Serie „Die Spezialisten“Kleidsam setzt auf individuelle Kleidung statt billiger Masse

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Auch aus Gardinen, Tischdecken und Postsäcken werden bei Kleidsam individuelle Kleidungsstücke gezaubert.

  • In der Kleider-Werkstatt Kleidsam werden karierte Hosen zu Mantelärmeln und Tischdecken zu Kleidern.
  • Wie sie sich an laufende Kundschaft gewöhnt hat und was ihren Laden besonders macht, erfahren Sie hier.

Der Begriff „Kleiderwerkstatt“ fängt bereits auf, was das Geschäft auch ist, aber er verrät noch nichts über die zwei Seelen, die in Amba Urbach häufig genug im Widerstreit stehen: Künstlerin sein zu wollen, die eigene Unabhängigkeit beizubehalten und trotzdem – wie sie sagt – „den Broterwerb wuppen“ zu können.

Klassische Ausbildung und künstlerische DNA

Letzteres gelingt der 51-Jährigen nicht zuletzt durch ihre enorm breite Ausbildung. Die gebürtige Aachenerin hat ganz klassisch im Krefelder Atelier Lauterbach das Damenschneider-Handwerk erlernt, danach in Florenz Modedesign studiert und schließlich noch in Düsseldorf Schnitttechnik gelernt. Bei allem, was sie machte, hätten ihre Eltern sie „unglaublich unterstützt“, betont Urbach.

Ihrem Vater, Verfahrenstechniker im Umweltschutz, verdanke sie zudem ihre pragmatische Seite, der Mutter, einer Künstlerin, ihre fantasievoll-schöpferische. „Von ihr habe ich gelernt, mit dem richtigen Auge zu sehen.“ Ihr Umzug aus dem alten Gutshof in Fühlingen, wo sie bis 2013 ihre Werkstatt hatte, in das schöne Ehrenfelder Eckgeschäft, erforderte eine gehörige Umstellung.

Hose wird zu Mantel

Plötzlich saß sie – für alle sichtbar – wie auf dem Präsentierteller und empfand eintretende Menschen mitunter als Störenfriede, die sie während ihres kreativen Prozesses behelligten. „Ich glaube, ich war anfangs nicht immer freundlich“, sagt sie rückblickend, was auch daran lag, dass sie den Blick auf das noch Unfertige ungerne freigibt. Inzwischen findet sie die hereinkommenden Menschen oft als ausgesprochen inspirierend und befruchtend. Es gebe Phasen, in denen sie sich ganz auf die Maßanfertigungen und somit die klassische Schneiderei fokussiere und dann wieder Wochen, in denen sich die Künstlerin in ihr austobe. Was mit dem sperrigen Wort „Upcycling“ umschrieben wird, kann bei ihr zum Beispiel so aussehen: Eine karierte Kinderhose wird zu Ärmeln eines Mantels, der Reversbereich stammt von einem Hochzeitsblazer, darunter ist ein Stück schwarze Strickjacke, das Schößchen ist ein Herrenhemd und der untere Mantelteil eine Hose.

Urbach verarbeitet besonders gerne Stoffe zu Kleidungsstücken, die ursprünglich eine ganz andere Daseinsbestimmung hatten: Holländische Tischdecken mit Delfter Muster, alte Gardinen oder Spitzen, Bettüberwürfe, Decken der Schweizer Armee und immer wieder alte Postsäcke. Mitunter gleicht ihre Materialsuche der Ausgrabungsarbeit eines Archäologen.

Kurse und Workshops

„Kleidsam“ ist Geschäft, Werkstatt, Atelier und zugleich der Gegenentwurf zu den üblichen Modetempeln. Es entspreche immer mehr dem Zeitgeist, sich Gedanken zu machen, sagt Urbach. Ihr Anliegen ist es, der Masse an schnelllebigen Billigprodukten individuelle Kleidungsstücke entgegenzusetzen, die nach der Umgestaltung mehr Qualität aufweisen aber auch eine selbstbewusste Trägerin erfordern.

Neben ihrer kreativen Arbeit unterstützt die 51-Jährige andere Frauen „und auch vereinzelt Männer“, selber produktiv zu werden. Weil ihre Näh-Kurse (vor allem abends) und Workshops immer schnell ausgebucht sind, ist eine frühzeitige Anmeldung ratsam.

Kleidsam Werkstatt für Kleider und Kostüme, Stammstraße 43, 50823 Köln, Telefon: 01 60-6 79 24 98. Öffnungszeiten: dienstags nach Vereinbarung, mittwochs bis samstags 11-18 Uhr.

www.kleidsam-koeln.de

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