Urlaub in der StadtDieses Kölner Veedel am Rhein wird von vielen unterschätzt

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Sommerserie Bayenthal Pumpwerk

Das Hochwasserpumpwerk in Bayenthal 

  • Bayenthal ist sympathisch unprätentiös und entspannt. Der Rhein ist nicht weit, die Südstadt mit ihrem Großstadt-Flair um die Ecke.
  • Außerdem findet sich hier eine der besten Eisdielen der Stadt.
  • Eine neue Folge unserer Sommerserie „Zuhause unterwegs – Urlaub in der eigenen Stadt“.

Bayenthal – Die szenige Südstadt und das noble Marienburg kennt jeder. Aber Bayenthal? In der Vorstellung vieler Kölner fristet der Stadtteil ein Schattendasein, was auch daran liegen mag, dass spektakuläre Aus- und Anblicke fehlen. Das bekannteste Bauwerk dürfte das Hochwasserpumpwerk am Rhein, Höhe Schönhauser Straße, sein. Der von Kaspar Kraemer entworfene Glaskubus erstrahlt abends in verschiedenen Farben – je nach Pegelstand des Rheins: Bei Niedrigwasser leuchtet der Würfel gelb, bei Normalstand blau bis grün. Bei Hochwasser wechselt er von Orange nach Rot.

Trotzdem lohnt sich ein Ausflug nach Bayenthal allemal: Das Viertel ist sympathisch unprätentiös und ein Paradies für Radfahrer, alle nötigen Geschäfte sind vor Ort und der Rhein ist nur einen Katzensprung entfernt. Auch für Kunstliebhaber hat der Stadtteil einiges zu bieten. Leben und leben lassen, scheint die Devise des Bayenthalers, und wem die entspannte Ruhe mal zu viel wird, der hat ja die Südstadt mit ihrem Großstadt-Flair direkt vor der Tür.

Lange Zeit bestand Bayenthal nur aus ein paar Häusern. Das änderte sich erst im Zuge der Industrialisierung. Die 1856 gegründete Kölnische Maschinenbau AG beschäftigte wenige Jahre später bereits 1500 Arbeiter. Rund um die Alteburger Straße lässt sich die Geschichte als Arbeitervorort noch ablesen.

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Hier stehen einige der typischen Arbeiterhäuser mit ihren Drei-Fenster-Fassaden, die das Unternehmen errichten ließ. Das Fabrikgelände ist dagegen verschwunden – heute erheben sich dort die Türme einer Wohnanlage. Die Wende zum Bürgerlichen vollzog Bayenthal erst später. Ab Ende des 19. Jahrhunderts entstand das Dichterviertel mit seinen Einfamilienhäusern, je näher an Marienburg, desto großzügiger.

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Durch die schmale Bonifazstraße mit denkmalgeschützten Häusern gelangt man zur Goltsteinstraße, dem heutigen Geschäftszentrum. Es gibt Kölner, die eigens zum Eisessen dorthin pilgern. Bei „Il Gelato di Ferigo“ kann man köstliche Fruchtsorbets genießen, aber auch ausgefallene Kreationen wie Pumpernickeleis oder Salzkaramell. Im Sommer bilden sich vor der Eisdiele häufig lange Schlangen. Empfehlenswert ist auch das Café Rotkehlchen mit seinem teils veganen Angebot. Am Haus mit der Nummer 75 weist ein Fries an der Fassade mit Storch und Babys auf den einstigen Wohnort der Hebamme hin.

Zur Serie

Urlaub in der eigenen Stadt ist in diesem Jahr besonders gefragt. Unsere Reporter stellen während der Sommerferien Kölner Veedel vor – solche, die sie besonders gut kennen, und solche, die sie schon immer mal besuchen wollten. Wir schildern, was wir schön finden, wo es besonders lecker ist und verraten unsere Lieblingsplätze, ganz subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. (red)

Weiter südlich befindet sich die Galerie Krings-Ernst (Nr. 106), die sich mit moderner Kunst einen Namen gemacht hat – übrigens nicht der einzige Kunst-Hotspot im Viertel. An der Schönhauser Straße 8 zeigt das Forum für Fotografie pro Jahr etwa vier Ausstellungen, meist mit noch unbekannteren Künstlern (in den Ferien geschlossen). Und im Hinterhof befinden sich mit Thomas Zander und Anke Schmidt zwei Galerien.

Rund um den Matthiaskirchplatz stößt man auf eine Gebäudestruktur, die man als Ortskern bezeichnen könnte: die 1904 eingeweihte, gleichnamige Kirche, der schöne Backsteinbau des Antonius-Krankenhauses sowie das St. Josefshaus, aus dem die Cellitinnen ein Zufluchtshaus für alleinstehende Mütter machten. Die Gebäude sind Teil des Rodenkirchener Kulturpfades und entsprechend beschildert. Von hier aus lohnt sich ein Abstecher zur Caesarstraße 76-82. Eine Hausgemeinschaft hat das 1925/26 von den Architekten Luckas und Röder erbaute Gebäude liebevoll restauriert und die roten Sprossenfenster originalgetreu nachbauen lassen. Unter dem Innenhof befindet sich ein Bunker, der im Zweiten Weltkrieg als Zwischenlazarett diente.

Tipps für Bayenthal

Für Eis-Fans: Il Gelato di Ferigo, Goltsteinstraße 32, dienstags bis sonntags, 12-21 Uhr.

Zum Einkehren: Deftige Brauhausküche im Gasthaus „Zur Eule“, Alteburger Straße 299, montags bis samstags 17-0 Uhr, sonn-und feiertags ab 12 Uhr.

Zum Entspannen: Gemeinschaftsgarten Neuland, ab Sept. donnerstags, freitags 16-20 Uhr, samstags 11-20, sonntags 15-20 Uhr.

Bleibt noch ein kleiner Zipfel an der Alteburger Straße, wo sich früher die Dom-Brauerei nebst Biergarten befand. Jenseits der Schönhauser Straße gelegen, wird er selbst von manchem Bayenthaler eher zur Südstadt als zum eigenen Viertel gezählt. Umgeben von Brachland und gegenüber einer Erstaufnahmeeinrichtung für knapp 1000 Geflüchtete befindet sich hier das weithin bekannte Urban-Gardening-Projekt Neuland mit zahlreichen Beeten für Hobbygärtner.

Wegen Corona ist der Garten derzeit geschlossen. Auf dem Rückweg lohnt sich am Rheinufer noch ein Abstecher zum Skater-Park Kap 686. Doch hier befindet man sich schon wieder in der Südstadt.

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