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Nach schwerem UnfallWie ein Kölner Geiger seine Karriere retten konnte

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Tim Lögters prüft, ob das Schlüsselbein von Takashi Bernhöft gut geheilt ist. Der Geiger war froh über seine schnelle Genesung.

Tim Lögters prüft, ob das Schlüsselbein von Takashi Bernhöft gut geheilt ist. Der Geiger war froh über seine schnelle Genesung.

Köln-Bayenthal – Ein Bremszug am Fahrrad, der während der Fahrt reißt, ist wohl für jeden Menschen eine schreckliche Vorstellung. Für den Geiger Takashi Bernhöft hätte der Defekt existenzbedrohende Folgen haben können. Im November 2017 stürzte der Berufsmusiker vom Fahrrad, prallte gegen ein Schild. „Ich habe mich auch noch schlecht abgerollt“, sagt der 51-Jährige, der in seiner Freizeit Karate trainiert. Er schleppte sich zwar zunächst nach Hause. Später waren die Schmerzen in der Schulter aber zu stark. In der Notaufnahme stellten die Ärzte einen Schlüsselbeinbruch fest. Sie rieten ihm zur sofortigen Operation. Doch für Bernhöft war das eine weitreichende Entscheidung.

Betroffen war die Schulter, auf der er die Geige beim Spielen auflegt. Eine große Narbe oder gar ein schlecht verheilter Bruch hätte ihn viele Monate aus der Bahn werfen können. Die Erfahrung machte er vor Jahren mit einer anderen Verletzung. Außerdem hatte er gerade erst begonnen, sich als Komponist einen Namen zu machen und für den folgenden April war die Uraufführung seines neuen, noch unfertigen Stücks angesetzt. „Ich war völlig vor den Kopf gestoßen“, sagt er heute. Er sitzt im Sprechzimmer von Tim Lögters, Chirurg im Sankt-Antonius-Krankenhaus, und ist voll des Lobes. Lögters ist auf die „obere Extremität“, den Arm und die Hand, spezialisiert.

Seit eineinhalb Jahren leitet der habilitierte Arzt eine der beiden chirurgischen Abteilungen im Bayenthaler Krankenhaus und bietet eine Handsprechstunde an.

Er berät Patienten, die mit chronischen und akuten Beschwerden zu ihm kommen. Sein Ruf ist offenbar exzellent, die Patientenzahlen steigen. „Es hat sich herumgesprochen, dass wir uns weiterentwickelt haben“, sagt Lögters und bezieht sein Team mit ein. Davon profitiert Bernhöft. Ein Freund rät ihm, seine Sprechstunde zu besuchen, bevor er sich operieren lässt. Und Lögters’ Herangehensweise überzeugt ihn sofort: „Ich habe mich von Anfang an mitgenommen gefühlt“, sagt der Musiker.

Schnelle, aber schmerzhaftere Heilung

Das Ziel ihrer gemeinsamen Abwägung war klar: Die Schulter sollte so schnell wie möglich wieder einsetzbar sein, auch wenn die Heilung vielleicht etwas schmerzhafter wird. „Ich schaue mir immer an, was für ein Patient da vor mir sitzt, welche Ansprüche er hat, was er beruflich macht, wie sein Privatleben aussieht“, sagt Lögters. Er betont, dass Hände und Arme nicht nur für Berufsmusiker, Handwerker oder Tennisspieler besonders wichtig sind: „Wir nutzen sie, um unserer Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen“, sagt er, etwa über die Körpersprache, den Händedruck und die Pflege unserer Fingernägel.

Deshalb seien die Ansprüche seiner Patienten immer sehr individuell. „Anderen hätte ich vielleicht nicht zur OP geraten“, sagt er zum Fall des Geigers. Eine langsame Heilung mit einem ruhig gestellten Arm wäre eine mögliche Alternative gewesen – allerdings nicht für Bernhöft. „Fünf Tage nach der OP konnte ich die Geige wieder aufsetzen“, sagt er zufrieden. Lögters nennt den Eingriff zwar Routine, er wird etwa alle zwei Wochen in seinem Krankenhaus vorgenommen.

Mit dickem Draht in Position gebracht

Doch es galt eine Herausforderung zu meistern: Das gebrochene Schlüsselbein wird mit einem drei Millimeter dicken Draht so in Position gebracht, dass der Knochen ohne Verknöcherungen heilt und der Arm schnell wieder mobil ist. Dafür wird der Draht durch das Mark geschoben. Das geschieht minimalinvasiv, also über einen kleinen Schnitt am Brustbein. Lassen sich die beiden Hälften aber nicht von außen so ausrichten, dass sie dafür in der richtigen Position zueinander liegen, muss der Chirurg einen weiteren Schnitt vornehmen, auf der Schulter, genau dort, wo Bernhöft seine Geige auflegt, und eine Wunde enorm stören würde. Über ihn lässt sich der Knochen dann leichter bewegen. 30 Minuten dauerte der Eingriff.

Das erste, was Lögters seinen Patienten wissen ließ, als er aus der Narkose erwachte, war, dass dieser Hilfsschnitt nicht nötig war. „Vielleicht hätte ich es in diesem Fall auch zehn Minuten länger probiert, bevor ich das Skalpell noch einmal angesetzt hätte“, sagt Lögters. Zwei Wochen später spielte Bernhöft ein Weihnachtskonzert, mit Hilfe von Schmerzmitteln zwar, aber froh über die schnelle Wiederherstellung seines Arms, wenn auch noch leicht eingeschränkt. („Eine Wagner-Oper hätte ich damit sicher nicht spielen können.“) Und der Aufenthalt im Krankenhaus hatte ihm sogar etwas Ruhe verschafft, um seine Komposition zu ordnen. Er vollendete sie in den folgenden Wochen. Die Uraufführung seines Stücks Nowpast für japanische Bambusflöte und Orchester im April war ein Erfolg. Und Bernhöft hatte recht daran getan, seinem Auftraggeber erst gar nicht von seiner Verletzung zu berichten.

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