Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Samy Deluxe an der Uni Köln„Zeig mir eine KI, die in 20 Jahren so rappen kann wie ich“

5 min
30.10.2025 Köln. 30 Jahre Samy Deluxe – der Rapper zu Gast am Cologne Hip Hop Institute . Foto: Alexander Schwaiger

Samy Deluxe an der Uni Köln. Im Cologne Hiphop Institute blickt er im Gespräch zurück auf seine 30-Jährige Karriere

Der Hamburger Rapper feiert sein 30. Bühnenjubiläum. Zum Gespräch über seine Karriere kam er ans Cologne Hiphop Institute.

Sein größter Hit ist das Zusammenspiel aus monatelangem Ringen um die richtigen Sätze und einem fast beiläufigen, aber genialen Einfall. Als Rapper Samy Deluxe in Hamburg-Altona auf dem Weg ins Studio war, es ist das Jahr 2001, sei ihm aufgefallen, dass ihm noch eine eingängige Melodie und Zeile zum gesellschaftskritischen Song „Weck mich auf“ fehlte. „Das war mein durchdachtestes Werk bis dahin, und eine Art Sammelprojekt: Immer wenn mir ein guter Satz eingefallen ist, in dem es nicht darum ging, wie toll ich mich finde, habe ich ihn dem Text hinzugefügt. Das, was den Track großgemacht hat, der Weck-Mich-Auf-Part, ist aber an einem Morgen innerhalb von 20 Minuten passiert“, sagte der Rapper in die Runde.

Am Donnerstag kam der Hamburger auf Einladung des Cologne Hiphop Instituts an die Uni Köln. Den anwesenden Schülern von der Technik-AG des Montessori-Gymnasiums in Ossendorf, Studierenden aus der Musik sowie Personen aus der Hiphop-Szene gab der 47-Jährige in Lindenthal Einblicke in sein künstlerisches Schaffen: das Spannungsfeld zwischen Fanerwartung und dem eigenen Anspruch als Künstler, die Anfänge in den 90ern, als er im Duo mit DJ Dynamite von Battle zu Battle zog und seine Idole.

30.10.2025 Köln. 30 Jahre Samy Deluxe – der Rapper zu Gast am Cologne Hip Hop Institute . Foto: Alexander Schwaiger

Professor Oliver Kautny im Gespräch mit Rapper Samy Deluxe

Persönliches über Samy Deluxe beim Talk an der Uni Köln

Auch über Persönliches sprach er: Als Siebtklässler flog er zum Halbjahr von der Schule und ging erstmal für sechs Monate ins englische Cornwall zu einer Gastfamilie; über die englische Sprache fand er schließlich Zugang zur Rapmusik. Der US-Rapper KRS-One sei für viele Jahre sein Haupteinfluss gewesen. „Der hat zwei Sachen verbunden: die aggressive Arzt zu rappen und gegen die gesellschaftlichen Umstände zu sprechen und außerdem hat er sehr viel Reggae reingebracht“, was auch im Werk von Samy Deluxe zu finden ist.

Alles zum Thema Universität zu Köln

Samy Deluxe, auch als Wickeda MC bekannt, feiert in diesem Jahr sein 30. Bühnenjubiläum. Mit Soloalben wie „Dis wo ich herkomm“ von 2009 oder „SchwarzWeiss“ von 2011 war er nicht nur kommerziell erfolgreich, sondern hat auch gesellschaftlich relevante Themen wie Identität, Migration und soziale Ungleichheit künstlerisch reflektiert. Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter und eines zeit seines Lebens abwesenden sudanesischen Vaters, erlebte er sich stets „zwischen den Stühlen“, wie er in seinem Song „Wer ich bin“ beschreibt. Die Texte von Samy Deluxe sind wortgewaltig, kaum einer kann so schnell rappen wie er. 

