LockpickingKölner Verein öffnet spaßeshalber Türschlösser

Lesezeit 3 Minuten
DSC_0097

Nils Trexler öffnet in seiner Freizeit und auch beruflich Schlösser.

Köln – Eins ist den Jungs ganz wichtig. Und deshalb gleich vorweg: Sie öffnen Schlösser. Sie knacken sie nicht. Denn beim Öffnen ohne den passenden Schlüssel bleiben die Schlösser unbeschädigt. Nils Trexler und Sirius Schmidt sind Lockpicker und in dieser Sache aktiv im Verein. Der nennt sich Sportsfreunde der Sperrtechnik Deutschland. Einige Dutzend Sportsfreunde sind in der Kölner Gruppe aktiv.

Bundesverband der Schlossöffner sieht's sportlich 

In der Satzung des Bundesverbandes heißt es: „Der Zweck des Vereins ist die Pflege der Sperrtechnik als sportliche Herausforderung.“ Ob die filigrane Arbeit, die nötig ist, um ein Schloss zu öffnen, ein Sport im klassischen Sinn ist, mag jede und jeder für sich entscheiden. Die Leidenschaft jedenfalls, mit der Nils und Sirius nahezu täglich an sich arbeiten, um sich zu verbessern, muss den Vergleich mit dem Training anderer Athleten jedenfalls nicht fürchten. „Jedes Schloss ist ein individuelles Rätsel, das man löst“, beschreibt Sirius die Herausforderung.

Sirius ist Sportgruppenleiter der Sperrtechnik-Freunde in Köln. Sie nennen sich Lockpicker oder Schlossöffner. Zum Öffnen verwenden sie Abtast- und Spannwerkzeuge, die gemeinhin auch Picks genannt werden. Mit dem Spannwerkzeug setzt man den Kern des Schließzylinders mit viel Gefühl unter Spannung. Das simuliert das Drehen des Schlüssels im Schloss.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Mehrzahl der heute benutzten Schlösser sind sogenannte Stiftschlösser. In ihnen blockieren Stiftsäulen, die durch Federkraft in den Schlosskern gedrückt werden, das Schloss. Handelsübliche Schlösser haben fünf oder sechs dieser Stiftsäulen. Der passende Schlüssel drückt alle Stifte unterschiedlich weit in das Schlossgehäuse, sodass es sich öffnet. Wenn man denn den Schlüssel hat. Wenn nicht, wird es sportlich. Entscheidend für das Öffnen ohne Schlüssel ist das Abtastwerkzeug. Mit ihm drückt man die Stifte nacheinander herunter. Wenn alles passt, verkeilt sich ein Stift nach dem anderen, und am Ende kann man den Schlosskern drehen: Schloss geöffnet.

Kölner ist auf Youtube als Mister Sirius bekannt

Nils Trexler öffnet Schlösser nicht nur in seiner Freizeit. Er ist nach einer kaufmännischen Ausbildung bei einem Schlüsseldienst tätig und findet den Aufbau von Schlössern auch beruflich interessant. Sirius Schmidt ist in der Szene als „Mister Sirius“ bekannt. Der 25-Jährige betreibt einen Youtube-Kanal und zeigt auch auf TikTok Videos zum Thema Sicherheitstechnik. Auf der Streaming-Plattform Twitch bringt er zudem interessierten Personen das Lockpicking in Livestreams näher.

Das Hobby ist zwar nicht weit verbreitet, aber Exoten sind Nils und Sirius auch nicht. „Es gibt nationale und internationale Meisterschaften“, erzählt Sirius. Und die werden in vielen Disziplinen ausgetragen. Natürlich gibt es zahllose unterschiedliche Schlösser mit genauso unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Und es gibt bei den Disziplinen Vorgaben. Man darf beispielsweise nur bestimmte Werkzeuge verwenden.

Kölner Verein entstand aus Chaos-Computer-Club

Die Sportsfreunde der Sperrtechnik Köln haben sich übrigens im ortsansässigen Chaos-Computer-Club gegründet. Das überrascht nur auf den ersten Blick. Schließlich eint Schlossöffner und Hacker die gleiche Leidenschaft. Sie wollen in Systeme eindringen, die unter allen

Umständen verhindern wollen, dass ihnen das gelingt. „Wer Lockpicking betreiben möchte, braucht Geduld und Fingerspitzengefühl“, sagt der 23-jährige Nils. Räumliches Denken, Kreativität und technisches Verständnis seien ebenfalls hilfreich. „Nicht schaden kann auch eine hohe Frustrationstoleranz.“ Denn nicht jedes Schloss lasse sich mal eben in kurzer Zeit öffnen. Gleichzeitig beraten er und „Mister Sirius“ Schlosshersteller und weisen sie auf Schwächen in deren Produkten hin.

Kann man sich denn glücklich schätzen, wenn man sich ausgesperrt hat und Trexler kommt und öffnet das Schloss ohne Aufbohren? Eher nicht. „Meistens habe ich bei Wohnungstüren viel zu wenig Platz. Und mitten in der Nacht hat wohl kein Kunde Lust, mir im Zweifel stundenlang zuzusehen.“

Die Lockpicker treffen sich derzeit digital, und zwar an jedem dritten Donnerstag des Monats, ab 19 Uhr.

sportabend.ssdev.org/alle

koeln@ssdev.org

KStA abonnieren