Schulplätze oder KlimaschutzInterimsbau am Venloer Wall wird für Grüne zum Dilemma

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Venloer Wall-Interim

So soll der Interimsbau am Venloer Wall mal aussehen.

Köln – Dringend nötige Schulbausanierungen und Schulplätze - oder doch Klimaschutz durch das Erhalten von Naturräumen in der Stadt? „Es ist ein Zielkonflikt, der im Grund nicht aufzulösen ist“, sagt Bärbel Hölzing, schulpolitische Sprecherin der Grünen und gleichzeitig Mitglied im Beschwerdeausschuss der Stadt. Für den dringend nötigen Schulbau und die 71 geplanten Bauprojekte müssen wohl im Stadtgebiet in Summe hunderte Bäume weichen.

Der Konflikt läuft mitten durch die Stadtgesellschaft, aber eben auch mitten durch die grüne Partei – wie der Disput um die Errichtung von Modulbauten am Venloer Wall am Grüngürtel beispielhaft zeigt. In das Interim in der Innenstadt, das dort eingerichtet werden soll, sollen nacheinander sechs Innenstadtschulen einziehen, während ihre Stammschule der dringend nötigen Sanierung unterzogen wird.

Bäume und Spielfläche müssten weichen

Der Haken: Dafür müssen Bäume und ein Teil Spielfläche der Kinder von zwei Kitas weichen. Eine Bürgereingabe unter dem Titel „Stopp des Bauvorhabens auf dem Außengelände zweier Kindertagesstätten in der Kölner Innenstadt“ hatten protestierende Kita-Eltern eingereicht. Die Verwaltung wollte dieser nicht folgen und empfahl den politischen Vertretern in ihrer Beschlussvorlage, das Ansinnen abzulehnen. Die beiden Interimstandorte würden für die sechs dringend erneuerungsbedürftigen Schulen zwingend benötigt. Daher sei es unabdingbar, die Fläche am Venloer Wall zu nutzen. Es gehe um die Sicherung von 700 Schulplätzen und um 120 neuen Schulplätzen.

„Verheerendes Signal“

Die Grünen in der Bezirksvertretung Innenstadt – obwohl Teil der Ratsmehrheit – überzeugte das nicht. Sie stimmten – bei einer Enthaltung – gemeinsam mit Linken und Klimafreunden gegen den Beschlussentwurf der Verwaltung. CDU, SPD und FDP stimmten dafür. „Ein verheerendes Signal für das Thema Schulplätze“, ätzte der schulpolitische Sprecher der SPD, Oliver Seeck. Die Grünen redeten mit „gespaltener Zunge“. Schließlich propagiere dieselbe Partei im Schulausschuss die absolute Priorität von Schulbauten.

„Das Lied der Alternativlosigkeit“

Dabei hat die BV Innenstadt nicht einfach nur dagegen gestimmt: Sie stimmte auch deshalb dagegen, weil aktuell noch ein Alternativvorschlag zu dem Gelände am Venloer Wall aufgetaucht war: Der sieht vor, stattdessen auf der Vogelsanger Straße einen Interimsbau zu errichten. Und zwar auf dem Abschnitt, der den Grüngürtel schneidet und der in den letzten Monaten ohnehin schon ganz oder in Teilen gesperrt war.

Die Fläche sei ausreichend groß für eine vierzügige Grundschule und hervorragend angebunden, erläuterte Reinhold Goss, von dem der Vorschlag kam. Der ehemalige Sprecher der Stadtschulpflegschaft und derzeitige Fahrradbürgermeister begründete, dass die Vogelsanger Straße verkehrlich keine besondere Bedeutung habe. Der Rad- und Fußgängerverkehr könne gut über den parallel verlaufenden Weg am Albrecht-Dürer-Platz abgewickelt werden. Ihn störe, dass hier wieder „das Lied der Alternativlosigkeit“ gesungen werde. Zu einem entsprechenden Dringlichkeitsantrag konnten sich die Grünen allerdings nicht durchringen.

„Emotionale Diskussion“

Im Beschwerdeausschuss, wo die Bürgereingabe zum Stopp der Pläne am Venloer Wall erneut zur Abstimmung stand, änderten die Grünen dann ihr Abstimmungsverhalten: Sie stimmten geschlossen gegen das Anliegen der Bürgerpetition und für die Interimsplanung am Venloer Wall. Es war eine heftige und emotionale Diskussion im Ausschuss. Die gesamte Führungsriege der Verwaltung von der Leiterin des Schulentwicklungsamtes Anne Lena Ritter bis zur Chefin der Gebäudewirtschaft Petra Rinnenburger war gekommen, um von der Alternativlosigkeit des Eingriffs am Venloer Wall zu überzeugen.

Die Verwaltung habe glaubwürdig dargelegt, dass zahlreiche Standorte intensiv geprüft worden seien und es keine Alternative gebe, begründete Bärbel Hölzer die Kehrtwende der Grünen. Und schließlich habe es ja auch schon Abstriche am Eingriff in die Natur gegeben: Die Pläne waren nach den ersten Protesten nochmal nachjustiert worden: Auf einen Teil der gesetzlich geforderten Lehrerparkplätze wurde verzichtet, die Zahl der zu fällenden Bäume wurde verringert. Es sei auch bei Ortsterminen um jeden Baum gerungen worden. Die Schaffung von Schulplätzen sei eine zwingend notwendige Aufgabe.

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Wichtig sei aber, dass die Verwaltung künftig früher das Gespräch mit denen suche, die vor Ort von den Eingriffen betroffen seien. „Die Eltern der Kita-Kinder haben sich nicht mitgenommen gefühlt“, kritisierte Hölzing. Sie habe allerdings den Eindruck, dass der Stadtverwaltung – auch angesichts ähnlich gelagerter Proteste an anderen Standorten - inzwischen klar geworden sei, dass „sorgsamer, besser und früher kommuniziert werden muss“.

Denn für die Stadt sind solche Konflikte und auch die Änderungen teuer und zeitintensiv. Allein die Umplanung am Venloer Wall und die Änderung des Bauantrags kosten nach Angaben von Rinnenburger voraussichtlich eine Million Euro. Vor allem aber verzögerten die Unruhen den Bau der so dringend nötigen Gebäude.

Die Stadt selbst erklärte, dass man aus den Protesten gelernt habe. So will man nun das Verfahren ändern: Für das zweite große Schulbaupaket solle der Punkt Nachhaltigkeit vorgezogen werden, um nicht am Ende wieder höheren Aufwand, höhere Kosten und Zeitverzögerungen zu riskieren, erklärte Rinnenburger.

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