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Schmutz, Leerstand und FahrradleichenWarum die Kölner Ringe so verkommen

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Leerstand und Tristesse am Ring

  • Die Kölner Ringe gehören zu den wichtigsten Straßen der Stadt. Doch besonders das Herzstück zwischen Friesenplatz und Rudolfplatz sieht so ungepflegt aus wie seit langem nicht.
  • Das Bild wird beherrscht von leerstehenden Gebäuden, einem Wirrwarr von Fahrradständern mit Schrotträdern, Schmutz und Vernachlässigung.
  • Wir sind mit zwei Fachleuten, die sich seit Jahren um den Ring bemühen, einmal die wichtigsten Punkte abgegangen. Sie werfen der Stadt zu langsames Arbeiten und eine gewisse Wurschtigkeit vor.

Köln – Eine Prachtmeile ist der Ring schon lange nicht mehr. Aber wer in diesen Wochen vor allem das Herzstück zwischen Friesenplatz und Rudolfplatz entlanggeht, hat den Eindruck: So schlimm sah es hier noch nie aus. Leerstände, ein chaotisches Durcheinander von E-Scootern und Fahrrädern auf dem Gehweg, ungepflegte Fassaden, Schmutz überall. Und dazwischen die tapferen Versuche von Außengastronomie. An manchen Stellen muss man derzeit jedoch ganz schnell vorbeilaufen, zu stark ist der Uringeruch.

Sicher hat die Corona-Krise den Zustand verschlechtert. Doch diejenigen, die sich schon lange um die Verschönerung des Rings bemühen, sehen die Hauptursache des beklagenswerten Anblicks vor allem im schleppenden Engagement der Stadt. Und dem Hin- und Herschieben von Verantwortung zwischen verschiedenen Dezernaten.

„Irgendjemand muss den Hut aufhaben. Sonst geht es hier nicht weiter“, sagt Hans-Günter Grawe, der seit 2017 für die Industrie- und Handelskammer als Handelskümmerer der Kölner Werbe- und Interessengemeinschaften arbeitet. „Das ist alles nicht aus einem Guss, sondern ein Flickenteppich. Die Beschlüsse, um den Ring schöner zu machen, sind alle längst gefasst.“ Reinhold Goss, Sprecher der Initiative Ring frei, kann da nur zustimmen. Auch die Verkehrssituation verändert sich über die Jahre nur sehr langsam. „Dabei ist alles längst besprochen, es muss nur umgesetzt werden.“

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Sauberkeit und Ordnung

Hans-Günter Grawe hat bereits von sieben Jahren begonnen, mit der Stadt über die Sauberkeit am Ring zu reden. Damals hatte er selbst ein Geschäft hier. Er führte den einzigen deutschen Flagship-Store des Möbelherstellers Natuzzi – in direkter Nachbarschaft der Discos. „Ich und meine Kunden mussten uns oft durch Müll kämpfen, der aus der Nacht stammte.“ Dies sei besser geworden, die AWB reinigen am frühen Morgen, wenn die Nachtschwärmer weg sind.

Doch immer noch liegt vieles im Argen. Vor zwei Jahren gab es ein Pilotprojekt zwischen Rudolfplatz und Ehrenstraße – gegen das „Kraut-und Rüben“-Ambiente. Straßenlampen und Mülleimer wurden so beschichtet, dass Graffiti und Aufkleber nicht haften. Die Mülleimer wurden in die Flucht der Bäume versetzt, so dass sie weniger auffällig sind. Die wuchtigen Fahrradständer wurden gegen kleine getauscht, die ebenfalls in die Flucht platziert wurden. Mit einer ausgeliehenen Spezialreinigungsmaschine wurden die Kaugummis vom Gehweg entfernt.

Dann geschah zwei Jahre lang nichts. Heute gibt es auf dem Abschnitt wieder jede Menge Kaugummiflecken. „Und wir haben keine Informationen darüber, ob und wann das Projekt ausgeweitet wird“, sagt Grawe. Auch eine Nachfrage dieser Zeitung bei der Stadt blieb unbeantwortet. Immerhin ist es gelungen, die Geschäftsleute dazu zu bringen, ihre Werbeaufsteller, die Kundenstopper, näher an ihre Fassaden zu stellen, damit sie das Bild nicht zu sehr stören.

