Skurriler Prozess in KölnMann fischt Gerhard Richters Kunst aus dem Müll

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Gerhard Richter

Gerhard Richter vor einem seiner Werke

  • Ist es Diebstahl, wenn man etwas aus dem Müll fischt? Diese Frage muss das Kölner Amtsgericht ab Mittwoch klären.
  • Allerdings in einem sehr konkreten Fall: Bei den Objekten aus der Altpapiertonne handelt es sich immerhin um künstlerische Skizzen eines der berühmtesten Maler der Gegenwart.
  • Der Kölner Künstler Gerhard Richter wird als prominenter Zeuge auftreten – in eigener Sache.
  • Die Hintergründe zu dem ungewöhnlichen Prozess.

Köln – Ein prominenter Name, ein höchst unglückliches Missgeschick und die Frage „Ist die Mitnahme von Müll Diebstahl oder nicht?“ beschäftigen am kommenden Mittwoch das Amtsgericht in einem ungewöhnlichen Prozess.

Einer der weltweit renommiertesten Künstler der Gegenwart, der in Köln lebende Maler Gerhard Richter (86), ist als Zeuge geladen. Und zwar in eigener Sache: Ihm wurden laut Anklage Entwürfe aus der Mülltonne gestohlen.

Sperrmüll an der Straße? Da lacht das Herz von Trödelhändlern, Bastlern und Schnäppchenjägern. Sie sind schnell zur Stelle, um das ein oder andere Teil dort einzusammeln. Wohlwissend, dass die Mitnahme von ausgemusterten Gegenständen rechtlich eine Grauzone sein kann. Denn nur der macht sich nicht strafbar, der Sachen mitnimmt, die „herrenlos“ sind. Was das heißt, darüber sind sich Laien und Juristen uneins. Es ist jedenfalls umstritten, was das bedeutet. Nach dem Gesetz ist ein Gegenstand dann herrenlos, wenn der bisherige Eigentümer den Besitz daran „dauerhaft“ aufgibt und keinen persönlichen oder ideellen Bezug mehr dazu hat.

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Also all jene, die dem maroden Bettgestell, der defekten Stehlampe oder dem Tisch mit den ramponierten Beinen keine Träne mehr nachweinen. Sie stellen die Sachen vor die Tür oder in die Mülltonne, und es ist ihnen egal, wer sich daran zu schaffen macht. Sie haben sich endgültig von ihrem Besitz verabschiedet und es interessiert nicht weiter, was damit geschieht. Wer sich in solchen Fällen als nachfolgender Besitzer an dem Müll erfreut, geht nach dem Gesetz straffrei aus.

Anders sieht es aus, wenn beispielsweise Dokumente, Geschäftspapiere, Briefe und persönliche Dinge im Müll landen. Derartiges wird vom Eigentümer mit dem Zweck in die Tonne gesteckt, ausschließlich von der Müllabfuhr entsorgt zu werden: „im Sinne einer Vernichtung“, wie es das Gesetz versteht. Der Eigentümer will die Dinge loswerden, aber nicht etwa in Form einer Aufgabe seines Eigentums, sondern zum Zweck der Eigentumsübertragung (Paragraf 929 BGB) an den Entsorgungsbetrieb. Das ist der feine und entscheidende Unterschied.

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Ein Beispiel: In Ravensburg hatte ein Maler seine Bilder an den Straßenrand zum Sperrmüll gestellt. Ein Nachbar nahm sich die Leinwände. Der Maler erfuhr davon, klagte auf Herausgabe – und verlor in erster Instanz vor dem Amtsgericht. Begründung: Der Künstler habe durch die Hingabe der Bilder wirksam auf sein Eigentum verzichtet und den Besitz daran aufgegeben. Das Landgericht Ravensburg entschied genau andersherum: Selbstgemalte Bilder haben für den betreffenden Künstler einen persönlichen Erklärungswert. Wenn er sie in andere Hände geben will, verkauft oder verschenkt er sie. Gibt er sie in den Müll, macht er damit deutlich, dass er sie dem Vermögens- und Rechtsverkehr entziehen will mit dem ausschließlichen Zweck der Vernichtung. Der Nachbar musste die Bilder an den Künstler herausgeben. (AZ 3 S 121/87)

Ein prominentes Beispiel für das Wühlen in der Mülltonne, der Frage nach Eigentumsaufgabe und Verwertungsverbot, ist nun der Fall vor dem Kölner Amtsgericht. Der Kölner Ehrenbürger Gerhard Richter, den die britische Tageszeitung „The Guardian“ zum „Picasso des 21. Jahrhunderts“ erhob, hatte für ein geplantes Werk mehrere Entwürfe gezeichnet und war damit nicht zufrieden. Weil er sie als „misslungen“ erachtete – so steht es in der Anklageschrift – warf er die Skizzen in den Papierkorb. Der Abfall landete dann in der Altpapier-Tonne, die pünktlich zum Abholtermin vor der Haustür des Künstlers in Hahnwald stand. Doch ein Passant war schneller als die Männer von den Abfallwirtschaftsbetrieben. Der Mann griff sich die Skizzen in Postkartengröße und versuchte, sie zu Geld zu machen. Der Anklage zufolge hatten ihm bereits Käufer für die Entwürfe die stolze Summe von 60 000 Euro geboten.

Wie Gerhard Richter davon Kenntnis erlangte, wie es zur Anzeige kam und in welcher Beziehung der Angeklagte zu dem prominenten Künstler steht, das wird im Prozess Gegenstand des Verfahrens sein. Der Angeklagte ist jedenfalls kein unmittelbarer Nachbar, sondern hat eine längere Anreise zum Prozess: Er wohnt im Bundesland Bremen.  

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