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Skurrile NachbarschaftAfD und die Flüchtlingskoordination arbeiten in Köln Tür an Tür

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Hans-Jürgen Oster, Leiter der städtischen Flüchtlingskoordination

Köln – Haus Neuerburg zu Köln ist ein schönes denkmalgeschütztes Gebäude, vor knapp 100 Jahren erbaut von einem Zigaretten-Fabrikanten und Generalkonsul Griechenlands. Dennoch hatte Hans-Jürgen Oster, Leiter der städtischen Flüchtlingskoordination, gewisse Bedenken, als er Anfang 2016 mit seinem neu gegründeten Referat dort einzog, weil im Rathaus kein Platz mehr war. Denn direkt neben den Räumen, die ihm zur Verfügung gestellt wurden, befinden sich die Büros der Kölner AfD-Ratsmitglieder.

„Das sind eine Fraktion und eine Dienststelle, die man möglicherweise nicht nebeneinander unterbringen würde“, formuliert Oster zurückhaltend. Er habe sich dann aber gesagt: „Gucken wir uns das doch mal an.“ Wenn man Haus Neuerburg betritt, merkt man sofort: Hier gibts viel Publikumsverkehr. Was zum einen dem ebenfalls hier untergebrachten Standesamt geschuldet ist, zum anderen aber eben dem Flüchtlingsreferat. Im Foyer, in den Gängen, im Aufzug - überall trifft man Menschen, die nicht unbedingt so wirken, als wären ihre Familien schon seit Generationen im Rheinland ansässig gewesen. Wobei man sich nicht täuschen sollte: Sogar die Vorfahren des urkölschen Volksschauspielers Willy Millowitsch (1909-1999) kamen vom Balkan. Drittes Obergeschoss.

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Auf dem Hinweisschild steht: „Alternative für Deutschland. Fraktion im Rat der Stadt Köln. Raum 319, 320“. Und gleich darunter: „Referat Flüchtlingskoordination. Raum 322 bis 326“. Ein Foto von einem ähnlichen Schild draußen am Eingang hat kürzlich Fernseh-Autor Tommi Schmitt getwittert. Sein Kommentar dazu: „Ich möchte 1 Sitcom über dieses Haus.“

Einige WG-Elemente mit situationskomödiantischem Potenzial sind durchaus vorhanden: Die AfD-Politiker und die Flüchtlingskoordinatoren teilen sich eine Teeküche „und die sanitären Anlagen“, wie Oster es ausdrückt. Im Nachhinein findet er die Nachbarschaft gar nicht so schlecht: Im Fall der Fälle könne man das Informationsbedürfnis der AfD schnell befriedigen. So manches Thema habe sich auf diese Weise recht schnell erledigt. „Ein Kollege sagte mal: Die Stadt hat ja auch einen Bildungsauftrag.“ Im übrigen verhalten sich die Nachbarn unauffällig. „Hier läuft niemand mit Glatze und Springerstiefeln rum“, sagt Oster. Und auch wenn die AfD-Leute durchaus mal an Plakaten vorbei müssten, auf denen zum Beispiel um ehrenamtliche Flüchtlingshelfer geworben werde, hätten sie sich noch nie beschwert.

Stimmt das wirklich? Energisches Klopfen an der AfD-Tür. Abgeschlossen. Zweiter Versuch nebenan. „Ja, bitte!“ Drinnen steht AfD-Fraktionsreferent Matthias Büschges hinter dem Schreibtisch. Er versteht überhaupt nicht, was an der Koexistenz so Besonderes sein soll. „Das ist überhaupt kein Problem“, versichert er. „Wir arbeiten mit den Kollegen sogar zusammen. Wenn wir Fragen haben, dann unterhalten wir uns.“

Gibt es schon mal Feindseligkeiten? „Überhaupt nicht! Funktioniert alles einwandfrei - warum auch nicht?“ Dass das Referat im Dezember in „Amt für Integration und Vielfalt“ umbenannt wird und diese Bezeichnung dann direkt unter „Alternative für Deutschland“ stehen wird: Nein, auch dagegen hat er absolut nichts. Mehr noch: Die AfD kann sich in ganz Köln keinen schöneren Platz denken. „Wir fühlen uns hier richtig wohl und wollen hier nicht weg“, beteuert Büschges. Und wie zum Beweis zeigt er aufs Fenster - man solle doch bitte mal schauen: „Wir haben hier sogar Domblick!“ (dpa)

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