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Schulplatzmangel in Köln„Ich verstehe die Enttäuschung von Eltern und Kindern“

Lesezeit 8 Minuten
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Anne Lena Ritter, Leiterin des Kölner Amts für Schulentwicklung.

  • Anne Lena Ritter leitet seit einem Jahr das Amt für Schulentwicklung. Im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger spricht sie über Bildung in Corona-Zeiten und den Schulplatzmangel in Köln.
  • Bei der digitalen Ausstattung hat die Pandemie für einen Schub gesorgt. Bis Ende des Jahres sollen alle Kölner Schulen mit Breitband-Anschlüssen ausgestattet sein.
  • Die fehlenden Schulplätze und die Art der Vergabe sorgen bei den Eltern für große Verärgerung. Ritter befürchtet auch für die Grundschulen zunehmend Engpässe und erläutert, wie der Schulbau jetzt beschleunigt werden soll.

Köln – Frau Ritter, als Sie sich für den Wechsel von der Schulaufsicht des Landes in die Stadtverwaltung entschieden haben, gab es Corona noch nicht. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz des ersten Jahres aus?

Ich bin jetzt seit einem Jahr Krisenmanagerin. Das war so nicht geplant. Es stehen gewaltige Aufgaben an – etwa beim Schulbau und beim Ausbau des Ganztagsangebots. Doch Corona hat alles überlagert. Jetzt nach genau einem Jahr hat die Zahl der Maßnahmen im Rahmen des Krisenmanagements tatsächlich ihren Höhepunkt erreicht. Dass innerhalb einer Woche aus Distanz- ein Wechselunterricht und gleich wieder Distanzunterricht wurde, gab es vorher noch nie. Hier sind wir als Schulträger mit stetig neuen Maßnahmen gefordert.

Wie ist Ihre persönliche Meinung zum Thema Schulschließungen?

Erst einmal ist es wichtig, dass das Land den Schulen durch den neuen Schwellen-Inzidenzwert von 165 Planungssicherheit gibt. Man muss aber auch sehen: Schulen sind keine Corona-Hotspots. Wenn man nachweisen kann, dass sich in den Schulen weniger Menschen anstecken als im Schnitt der Bevölkerung, finde ich es richtig, die Schulen soweit es geht offen zu halten – zumal dieser Ausnahmezustand ja schon viele Monate andauert.

Für die Betroffenen ist nicht immer klar, wer für was die Verantwortung trägt. Die Stadt muss ausbaden, was auf Landesebene in Sachen Corona nicht gut läuft. Wie sehen Sie das?

Ich möchte gegenüber meinem alten Arbeitgeber kein Bashing betreiben, muss aber zugeben, dass ich sehr stolz darauf war, in diesem Jahr bei der Stadt Köln beschäftigt zu sein. Durch die Pandemie ist die Aufgabenteilung verschwommen: Für das Testen und Impfen sowie für die Beschaffung der digitalen Endgeräte haben wir als Stadt uns gleichermaßen verantwortlich gefühlt wie das Land. Da war der Konflikt sehr groß, wer die Beschaffung übernimmt. Wir haben versucht, als Kommune im Rahmen unserer Möglichkeiten zu unterstützen. Beispielsweise indem wir Gurgeltests für Lehrkräfte angeboten haben, aber eben auch die gepoolten PCR-Tests an Schulen, den so genannten Lolli-Tests. Diesbezüglich sind wir uns mit dem Land noch nicht einig, wie das weiter gehen soll.

Hat die Pandemie auch positive Entwicklungen befördert?

Sie war ein unglaublicher Motor für die digitale Ausstattung. Wir haben es geschafft, in diesem Jahr die Zahl der digitalen Endgeräte für Schülerinnen und Schüler zu verdreifachen.

Trotzdem hakt es gerade bei dem Thema noch. Längst nicht alle Schulen sind schon bedarfsgerecht ausgestattet. Warum dauert es so lange, gleiche Bedingungen zu schaffen?

Mir ist bewusst, dass da noch viel zu tun ist. Wir brauchen eine langfristige Ausstattungsstrategie, die die unterschiedlichen Bedarfe an den Schulen berücksichtigt und für die Schulen verlässlich ist. Dazu arbeiten wir gerade mit einem externen Beratungsunternehmen unter Beteiligung von Politik, Schulleitungen und Eltern an einem Medienentwicklungsplan. Wir müssen die Maßnahmen planen, aber auch den Zeitplan mit einer Priorisierung. Alle gleichzeitig zu versorgen, ist nicht möglich und der Situation an jedem Schulstandort einen andere. Mir ist wichtig, den Schulen da Transparenz und Verlässlichkeit zu geben: Also immer zu kommunizieren, was die betreffende Schule im kommenden Jahr erwarten kann und was aufgrund begrenzter Ressourcen noch Zeit braucht.

Viele Schulen haben mittlerweile eine ausreichende Zahl an digitalen Endgeräten. Aber wenn die in großer Zahl genutzt werden, bricht das WLAN zusammen…

Die WLAN-Ausstattung an allen Schulen soll in der ersten Jahreshälfte 2021 abgeschlossen sein. Ob das WLAN dann schon an allen Standorten für die Anzahl der Geräte tragfähig ist, kann ich nicht in Gänze versichern. Es muss aber unser Ziel sein. Wir müssen dringend auch die Rahmenbedingungen für die Nutzung der Endgeräte verbessern. Dazu gehört neben einem besseren WLAN auch die Erhöhung der Supportstunden für die Schulen durch Netcologne und IT-Administratoren. Zudem arbeitet das Amt für Informationsverarbeitung daran, dass bis Jahresende alle Schulen über Breitband verfügen.

