Security-Mann am Flughafen Köln-Bonn„Nach den Ferien fängt das Chaos erst richtig an“

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Sicherheits-Check-In am Flughafen Köln/Bonn (Symbolbild)

Sicherheits-Check-In am Flughafen Köln/Bonn (Symbolbild)

  • Andreas (Name geändert) arbeitet als Luftsicherheitsassistent am Flughafen Köln-Bonn.
  • Vor zwei Wochen hat der Familienvater im „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet, wie stressig der Job in der Passagierkontrolle zurzeit ist.
  • Jetzt meldet er sich erneut zu Wort und prophezeit: Das Chaos in den Sommerferien ist nur der Anfang: „Es wird noch heftiger.“

Köln – Die erste Woche der Sommerferien ist vorbei, und die Lage am Flughafen Köln-Bonn ist nach wie vor unberechenbar. Ich erlebe das so: In der einen Minute ist es noch ruhig, und auf einmal hast du die Hütte voll. So wie am Donnerstag: Da rollt plötzlich eine Welle an, die man nicht hat kommen sehen – und dann nicht mehr bändigen kann. Die nächsten sechs Stunden muss man stehen, ohne Pause, nicht mal die so genannten Entlastungsphasen gibt es zwischendurch. Ich weiß nicht, wie lange das noch gut gehen soll, wie lange wir die Sicherheit noch zu hundert Prozent gewährleisten können. Muss es erst eskalieren, damit sich etwas verbessert?

Kontrolle am Flughafen Köln: „Das macht müde im Kopf“

Personenkontrollen sind anstrengend: körperlich, weil man oft zum Abtasten der Knöchel in die Hocke gehen muss. Aber vor allem die Konzentration hochzuhalten ist anstrengend. Man muss sich immer zu hundert Prozent auf das fixieren, was man gerade tut. Wenn ich auf der Autobahn den Tempomat auf 90 einstelle, ist das ein relativ entspanntes Fahren. Aber wenn ich über längere Zeit 200 fahre, kriege ich einen Tunnelblick, dann gucke ich nicht mehr rechts und links, dann bin die ganze Zeit fokussiert. Und das müssen wir bei der Personenkontrolle auch sein. Das macht mit der Zeit müde im Kopf. Man muss sich zwischendurch erholen.

Was ich in den vergangenen Wochen festgestellt habe, ist, dass die Fluggäste überwiegend entspannter und besser vorbereitet zum Flughafen kommen. Aber sie kommen mit gemischten Gefühlen, irgendetwas zwischen Hoffen und Bangen: Klappt es heute oder nicht? Manche sind schon lange vor ihrem Abflug da. Aber ganz ehrlich: Was nützt es, vier Stunden vorher am Flughafen zu sein, wenn die Schalter der Fluggesellschaft erst zweieinhalb Stunden vor dem Abflug öffnen? Dann treibe ich mich im Terminal herum, warte eineinhalb Stunden für nichts, weil sich nichts tut. Wenn man dann neben seinem Gepäck noch kleine Kinder dabei hat, ist es schnell vorbei mit der Entspannung. Die Leute kriegen Stress – und diesen Druck lassen sie dann entweder am Check-In oder bei der Fluggastkontrolle ab.

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Ich versuche immer, alle Passagiere freundlich zu begrüßen und zu verabschieden. Viele sind sehr nett. Wenn jemand hektisch ist, sage ich: „Bewahren Sie bitte Ruhe, in der Ruhe liegt die Kraft.“ Auch wenn einer patzig wird, versuche ich, ruhig zu bleiben. Aber es gibt eine persönliche Hemmschwelle, da ziehe ich die Bundespolizei hinzu. Bei so etwas wie „Machen Sie mal schneller“ ist die Hemmschwelle noch nicht erreicht, aber wenn ich beleidigt werde, wenn jemand Gossensprache benutzt, mich „Arschloch“ nennt, dann muss ich mir das nicht antun.

