Staatsfonds gefordertKölner Jecke fürchten Sitzungsabsagen – kaum Tickets verkauft

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Die Prinzenproklamation im Gürzenich, hier ein Archivbild

Köln – Kaum sind die Sommerferien zu Ende, schlagen die ersten Karnevalsvereine mit Blick auf die kommende Session Alarm. Der Grund: Sie verkaufen deutlich weniger Tickets als noch vor der Pandemie. „Aktuell liegen die Kartenverkäufe 30 Prozent und mehr unter dem Niveau von vor Corona“, sagt etwa Michael Gerhold, Inhaber der Künstleragentur Ahrens und im Ehrenamt Präsident der Nippeser Bürgerwehr.

Es kommt einiges zusammen. Corona und die schwer vorhersehbaren Entwicklungen der Pandemie im Herbst. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der besonders durch die steigenden Energiekosten das zur Verfügung stehende Geld bei vielen Menschen deutlich einschränkt. Auch andere Teile der Branche wie Musik- oder Theaterveranstalter klagen über schlechte Verkaufszahlen. So musste etwa die Kölner Band Kasalla ihre Europa-Tournee absagen.

Vor Corona: Michael Gerhold im Gürzenich.

Vor Corona: Michael Gerhold im Gürzenich.

„Die Ehrenamtler besonders bei den kleineren Vereinen stehen unter Druck“, hat Gerhold beobachtet. Er befürchtet, dass mit Blick auf die Zahlen besonders diese Vereine im Oktober Sitzungen absagen werden, und das habe Auswirkungen auf die Vielfalt der jecken Angebote. Deshalb fordert er: „Der Sonderfonds Kultur muss angesichts der großen Unsicherheit auf die kommende Session verlängert werden.“

„Der Fonds könnte das Geld für verkaufte Tickets verdoppeln, bis maximal zur schwarzen Null“

Dabei gehe es nicht um eine Fortsetzung des bisherigen Ausfallmodells – die Vereine konnten bei ausgefallenen Sitzungen eine Rückerstattung der Kosten wie Saalmieten oder Künstlerhonorare beantragen und bis zu 90 Prozent dieser Kosten vom Sonderfonds Kultur des Bundes erstattet bekommen. Vielmehr müsse das nach wie vor vorhandene Geld aus dem Topf neu verteilt werden. „Jetzt brauchen wir eine Absicherung: Der Fonds könnte das Geld für verkaufte Tickets verdoppeln bis maximal zur schwarzen Null.“  Gerhold macht ein Beispiel: „Nehmen wir einen Saal mit 1300 Besuchern. Der ist bei 1000 verkauften Tickets kostendeckend. Der Verein verkauft aber nur 600 Tickets, dann würde der Fonds das Geld für die fehlenden 400 Tickets übernehmen.“ Das gäbe den Vereinen Planungssicherheit.

Langfristige Planung macht Kölner Vereine unflexibel

Diese Vereine ächzen unter den langfristigen Planungen im Karneval. So sind etwa Sitzungssäle bereits bis 2025 gebucht, ähnlich lang ist der Vorlauf bei den Programmen. Da bleibt für flexible Gestaltung, etwa indem sich zwei kleine Vereine bei schwacher Kartennachfrage zusammentun und eine gemeinsame Sitzung veranstalten, wenig Spielraum. Und viele haben noch kein Geld vom Fonds erstattet bekommen. „Die Nippeser Bürgerwehr hat sieben von zehn Veranstaltungen abgesagt“, sagt Michael Gerhold. Geld habe man noch nicht bekommen, allerdings dieses auch spät beantragt. Er ist optimistisch: „Der Sachbearbeiter hat jetzt Rückfragen gestellt, es tut sich also etwas.“

Session 2023 richtungsweisend für Kölner Karneval

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Heinz-Günther Hunold, Präsident der Roten Funken.

Es seien erst zwischen 35 und 45 Prozent der Anträge bearbeitet, weiß Ex-Prinz Gerhold, der mit seinen Forderungen nach weiteren Staatshilfen nicht allein ist. Zahlreiche Präsidenten anderer Korps und Vereine  wie der Altstädter, der Roten und der Blauen Funken unterstützen ihn. Aber man will auch die eigenen Angebote überprüfen: „Ob wir unser Angebot auf Dauer anpassen oder neue Formate erfinden müssen, weil einfach weniger Leute kommen, wird diese Session auch zeigen“, ist sich Heinz-Günther Hunold, Präsident der Roten Funken, sicher.

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Zurückhaltend auf die Forderung nach staatlicher Stütze reagiert das Festkomitee Kölner Karneval (FK). „Wir sind seit Beginn der Pandemie mit der Landesregierung im engen Austausch, daran hat sich nichts geändert. Unser oberstes Ziel ist dabei natürlich die Unterstützung und Absicherung der Vereine“, so FK-Präsident Christoph Kuckelkorn. Ob und in welchem Umfang auch für die kommende Session finanzielle Hilfen benötigt würde, ließe sich derzeit noch nicht absehen. „Dazu läuft aktuell eine Anfrage unter unseren Mitgliedern, um den tatsächlichen Stand beim Ticketverkauf zu ermitteln.“

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Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval

Die Zeiten innerhalb von Minuten ausverkaufter Saalveranstaltungen scheinen vorbei, die Entscheidung, ob man ausgeht oder nicht, wird immer kurzfristiger getroffen. „In der gesamten Veranstaltungsbranche spürt man derzeit eine gewisse Zögerlichkeit beim Publikum“, sagt Kuckelkorn. „Im Gegensatz zu Einzelevents erfüllt der Karneval in Köln aber auch eine sehr wichtige soziale Funktion. Er ist der Kitt, der die Stadtgesellschaft zusammenhält.“

Kölner Festkomitee optimistisch für den Herbst

Viele Jecke seien „ihren“ Veranstaltungen und Vereinen treu und kämen Jahr für Jahr wieder. „Der Vorverkauf läuft derzeit noch langsam, ist allerdings auch gerade erst gestartet. Wir sind optimistisch, dass sich die Situation in Richtung Herbst deutlich positiver entwickelt. Die Menschen haben ja das starke Bedürfnis wieder zu feiern, das haben wir in der letzten Session schon deutlich gemerkt“, so Kuckelkorn.

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Guido Cantz hat derzeit keine Auftritte im Karneval.

„Wir müssen die Menschen mobilisieren, dass sie wieder Mut haben, zusammen zu kommen, dass sie Lust haben, wieder in den angestammten Räumen gemeinsam Karneval zu feiern“, ergänzt der Präsident, was auch angesichts der steigenden Inflation nicht einfach sei.  „Es ist eine große Unsicherheit da. Ich glaube, wir müssen um jeden Jecken und um jedes Ticket kämpfen“, sagt Fernsehmoderator und Büttenredner Guido Cantz, der auch Gesellschafter von Kölns größter Künstleragentur Go.GmbH ist, dem WDR. „Der Sitzungskarneval macht für mich den Kölner Karneval aus, und den gilt es zu erhalten.“

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