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Für großen Ärger sorgt in diesem Jahr wieder das Anmelde- und Vergabeverfahren an den weiterführenden Schulen, weil es zu wenige Schulplätze in Köln gibt. Nun sind Sie erstmals mitverantwortlich für die Misere. Was sagen Sie den betroffenen Eltern, die ihre Stadtverwaltung fragen, warum sie es nicht hinbekommt, eine Pflichtaufgabe zu erfüllen?

Ich verstehe die Enttäuschung bei Eltern und Kindern. Wir müssen als Schulträger nun weiter versuchen, schnellstmöglich neue Schulplätze in den Stadtbezirken zu schaffen, wo diese gebraucht werden. Da haben wir vielfältige Ideen und neue Wege, die wir gehen möchten. Wir wollen vorgezogene Starts von neuen Schulen ermöglichen, Starts zum Beispiel in Büroimmobilien. Wir versuchen, den Schulbau durch neue Wege zu beschleunigen. Etwa durch eine Schulbaugesellschaft oder durch mehr Maßnahmenpakete in Zusammenarbeit mit privaten General- und Totalunternehmern. Alleine im Bereich „Neubau, Erweiterungsbau und Generalinstandsetzung“ werden in diesem Jahr 372 Millionen Euro für Großbauprojekte im Schulbau bereitgestellt. Über den schnelleren Weg der Beauftragung von General- oder Totalunternehmern (GU/TU) wurde 2020 ein zweites Sonderprogramm beschlossen – das größte Schulbauprogramm in der Geschichte der Stadt Köln mit einem Gesamtvolumen von rund 1,7 Milliarden Euro.

Warum dauern diese Prozesse so lange? Die Kinderzahlen sind doch seit zehn Jahren bekannt. Trotzdem haben 1300 Schüler eine Ablehnung bekommen – manche sogar mehrere. Warum ist es in einer öffentlichen Verwaltung nicht möglich, absehbare Entwicklung in den Griff zu bekommen. Haben wir ein Bürokratieproblem?

Es ist in der Tat so, dass es vielfältigen Abstimmungsbedarf und Schnittstellenproblematiken gibt: An einem Schulbau sind insgesamt 12 Dienststellen beteiligt. Hier müssen durch strategische Entscheidungen Abstimmungen beschleunigt werden. Das zweite Problem ist das Flächenproblem bei gleichzeitiger großer Flächenkonkurrenz in der Stadt: Bei der Akquise von Flächen sind wir aber schon ein großes Stück weiter gekommen.

Für Sie ist das wahrscheinlich besonders bitter: Sie sind ein Jahr im Amt und ausgerechnet in diesem Sommer wird keine einzige Schulerweiterung oder neue Schule eröffnet werden. Können sie den Eltern von jetzigen Drittklässlern zusagen, das wird im nächsten Jahr anders sein?

Für das kommende Jahr dürfen wir mit weiteren Fertigstellungen rechnen. Ich bin optimistisch, dass wir zu einer Verbesserung der Situation kommen. Aber auch in den kommenden Jahren wird es noch so sein, dass es Schülerinnen und Schüler gibt, die nicht an ihrer Wunschschule beschult werden können.

Der zweite große Kritikpunkt ist ja die Vergabe der Plätze per Los. Begründet wird das von Seiten der Schulleitungen mit der Rechtssicherheit. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Schulleiter keine Lust mehr auf quengelnde Eltern hatten. Das Verfahren führt jedoch immer zu Frust und Enttäuschung. Sehen Sie eine Chance, wieder ein faires Verfahren durchzusetzen, bei dem nicht gelost wird, sondern Kriterien wie die Schulweglänge entscheidend sind?

Wir können als Schulträger keinen Einfluss darauf nehmen, ob in einer Schule gelost wird. Außerdem kann ich nicht für Verfahrensänderung werben, wenn ich den Schulen da als Schulträger kein besseres Angebot machen kann, was die Schulplätze betrifft.

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Bislang gibt es die massiven Engpässe bei den Plätzen vor allem an weiterführenden Schulen. Nun verschärft sich die Lage auch bei den Grundschulen. Wird demnächst auch da gelost?

Für die Grundschulen gilt weiterhin das Prinzip kurze Beine kurze Wege. Der Schulweg ist im Verfahren ein entscheidendes Kriterium. Aber es wird angesichts von Platzknappheit auch für Grundschulleitungen immer schwerer, das Verfahren rechtssicher zu gestalten. Auch hier gibt es vermehrt Widersprüche und Klageverfahren. Wenn auch für die Grundschulen das Schulplatzangebot bei steigenden Schülerzahlen immer knapper wird, kann ich es Schulleitungen nicht verübeln, wenn sie sich mit ihrer Schulkonferenz, in der neben Lehrkräften auch Eltern vertreten sind, für das Losen entscheiden würden. Ich gehe aber davon aus, dass man in vielen Grundschulen weiter versuchen wird, bei den Kriterien Geschwisterkinder und Schulweglänge zu bleiben.

Perspektivisch fehlen in Köln 30 Grundschulen und schon dieses Jahr gab es einzelne Familie, bei denen weder Erst- noch Zweitwunsch erfüllt werden konnte. Das heißt, es wird kleine Kinder geben, die jetzt von ihren Eltern mit dem Auto in ein anderes Veedel gebracht werden. Was sagen Sie besorgten Eltern, die jetzt Kinder im Kita-Alter haben und um einen Schulplatz für sie bangen?

Es bleibt dabei: Wir möchten als Schulträger ein wohnortnahes Angebot machen. Auch bei den Grundschulen schauen wir, was wir beschleunigen können. Auch hier wollen wir neue Schulen vorzeitig starten lassen. Wir sind gerade sehr kreativ dabei neue Räumlichkeiten aufzutun.

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