Ich versetze mich aber auch in die Passagiere hinein. Ich kenne diesen Stress ja selber oder kriege es erzählt. Gerade jetzt in den Ferien stehen auch Freunde und Verwandte von uns in diesen Schlangen. Bei Maschinen, die in die Türkei gehen, ist das im Moment besonders krass. Die Passagiere müssen erst zum Check-In, da fehlt auch Personal, und sie warten zum ersten Mal. Danach stehen sie eine Stunde oder länger in der Security-Warteschlange und danach müssen sie noch zur Passkontrolle. Da sitzen zwei Mitarbeiter der Bundespolizei und müssen 400 Pässe auf einmal kontrollieren. Und auch das dauert wieder.

Flughafen Köln: „Nach den Ferien wird es noch heftiger“

Meine Kollegen und ich gönnen keinem Passagier, dass er dieser Qual bei der Abfertigung und der Sicherheitskontrolle ausgesetzt ist. Ich finde: Dass das im Jahr 2022 alles so abgewickelt wird, ist eines Landes wie Deutschland nicht würdig. Und ich bin mir leider sicher: Das wird in den nächsten Monaten nicht besser, im Gegenteil.

Das, was wir jetzt gerade am Flughafen Köln-Bonn erleben, ist nur die erste Welle, und zwar die harmlosere. Nach mehr als 15 Jahren Erfahrung in dem Job weiß ich: Wenn die ersten Ferienwochenenden vorbei sind, wird der Betrieb deutlich abflachen. Aber wenn die Ferien vorüber sind, dann kommt die heftigste Welle, die Nach-Ferien-Zeit. Das ist der richtige Schlag. Dann gehen bei uns viele Kolleginnen und Kollegen in den Urlaub, dazu kommen die Ausfälle wegen Überlastung. Aber das Passagieraufkommen wird hoch bleiben, nach den Ferien wollen die Singles reisen, die Älteren und die Familien mit Kleinkindern. Dann fängt das Ganze erst richtig an. Und die Herbstferien kommen erst noch.

140 Überlastungsanzeigen vom Sicherheitspersonal

In Köln/Bonn sind wir zurzeit etwa 540 Luftsicherheitsassistenten. Allein in den vergangenen beiden Wochen haben ungefähr 140 Kolleginnen und Kollegen Überlastungsanzeigen geschrieben und dem Betriebsrat übergeben, der hat die an den Arbeitgeber weitergeleitet. Ich finde diese Zahl erschreckend. Und sie wäre vermutlich noch höher, wären nicht viele von uns zurzeit im Urlaub oder fehlen eh schon wegen Überlastung. Der Arbeitgeber muss jetzt reagieren. Ich bin gespannt, wie. Diese Anzeigen sind ein Warnsignal: Wenn das hier alles so weitergeht, dann können wir unseren Job bald nicht mehr zu hundert Prozent ausführen.

Alle Beteiligten – der Flughafenbetreiber, die Bundespolizei, der private Sicherheitsdienst – hoffen jeden Tag, dass alles ohne große Zwischenfälle abläuft. Aber das ist doch kein Konzept. Mit Hoffen kann man doch keinen Flughafen führen. Das ist zum Scheitern verurteilt.  

Beschäftigte fordern Verstaatlichung der Sicherheit

Jetzt will man ja womöglich Verstärkung für das Personal holen, aus der Türkei zum Beispiel oder woher auch immer. Ich habe nichts dagegen, wir sind für jede Unterstützung dankbar. Aber diese Leute  müssen auch erstmal alle sicherheitsüberprüft werden, das dauert. Und es ist ein bisschen so wie bei dem Kinderlied „Ein Loch ist im Eimer“: Man kann das zwar immer wieder stopfen, aber das Loch bleibt nun mal da.

Was mir und den Kollegen Hoffnung macht, ist, dass es jetzt endlich eine große öffentliche Debatte über das Thema gibt. Dass auch in der Politik darüber diskutiert wird. Man spricht zum Beispiel über andere Modelle. Ich hoffe, dass man das Konzept der privatisierten Luftsicherheit wieder aufgibt. Ob man die Fluggastkontrollen so wie in Bayern künftig auch hier komplett verstaatlicht oder nur teilverstaatlicht, sei mal dahin gestellt. Aber klar ist: Die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden. Denn die Leidtragenden sind am Ende immer die Passagiere und die Beschäftigten.

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