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Sommerhitze in KölnWie gefährlich ist es, im Rhein zu schwimmen? Ein Selbstversuch

Lesezeit 4 Minuten
Wie stark ist die Strömung im Rhein für einen geübten Schwimmer? Ein Selbstversuch mit Unterstützung des DLRG. 

Wie stark ist die Strömung im Rhein für einen geübten Schwimmer? Ein Selbstversuch mit Unterstützung des DLRG. 

  • Sobald die Temperaturen in Köln auf mehr als 30 Grad steigen, zieht es wieder viele Menschen in den Rhein.
  • Dass der Fluss durch die Strömung selbst an den wenigen erlaubten Badestellen hochriskant sein kann, belegen traurige Zahlen: Jedes Jahr ertrinken im Rhein Menschen.
  • Mit Hilfe des DLRG hat ein im Schwimmen geübter Reporter den Selbstversuch im Rhein gemacht, um zu testen: Wie stark ist die Strömung wirklich? Seine Erfahrungen hat er in einem Text und einem Video festgehalten.
  • Ein Artikel aus unserem Archiv.

Köln – Als die „Scenic Peal“ kommt, wird der Rhein unruhig. 135 Meter lang ist das Schiff, mehr als 11 Meter breit. Zwei 1250-PS-Motoren schieben den Kreuzfahrer langsam Richtung Köln, verdrängen hunderttausende Liter Wasser. An der Bugwelle erkennt Michael Janiszewski, dass es gleich brenzlig wird.

„Das Wasser geht schon zurück“, ruft der Rettungsschwimmer der DLRG, und ich merke, dass die Strömung an meinen Beinen immer stärker wird. Ganz plötzlich sinkt der Wasserstand am Ufer, ein deutliches Zeichen, dass das Schiff einen Sog erzeugt. Einen gefährlichen Sog: Gegen die Fließrichtung des Rheins werde ich immer weiter vom Ufer weggetrieben. Das Wasser verwirbelt, Wellen klatschen mir ins Gesicht. Sekunden später bin ich voll in der Strömung, schwimme dagegen an − und habe keine Chance, allein wieder ans Ufer zu kommen.

Best Of-Text

Dieser Artikel ist am 27. Juli 2013 im „Kölner Stadt-Anzeiger” erschienen. Im Rahmen unserer „Best Of”-Reihe veröffentlichen wir regelmäßig Klassiker aus unserem Archiv. 

Freitagmorgen auf dem Campingplatz „Rheinblick“ in Monheim: Der Himmel ist grau, der Campingplatz liegt verschlafen am Ufer der Aue. Eine Möwe fliegt kreischend über die Wohnwagen. Nur Michael Januszewski, sein Sohn Thorsten und Jil Köhler sind schon aktiv, lassen die „Heinrich Janes“ zu Wasser, ein kleines Boot der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft mit 25-PS-Motor.

Die ehrenamtlichen Helfer des Ortsverbandes Monheim unterstützen den „Kölner Stadt-Anzeiger“ beim Selbstversuch im Rhein. Immer wieder sterben Menschen im Fluss, weil sie die Gefahren unterschätzen.

Die DLRG rät grundsätzlich davon ab, im Rhein zu baden: zu riskant, zu unberechenbar. „Natürlich kann man drei Stunden schwimmen, ohne das etwas passiert“, räumt Michael Januszewski ein. Aber der Rhein sei nun mal kein Schwimmbad, man könne nie sagen, an welcher Stelle es gerade besonders gefährlich ist. Nicht selten ist bei den Schwimmern Alkohol im Spiel oder sie haben den ganzen Tag in der prallen Sonne verbracht. Dazu noch eine Prise Leichtsinn − im Extremfall eine tödliche Kombination.

Dabei kann man schon vom Ufer aus gut erkennen, dass sich der Fluss alle paar Minuten verändert. Zwischen den Kribben (künstlichen Landzungen) herrscht so genannte Kehrströmung, die gegen die Fließrichtung des Rheins läuft. Fährt ein Schiff vorbei, entstehen besonders am linken Kribbenkopf starke Wirbel, die Strömung nimmt innerhalb weniger Sekunden zu und wieder ab.

Der Weg ins Wasser ist glitschig und steinig, es fällt schwer, die Balance zu halten. Hier spürt man schon, wie sich das Wasser unter der Oberfläche bewegt. Nach wenigen Metern kann ich nicht mehr stehen, werde sofort von der Strömung mitgezogen. Wellen schlagen ans Ufer, es gluckert bedrohlich. Das Wasser verwirbelt, meine Hände werden von der Strömung einfach weggedrückt.

Grundsätzlich ist das Baden im Rhein erlaubt. Es gibt aber auf beiden Seiten des Stroms an mehreren Stellen Badeverbote, zum Beispiel im Bereich der Häfen. Zudem ist es auf der gesamten Flussbreite verboten, 100 Meter oberhalb bis 100 Meter unterhalb von Hafenmündungen, Brücken, Schiffs- und Fähranlegern, Schleusenanlagen, Umschlagstellen und Schiffsbauwerften ins Wasser zu gehen. Dazu kommen Badeverbote in sechs Naturschutzgebieten.

Die Untere Landschaftsbehörde weist darauf hin, dass in den Rheinauen Worringen-Langel, Langel-Merkenich, Flittard sowie im Langeler Auwald (rechtsrheinisch) und am Godorfer Hafen das bloße Betreten der Uferbereiche und auch das Anlanden mit Wasserfahrzeugen nicht gestattet ist. Die Bereiche seien im Landschaftsplan vor allem wegen noch vorhandener naturnaher Auenbereiche mit Resten des Silberweidenwaldes, Röhricht- und Hochstaudenbeständen sowie Schlamm- und Kiesbänken und der Abgeschiedenheit als Refugium für gefährdete Vogelarten unter Schutz gestellt. Das Naturschutzgebiet Godorf zeichne sich durch seine Artenvielfalt auf einer ehemaligen Kiesaufschüttungsfläche aus. (bls)

Sekunden später bin ich aus dem vermeintlich geschützten Bereich zwischen den Kribben raus und treibe ab. Das rettende Ufer entfernt sich immer mehr, die Kraft schwindet schnell, die Arme werden lahm. „Im Ernstfall kommt spätestens dann Panik auf“, weiß DLRG-Retter Thorsten Januszewski. In wenigen Sekunden bin ich knapp 200 Meter abgetrieben. Ich hebe die Hand aus dem Wasser, das vereinbarte Zeichen für die Helfer. Thorsten Januszewski steuert das Boot auf mich zu. Ich halte mich an der Reling fest und lasse mich ans Ufer ziehen.

Heute passen die Retter der DLRG auf, für den Notfall bin ich zudem mit einer Schwimmweste ausgestattet. Wer untergeht, bevor DLRG, Feuerwehr oder Polizei kommen, hat kaum eine Chance. Die Leichen werden erst viele Kilometer rheinabwärts wieder angespült.

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