Sein Werk bietet nicht nur die Gelegenheit, ästhetische, sondern auch pädagogische und politische Perspektiven auf Hiphop als Kulturform zu werfen. Solchen Analysen hat sich das Cologne Hiphop Institute seit der Gründung im Jahr 2021 verschrieben. Es ist im Fach Musikpädagogik an der Humanwissenschaftlichen Fakultät angedockt.

30.10.2025 Köln. 30 Jahre Samy Deluxe – der Rapper zu Gast am Cologne Hip Hop Institute . Foto: Alexander Schwaiger

Samy Deluxe zu Gast am Cologne Hip Hop Institute

Professor und Institutsleiter Oliver Kautny erzählt, dass ein solcher Talk mit einem Rap-Star das Produkt eines langen Weges gewesen sei. „Ich war selber Lehrer nach meiner musikwissenschaftlichen Promotion und habe gemerkt, dass Schulen auf das Thema Hiphop gar nicht vorbereitet sind. Daran hat sich heute wenig geändert.“ Ohne die Auseinandersetzung mit Künstlerinnen und Künstlern sei es jedoch unmöglich. „Das nennt man heute künstlerische Forschung.“

Hiphop wird im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts erforscht

Hiphop sei eine eigene Pädagogik, die Wissen vermittelt. „Samys Songs sind selber immer Produkt des eigenen Lernens und Vermittelns. Deswegen bringen wir hier heute auch verschiedene Leute zusammen.“

Wer die Karriere des Rappers schon länger verfolgt, weiß dass er sich gerne selbst überhöht, für Schlagfertigkeit mit einer Prise Arroganz gepaart steht. Im Gespräch mit den Studierenden gab er sich jedoch nahbar und scheute auch keine Selbstkritik. So sprach er davon, dass er rückblickend und mit der heutigen Erfahrung nur etwa ein Drittel seiner Alben wirklich qualitativ gut und kohärent finde. Das seien nicht unbedingt die, für die seine Fans ihn am meisten feierten. Doch später schiebt er gewohnt lässig hinterher: „Zeig mir eine KI, die in 20 Jahren so rappen und texten kann wie ich: Daran glaube ich nicht. Ich interessiere mich mehr für die Emotionen von Menschen als die von Maschinen.“

Samy Deluxe: Kritik am heutigen Rap-Mainstream

Seine bewegte Karriere beschrieb Samy Deluxe als eine einzige Fahrt mit dem Tourbus von 1995 bis Corona. Die Pandemie bedeutete einen Knick, den der Rapper aber dafür nutzte, die Prioritäten neu zu ordnen: Statt sich von großen Festivals buchen zu lassen, organisiert er nun lieber eigene, ausgesuchte Events mit Nachwuchskünstlern nach dem Motto „Qualität statt Quantität“.

„Ich gehe lieber mit weniger Geld raus und ziehe mir einen kulturellen Wert. Ich versuche den Bildungsauftrag zu verfolgen, Leute zu inspirieren.“ In diesem Sinne freue es ihn, dass der Rap in die akademische Welt Einzug erhalten habe. Sprachlich gut gemacht könne es zu einem der intellektuellsten Stilmittel werden, die man ebenfalls als „Hochkultur“ bezeichnen sollte.

Doch auf gegenwärtige Tendenzen in der Musikbranche blickt er äußerst kritisch, ein Thema, das er auch in seinem jüngst erschienen Album „SamyxConductor“ anspricht. Statusorientiere Rapper, die in der Schnelllebigkeit von Streamingdiensten und Social Media verhaftet sind, und nicht mehr Gehirnschmalz als nötig für Texte aufwenden. Oder Playback rappen, ein absolutes Tabu, findet Samy Deluxe. Auch bei der Jugend sieht er Veränderungen. „Ich habe das Gefühl, die Jugendlichen hängen zu viel am Straßenrand ab. Es sollte viel mehr Jugendzentren geben, ich bin ein Kind der Jugendhäuser. Das hat uns alle – Max Herre, Afrob, mich – zu dem gemacht, was wir heute sind.“