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Schwere Vorwürfe gegen die PolizeiDritter Freispruch für Kölner CSD-Teilnehmer

Lesezeit 3 Minuten
Der Ort der Festnahme im Juli 2016 am Rande des CSD: die Ecke Marzellenstraße/Trankgasse

Der Ort der Festnahme im Juli 2016 am Rande des CSD: die Ecke Marzellenstraße/Trankgasse

  • Im Juli 2016 war ein Polizeieinsatz in der Marzellenstraße eskaliert. Ein 25-jähriger CSD-Teilnehmer soll Polizisten geschlagen und beleidigt haben.
  • Der Angeklagte war schon vom Amtsgericht und Landgericht freigesprochen worden. Doch darauf wollte es die Staatsanwaltschaft nicht beruhen lassen.
  • Außerdem wird inzwischen gegen Polizisten wegen mehrerer Straftaten im Amt ermittelt.

Köln – Von dem Vorwurf, ein damals 25-jähriger CSD-Teilnehmer habe im Juli 2016 Polizisten geschlagen, getreten und Widerstand gegen seine Festnahme geleistet, blieb auch im Revisionsverfahren nichts übrig: Nach einem denkwürdigen Prozess samt zweier Freisprüche, einem Richter, der sagte, er schäme sich für diesen Staat, Berufungen, Revisionen und dem Verdacht mehrerer Straftaten von Polizisten stand am Dienstag vor dem Oberlandesgericht ein Freispruch für den Angeklagten.

Lediglich der Beleidigung habe sich der Angeklagte Sven W. schuldig gemacht. Sie falle aber nicht derart ins Gewicht, um ihn dafür zu bestrafen – schließlich hätten auch die Polizisten den Angeklagten beleidigt.

Richter wollte keine erneute Revision

Der Richter am Oberlandesgericht berichtete, dass er mit seinem Team versucht habe, sich ohne eine erneute Revision zu einigen, damit aber an der Staatsanwaltschaft gescheitert sei. „Warum mit dieser Vehemenz? Wir sind auch der Meinung, dass diese Revision nicht hätte stattfinden dürfen“, sagte eine Beisitzende Richterin.

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Die Verhandlung am Dienstag hatte ein episches juristisches Vorspiel, das für ein bundesweites Medienecho gesorgt hatte, nachdem anfangs nur der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und wenig später auch die „ARD"-Sendung „Panorama“ berichtet hatten. Schon vor dem Kölner Amtsgericht hatte sich herausgestellt, dass ein Routineeinsatz am Rande des CSD möglicherweise derart eskaliert war, dass Polizisten Straftaten im Amt begangen hatten. Nach dem Freispruch der Amtsrichterin ging die Staatsanwaltschaft in Berufung – Der Richter am Landgericht sprach Sven W. nicht nur von allen Vorwürfen frei, sondern belastete mehrere Polizeibeamte schwer. In seiner Urteilsbegründung hatte Thomas Quast sich bei Sven W. entschuldigt und gesagt, er schäme sich für diesen Staat.

„Staat hat einen miesen Eindruck hinterlassen"

Quast war am Dienstag zugegen, als der Oberlandesrichter sein Urteil bestätigte – mit der Einschränkung des Straftatbestands der Beleidigung. Quast hatte den Angeklagten mit der Begründung der wechselseitigen Beleidigungen von dem Vorwurf freigesprochen. Sein Kollege sah die Beleidigung als erwiesen an – aber eine Bestrafung als nicht angemessen.

„Der Prozess hätte längst beendet sein können, wenn der verlängerte Arm der Polizei nicht mittels der Staatsanwaltschaft durchgegriffen hätte“, sagte der Investigativjournalist Günter Wallraff, der den Prozess von Beginn an begleitete. „Der Angeklagte wurde über dreieinhalb Jahre stigmatisiert und hat dadurch große psychische Probleme bekommen. Ich weiß nicht, ob es das gleiche Urteil gegeben hätte, wenn nicht eine kritische Öffentlichkeit so stark Anteil genommen hätte.“

Bernhard von Grünberg, Landtagsabgeordneter a.D. (SPD), der das Verfahren ebenfalls beobachtete und sich für eine Polizistin engagiert, die zwei ehemalige Kollegen schwer belastet hatte, sagte: „Der Staat hat in diesem Verfahren einen miesen Eindruck hinterlassen. Polizei und Staatsanwaltschaft haben den Eindruck der Kumpanei geweckt. Noch skandalöser ist freilich, dass es nach dreieinhalb Jahren und dem Verdacht von zahlreichen Straftaten von Polizisten noch keine Anklage gegen die Beamten gibt.“

Ermittlungen gegen Kölner Polizisten

Jura-Professor Matthias Jahn sagte gegenüber dem „WDR“ gar, der Fall hätte bei Ermittlungen in alle Richtungen gar nicht vor Gericht landen müssen. Die dreimaligen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft kritisierte er scharf: „Es scheint, dass bei der Staatsanwaltschaft der Eindruck vorherrscht, dieses Urteil dürfe auf keinen Fall rechtskräftig werden.“ Rechtskräftig ist das Urteil seit Dienstag. Der Fall wird nachhallen. Die Öffentlichkeit wartet darauf, was aus den Ermittlungen gegen die Kölner Polizisten wird. Zwei von ihnen wird unter anderem schwere Körperverletzung im Amt vorgeworfen.

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