Vergeblich wartet Grawe allerdings darauf, dass auch außerhalb des Pilotprojekts die großen Fahrradständer abgebaut werden, an denen sich Fahrradleichen sammeln. „Der Vertrag zwischen der Aufstellerfirma und der Stadt ist vor zwei Jahren ausgelaufen, aber es passiert nichts.“

Eigene Spur für Fahrräder

„Unsere erste Fahrraddemo hatten wir 1993“, erinnert sich Reinhold Goss. Mehr Verkehrssicherheit für Fahrradfahrer und mehr Platz für Fußgänger war und ist das Ziel. 2015 wurde die Initiative Ring frei gegründet. Die Gruppe verhandelte mit der Stadt – und die fasste 2016 den Beschluss, dass auf dem gesamten Ring zwischen Ubierring und Theodor-Heuss-Ring künftig eine Fahrspur in jede Richtung den Autofahrern weggenommen und den Radfahrern zugeschlagen wird.

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Doch auch die Umsetzung dieses Beschlusses läuft zäh. Im Oktober 2018 wurde eine Pilotstrecke vom Zülpicher Platz bis zur Schaafenstraße/Ecke Lindenstraße eingerichtet – ganze 300 Meter lang. Reinhold Goss sagt: „Erste Auswertungen haben gezeigt, dass sich die Anzahl der Unfälle mit verletzten Personen und schweren Blechschäden um 40 Prozent heruntergegangen ist. Und es hat sich gezeigt: Der Autoverkehr bricht nicht zusammen.“

Die vollständige Umsetzung auf der gesamten Strecke von 7,5 Kilometern war eigentlich für dieses Jahr geplant. Vor einigen Tagen kündigte die Stadt an, dass im Oktober die Fahrradspur zwischen Rudolfplatz und Ehrenstraße eingerichtet wird. Die Arbeiten sollen bis Ende des Jahres dauern, die restliche Strecke bis zum Hansaring käme 2021 an die Reihe.

Reinhold Goss kritisiert: „Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, warum die Arbeiten so lange dauern, es handelt sich vor allem um Markierungsarbeiten. Und es macht auch keinen Sinn, die Strecke nicht gleich bis zum Friesenplatz oder darüber hinaus zu ziehen.“

Immer mehr Leerstände

Der auffälligste Leerstand ist seit 2017 das ehemalige Strauss-Haus am Friesenplatz. Das Gebäude ist völlig heruntergekommen und im Eingang treffen sich Obdachlose und Drogenabhängige. Immerhin gibt es die Ankündigung einer Investorengemeinschaft, dass nicht sanierfähige Gebäude abzureißen und ein Hochhaus mit Hotel, Geschäften und und Büros zu errichten.

Hans-Günter Grawe beurteilt die Leerstand-Situation zwar noch nicht als „dramatisch“. „Aber es besteht die Gefahr, dass das Problem wegen Corona-Pleiten noch größer wird. Wo einmal Leerstand ist, kommt neuer hinzu.“ Dabei ist der Ring eine 1b-Lage – also die zweitbeste in der Stadt. „Besonders ist, dass hier – in normalen Zeiten – tags und nachts etwas los ist. Es gibt alles: von hochwertigen Möbelläden, die auch viele Touristen anziehen, bis zu Nachtclubs und Diskotheken.“ Eigentlich gute Voraussetzungen, aber schwierige Umstände.

Grawe hat in anderen Bereichen der Stadt, etwa in der Severinstraße, Immobilienstandortgemeinschaften initiiert, die sich gemeinsam um das Umfeld kümmern. „Doch dort sind die Geschäftsleute meistens auch Hauseigentümer, auf den Ringen aber sind es große Immobilienfonds oder Versicherungen, die keinen Bezug zum Ring haben.“ Sie für ein Engagement zu gewinnen, sei seiner Erfahrung nach nicht möglich. „Bisher hat niemand auf meine Anfragen reagiert.“

So bleibt es wohl noch lange dabei, dass einzig der Kaiser-Wilhelm-Ring mit seiner Brunnen-Anlage und den Grünflächen, die nach dem Bau der U-Bahn 1987 nach den gründerzeitlichen Plänen umgesetzt wurden, einen Hauch von Boulevard hat. Bis vielleicht doch mal jemand den Hut aufsetzt.

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