute zum Bezirk Rodenkirchen und ist einer der südlichsten Stadtteile.

Ende 2013 waren nach Angaben der Stadt 1972 Einwohner in Immendorf gemeldet. Ende 2000 waren es noch 2086. Obwohl mehr Menschen nach Immendorf ziehen als den Ort verlassen, sinkt die Einwohnerzahl.

Die Sterberate liegt bei 13,2 je 1000 Einwohner und damit deutlich über dem Kölner Durchschnitt von 9,3 Fällen. Gemessen an der Einwohnerzahl werden hingegen ähnlich viele Kinder geboren wie bei stadtweiter Betrachtung.

Essen gehen, Bier trinken, einkaufen – die Immendorfer setzen sich offenbar eher in ihr Auto und fahren in die umliegenden Stadtteile. Die Situation in den Nachbarorten Godorf oder Meschenich sieht nicht ganz so trostlos aus. Doch überall an den Rändern der Stadt müssen die Menschen für ihre Besorgungen immer weitere Wege zurücklegen. In Immendorf, mit nicht einmal 2000 Einwohnern einer der kleinsten Stadtteile, hat sich die Situation jedoch zugespitzt. Und die Zahl der Einwohner sinkt weiter.

„Hier herrscht tiefster Frieden, wenn man so will“, sagt auch Hansjörg Glos. Der Rentner hat einen Schlüssel für die alte Dorfschule an der Hauptstraße. Donnerstags treffen sich dort die Sänger des Männerquartetts Frohsinn. Die Proben, der Neujahrsempfang und das Sangesfest im Frühjahr gehören zu den wenigen verbliebenen Gemeinschaftserlebnissen im Dorf. Ihr Fortbestand scheint zunächst auch ungefährdet. Längst verstärken auch Frauen und Jüngere den 1925 gegründeten Chor. Zum Fest reisen befreundete Chöre aus Italien und England an. Die Schule dient das Jahr über als geselliger Treffpunkt. Im Obergeschoss haben die Sänger eine Theke eingebaut. Nach den Proben sitzen sie auf Eckbänken zusammen. „Wir versuchen auf unsere Art und Weise etwas zu gestalten“, sagt der 75 Jahre alte Glos, Ehrenpräsident der Sänger.

Karnevalsverein aufgelöst

Auch wenn sich die Männer und Frauen gegen den Trend stemmen, unterstützt vom Turnverein TSV Immendorf mit einer äußerst fidelen Radsportabteilung, – ihnen ist klar, dass sie ihn nicht aufhalten werden. Zu viel Gemeinschaft stiftendes ist bereits verschwunden. Die Kirche Sankt Servatius gehört seit Jahren schon mit den benachbarten Gemeinden zu einem gemeinsamen Pfarrbezirk. Die Immendorfer teilen sich das geistliche Personal mit den Meschenichern, Rondorfern und Godorfern. Die Grundschule wird ab sofort vom Leiter der Meschenicher Grundschule verwaltet. Eltern und Bezirksvertreter kämpfen dafür, dass ein eigenständiges Sekretariat und der Hausmeister in Immendorf bleiben. Der Karnevalsverein wurde im Vorjahr aufgelöst, der Rosenmontagszug zieht seit zwei Jahren nicht mehr durch den Ort.

Besonders alte Menschen leiden unter der Entwicklung. Glos kennt Ältere, die zurückgezogen leben, ihre Häuser nur noch selten verlassen. Auch Francesca Schwandt weiß, dass einige Immendorfer übrig gebliebene Brötchen und Gebäck gut gebrauchen können. Kurz bevor sie schließt, verschenkt sie, was noch in der Auslage liegt.

Die Politiker im Bezirk verfolgen die Entwicklung ebenfalls. Sie beraten, wie die ärztliche Versorgung verbessert werden könnte. „Dass es in ländlichen Gegenden zu wenig Ärzte gibt, ist schon lange bekannt“, sagt FDP-Bezirksvertreter Karl-Heinz Daniel. Zwar kann er nachvollziehen, dass sich eine Praxis in Immendorf nicht lohnt. Doch zumindest zeitweise müsse eine Lösung gefunden werden. Auch in Godorf und Meschenich sei die ärztliche Versorgung unzureichend. Denkbar wäre etwa, dass ein Arzt an ein oder zwei Tagen eine Sprechstunde vor Ort anbietet. Die Bezirksvertreter haben den Bezirksbürgermeister beauftragt, das Thema mit den Ärzten im Bezirk zu besprechen. 72 von ihnen sind im Gesundheitsnetz Köln-Süd organisiert, die Koordination der medizinischen Versorgung ist eines ihrer Ziele. An einen Arzt in Immendorf kann Glos sich nicht erinnern. Er immerhin ist mobil, lässt sich in Rodenkirchen behandeln.

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