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SchulplatzvergabeIst nur noch die Schulplatztombola „rechtssicher“?

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Nur ein Losverfahren garantiere Rechtssicherheit bei der Vergabe von Schulplätzen, meint die Stadt Köln.

Köln – Das Argument hat Wucht: Rechtssicher müsse es zugehen, sagt die Stadt den Eltern auf der Suche nach Schulplätzen. Nur ein Losverfahren bei der Vergabe der begehrten Plätze an Gymnasien, Gesamtschulen und Realschulen garantiere Rechtssicherheit. Das vermittelt den Eindruck, dass es gar keine Alternativen mehr zur Schulplatztombola gibt. Schulleiter würden sonst vor Gericht verklagt.

Die Schulpolitiker im Stadtrat haben sich den Eltern, die keine Schulplatzlotterie mehr wollen, angeschlossen. Sie fordern ein faires Verfahren bei dem die Wohnortnähe der Schule wieder ein gewichtiges Auswahlkriterium sein soll. Doch die angesprochenen Staats- und Stadtbediensteten reagieren nicht - wegen der angeblich fehlenden „Rechtssicherheit“.

Keine Belege für angebliche Klageflut

Schulleiterinnen und Schulleiter verweisen auf die Erfahrungen der vergangenen Jahre. Immer mehr Eltern abgelehnter Kinder würden sie verklagen. Deshalb müssten sie losen. Will man der Frage nachgehen, wie häufig so etwas vorkommt, wird die Recherche mühsam. Stadt und Bezirksregierung geben keine Antwort auf die Frage nach der Zahl solcher Prozesse. Und auch die Anwälte, die sich um Schulplatzvergaben kümmern und Eltern als Mandanten gewissen wollen, zögern bei der Antwort. Könnte es sein, dass es deutlich weniger Fälle gibt, als in der aktuellen Debatte suggeriert wird?

Christian Birnbaum, einer bei diesem Thema sehr präsentesten Rechtsanwälte, sagt, dass er ehrlich antworten will. In wie vielen Fällen ist er im vergangenen Jahr für Eltern abgelehnter Kinder vor ein Verwaltungsgericht gezogen? Etwa zehn seien es gewesen – und zwar in ganz Nordrhein-Westfalen. In der aktuellen Debatte fordern die vom Mangel betroffen Familien, dass wieder inhaltliche Kriterien wie die Länge des Schulwegs mitentscheiden müssen.

Rechtssichere Alternativen zum Losverfahren

Frage an den Anwalt: In wie vielen Fällen ist er in den vergangenen Jahren vor Gericht erfolgreich gewesen, wenn es um den Schulweg ging? Antwort: In keinem. Sein Kollege Felix Winkler, an den sich in der aktuelle Lage viele Eltern aus dem Stadtbezirk Lindenthal gewandt haben, spricht von einem Fall, wo sich ein Schulleiter bei der Schulweglänge vermessen habe. Das klingt nicht nach einer Klageflut.

Für neuen Zündstoff in der aktuellen Debatte sorgte zuletzt die Bezirksregierung, als sie aus der Verteidigungslinie der Kritisierten ausscherte: Das Losen solle nur das letzte Mittel sein. Sie widersprach auch der Behauptung, dass mittlerweile alle Schulen, die mehr Anmeldungen als Plätze haben, die Lostrommel einsetzen. Es gebe immer noch Schulen, die alle vom Gesetz benannten inhaltlichen Kriterien zur Platzvergabe anwenden.

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Auch die Schulweglänge oder das von vielen völlig vergessene, aber sinnvolle Auswahlkriterium, das Kinder von nahegelegenen Grundschulen bevorzugt werden, spiele noch eine Rolle. Welche Schulen so handeln, sagt die Bezirksregierung nicht. Zweifel an der "Rechtssicherheit" solcher Kriterien hat die Schulaufsicht aber offensichtlich nicht.

Gerichtsurteile der vergangenen Jahre

Wenn Eltern mit Rechtsanwälten für die Annahme an einer Wunschschule kämpfen, würde man alle Aspekte prüfen und Fehler suchen, sagen Birnbaum und Winkler. Oft gelinge schon vor einem Gerichtsprozess eine gütliche Einigung. Auf die Frage nach erfolgreichen Prozessen aus dem vergangenen Jahr nennen beide den Streit um Ablehnungen am Humboldt-Gymnasium. Aber auch da ging es nicht um angeblich komplizierte inhaltliche Kriterien. Die Eltern bekamen Recht, weil die Schule bei der Entscheidung über fünf Härtefallregelungen einen Formfehler begangenen hatte: Der Schulleiter hatte die Entscheidung an einen Lehrer delegiert.

In einem Fall aus dem Jahr 2018 bekamen Eltern nachträglich einen Schulplatz am Erich-Kästner-Gymnasium, weil die Schule der Vorgabe von Stadt und Bezirksregierung nicht umgesetzt hatte, grundsätzlich ein Kind pro Klasse mehr aufzunehmen. Beide Fälle taugen nicht als Belege dafür, dass es keine Alternativen zum Losen gibt. Man müsse nicht losen, sagt auch Rechtsanwalt Birnbaum. Die Vergabe von Schulplätzen zum Beispiel über die Schulweglänge ließe sich durchaus „rechtssicher“ durchführen. Das sei „ganz easy“.

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