Verschwendung?Joggerin entdeckt tonnenweise Gemüse auf Acker bei Köln-Rondorf

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Kein Blütenmeer sondern tonnenweise teils frisches Gemüse landeten auf einem Feld bei Rondorf.

Köln-Rondorf – Die Joggerin traute ihren Augen nicht. Aus der Ferne sah sie auf einem Feld eine riesige bunte Fläche und dachte zunächst an blühende Tulpen. Als sie direkt davor stand, erkannte sie, dass es sich um tonnenweise Gemüse handelte. Zum Teil noch frisch und in guter Qualität.

Conny Wiese-Robrecht zeigt sich auch im Nachhinein noch entsetzt. „Paprika, Auberginen, Salat, Rhabarber zum Teil in Bio-Qualität wurden von einem Lastwagen einfach auf das Feld gekippt“, vermutet sie anhand der frischen Fahrspuren neben dem Haufen. Vieles davon sei so gut wie unversehrt gewesen. „Ich hatte Möhren und Paprika in der Hand, das war keine Matsche“, beteuert sie.

Interessengemeinschaft Großmarkt: Wilde Entsorgung

Für die sozial engagierte Rondorferin ist das pure Lebensmittel-Verschwendung – vor allem angesichts der wachsenden Bedürftigkeit vieler Menschen. „Da hätte man vieles noch herauspicken können“, ist sie sich sicher. Am Rand eines Feldweges, der von der Bödinger Straße in Richtung Meschenich abzweigt, hatte sie den Lebensmittelberg entdeckt. Wieso das Gemüse auf dem Feld gelandet war, konnte sie sich nicht erklären. Einen Tag später schaute sie erneut vorbei – alles war untergepflügt.

Nur Paprikaschoten waren noch deutlich zu erkennen, samt Bio-Siegel. Bei der Interessensgemeinschaft Großmarkt zeigt man sich verwundert über die Aktion. „Von uns war das sicher keiner“, beteuert ein Sprecher, von so einer wilden Entsorgung habe er noch nie gehört.

Ein Rondorfer Landwirt, der nicht namentlich genannt werden möchte, sagt, dass es nicht verboten sei, faules oder welkes Gemüse unterzupflügen. Er selbst bewirtschaftet mehrere Felder, nicht das betreffende. Es käme öfter vor, dass Reste von aufbereitetem Gemüse, wie etwa aussortierte Außenblätter von Salat oder Strunke von Grünkohl, gleichmäßig über ein Feld gestreut oder abgekippt und zeitnah nachverteilt und untergegraben würden. Aus landwirtschaftlicher Sicht sei dies sinnvoll, denn letztlich entstünde daraus Humus.

Bioabfallverordnung erlaubt das Unterzupflügen

Tatsächlich ist es gemäß Paragraf sieben der Bioabfallverordnung erlaubt, Gemüse unterzupflügen. Ein Verstoß gegen die ordnungsgemäße Landwirtschaft liege laut Landwirtschaftskammer somit nicht vor, teilt das Kölner Umwelt- und Verbraucherschutzamt mit.

Bei einem Teil des Gemüses habe es sich möglicherweise um eine Zwischenlagerung gehandelt, glauben die Behördenmitarbeiter. Sie hatten sich vor Ort umgesehen zu einem Zeitpunkt, als die Lebensmittel bereits in den Boden eingearbeitet waren.

Recherchen haben ergeben, dass der Acker von einem Obst- und Gemüseanbaubetrieb gepachtet ist, der landwirtschaftliche Handelsware als Dienstleister an Kunden liefert, auch importiertes Gemüse, etwa aus den Niederlanden. Zudem verpackt das Unternehmen mit Standort im Raum Hürth die Frischegüter in Folien oder Netze für den Einzelhandel. „Wir haben dort welke oder faule Umblätter vom Salat und nicht mehr zu vermarktenden Paprika auf die Flächen ausgebracht, um diese so wieder in den natürlichen Kreislauf einzubringen“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme der Firma an diese Zeitung.

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Partien mit Verderb würde der Betrieb für Kundinnen und Kunden noch einmal aufarbeiten; nur die daraus anfallenden Abfälle würden auf die eigene Anbaufläche entsorgt. Der Betrieb legt laut eigener Aussagen großen Wert auf ökologische Verantwortung. Auf Diskussionen, ob die betreffenden Waren teilweise doch noch verwertbar gewesen seien, lässt sich die Firma nicht ein.

Kölner Tafel: Die hätten nur zum Hörer greifen müssen

„Er hätte nur zum Hörer greifen müssen“, sagt die Vorsitzende der Kölner Tafel, Karin Fürhaupter. Die Tafel nehme Waren an mit einem Anteil von bis zu 30 Prozent an nicht vermarktbaren Produkten, sagt sie. Aussortiert werde dann an Ort und Stelle, etwa am Großmarkt oder beim Einzelhandel, selten am eigenen Standort im Rodenkirchener Gewerbegebiet. Was wirklich nicht mehr verwendet werden könne, lande in der großen Biotonne. Auch andere Organisationen retten Lebensmittel. „The Good Food“ zum Beispiel sammelt Lebensmittel, die nicht normgerecht sind und regulär nicht mehr verkauft werden – winzige Kartoffeln, krumme Gurken, Obst mit Flecken oder Druckstellen.

In den mittlerweile fünf Filialen werden die Produkte dann günstig an Verbraucherinnen und Verbraucher verkauft. „Dreimal in der Woche bringt unser Lastwagen übrig gebliebene Lebensmittel aus der Region zu uns“, sagt Nicole Klaski. Sie führt die Ehrenfelder Filiale und hat „The Good Food“ vor vier Jahren gegründet. Es gibt Kooperationen mit Landwirtschaftsbetrieben. Manchmal holt sie Obst und Gemüse, das nicht mehr verkauft werden kann, direkt vom Feld. „Zum Glück werden wir meistens vorher angerufen, bevor das Gemüse weggeworfen wird“, sagt sie.

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