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Köln KellerUnter der Kölner Uni schlummert ein vergessener Stollen

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Der Stollen unter der Kölner Universtität.

Der Stollen unter der Kölner Universtität.

Köln – Als Arbeiter Anfang der achtziger Jahre ein Loch in die Wand im Keller der Universität schlugen, hatten sie ein Erlebnis wie die Archäologen, die im ägyptischen Tal der Könige das Grab des Tutenchamun öffneten: Sie spähten ins Dunkle und entdeckten Gold.

Einen Unterschied gab es aber doch: Während die einen das Gold der Pharaonen fanden, entdeckten die anderen schwarzes Gold. Unter dem Foyer des Hauptgebäudes stießen sie auf einen vergessenen, aber vollständig ausgestatteten Bergwerksstollen aus dem Steinkohlebergbau mit funktionierenden Maschinen.

Erste und einzige Expedition

Der Schein ihrer Lampen fiel auf kohleglänzende Wände, hölzerne und stählerne Stützen und Bohrhämmer. Vorsichtig den Schienen auf dem Stollenboden folgend, entdeckten die Teilnehmer der ersten und einzigen Expedition unter dem Hauptgebäude der Uni eine Schüttelrutsche, eine Lore und in einem Nebengang sogar einen Schacht mit Förderkorb. Es sah aus, als hätten die Kumpel gerade erst ihr Werkzeug aus der Hand gelegt und stünden jetzt irgendwo in der Waschkaue.

Das vergessene Bergwerk war echt und doch nicht echt. „Alle diese Maschinen sind gelaufen und stammen aus der Produktion“, sagt Peter Jäckel (75), der den Stollen heute betreut. Aber der Stollen an sich war ein Kulissenzauber. Wie die Nachforschungen ergaben, war das Bergwerk in den dreißiger Jahren beim Bau der Universität geschaffen worden, um den Studierenden die Arbeit unter Tage zu veranschaulichen.

Ein Kleinod der Bergbaugeschichte

Damit das Bergwerk der Wirklichkeit möglichst nahe kam, war der Essener Maler und Grafiker Franz Holl in verschiedene Gruben eingefahren und hatte dabei Zeichnungen von typischen Situationen unter Tage, von Arbeitsgeräten und Stützvorrichtungen, von Förderbändern und Sicherheitseinrichtungen gemacht. Nach seinem Entwurf und mit Hilfe seines Sohnes, der den Vater nach dessen Tod ablöste, entstand der Stollen, dessen Wände mit einer zwanzig Zentimeter dicken Steinkohleschicht aus dem Aachener Revier verkleidet wurden.

Nach seiner Wiederentdeckung fand der „Barbarastollen“, wie er nun nach der Schutzpatronin der Bergleute genannt wurde, in Prof. Claus Piekarski einen Förderer. Der Arbeitsmediziner, der auch medizinischer Direktor der Ruhrkohle war, sorgte für die Erhaltung des Stollens, der seitdem auch schon mal als Seminarraum für die Arbeitsmediziner genutzt wurde, lässt sich hier doch glaubwürdig nachempfinden, wie zehntausende von Kumpel in Deutschland zu einer Staublunge kamen.

„Der Stollen ist ein Kleinod der Bergbaugeschichte“, sagt Piekarski, der das museale Bergwerk mit weiteren Objekten wie einem „Mundloch“ ausstattete. Der Original-Eingang in einen Stollen war ihm von Bergleuten aus dem Erzgebirge zum Geschenk gemacht worden. Insgesamt entspricht der technische Stand heute dem der dreißiger bis sechziger Jahre.

„Viele halten einen Stollen für romantisch, aber der Bergbau war zu keiner Zeit romantisch“, sagt Jäckel. Der frühere technische Direktor der Universitätsverwaltung hat selbst in Aachen Bergbau studiert und kennt sich in der Sache bestens aus. Anschaulich berichtet er, wie die Bergleute auf den Knien hockend mit einem mehr als 30 Kilo schweren Bohrhammer die Kohle aus der Wand lösten, die dann von einem Einkettenförderer abtransportiert wurde. „Wegen der Explosionsgefahr wurden die meisten Geräte nur mit Pressluft betrieben“, erläutert Jäckel. Auch das Kölner System, das in den achtziger Jahren erneuert wurde, funktioniert heute noch.

„Der Bergbau war der Motor aller technischen Entwicklungen seiner Zeit“, sagt der Diplom-Ingenieur. Im rechtsrheinischen Kalk scheiterten die Ingenieure in Kölns einzigem echten Bergwerk allerdings trotz aller Technik am Grubenwasser. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dort ein Braunkohleflöz entdeckt und eine Konzession zum Abbau erteilt. Der Schacht entstand auf dem Gelände der heutigen Sünner-Brauerei an der Kalker Hauptstraße, doch musste der Standort schon zwölf Jahre nach Beginn der Arbeiten aufgegeben werden.

Das Schaubergwerk der Universität gibt auch Einblick in die Sicherheitsvorkehrungen unter Tage. So wurden als Stützen oft nicht etwa harte Hölzer wie Eiche oder Buche eingesetzt, sondern Fichte und Tanne, weil deren weiches Holz mit einem zeitigen Knacken verriet, wenn sich die Druckverhältnisse in der Wand ungünstig veränderten und der Einsturz drohte.

Jäckels Lieblingsstück ist die Signaltafel mit Anschlagsignal und Notalarmgerät, die beide sehr weittragende und tiefe Töne erzeugen. Mit ihnen wurden dem Maschinisten, der den Förderkorb bediente, Zeichen gegeben.

Ein Klingeln mit dem Anschlagsignal bedeutete „Halt“, der Doppelton „Auf“ und das dreifache Klingeln „Hängen“ (Bergmannssprache für „Abwärts“).

Das schnarrende Notsignal wies den Maschinisten an, den Korb sofort zu stoppen, wenn Gefahr drohte, etwa weil sich Material in dem Aufzugschacht verkantet hatte. Wenn Jäckel heute an der Strippe zieht, sorgt das ein Stockwerk darüber schon mal für ein Aufhorchen. Immerhin liegt der Stollen nur zehn Meter unter der Erdoberfläche.

Moderne Bergwerke reichen bis zu 1500 Meter tief, und die Bergleute brauchen Stunden, um an ihren Arbeitsplatz und wieder zurück zu kommen. In der Universität dauert es dagegen kaum eine Minute, bis man den Schutzhelm wieder ablegen und ins Sonnenlicht blinzeln kann.

Einmal im Jahr, in der langen Nacht der Museen, ist der Stollen auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Den Rest des Jahres schläft das akademische Bergwerk einen Dornröschenschlaf im Kohlenkeller.

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