Stadt Köln fördert Erdogan-KritikerDebatte um Bild mit Porträts von Regimekritikern

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Zülfikar

Der Kölner Künstler Ali Zülfikar 

Köln  – Als der Kölner Künstler Ali Zülfikar im Jahr 2018 ein Porträt des türkischen Präsidenten Erdogan zeichnete, in dessen Sonnenbrillengläsern sich ein weinendes Kind und das Konterfei des inhaftierten kurdischen Politikers Selahattin Demirtas spiegelte, während er selbst die Heilige Schrift in der Hand hielt, intervenierte das türkische Generalkonsulat. Es hielt das Bild für „ehrverletzend und herabwürdigend“. Die Ausstellung in Linz am Rhein wollte das Bild wegen Bedenken des dortigen Bürgermeisters nicht zeigen – das änderte sich, nachdem Zülfikar das Bild umgedreht an der Wand anbrachte und „Zensiert von der Stadt Linz“ auf die Rückseite schrieb.

Mann bedrohte Künstler vor der Haustür

Es folgte ein medialer Aufschrei. Das Bild durfte doch gezeigt werden, Der kurdische Künstler wurde in der Folge bedroht. Nicht allein mit den üblichen Hasstiraden im Internet – eines Tages stand ein Mann vor seiner Haustür und sagte ihm ins Gesicht, man beobachte ihn, er solle sich niemals zu sicher fühlen.

Am Mittwoch hat Zülfikar vor einem Werbeplakat an der Luxemburger Straße sein neues Kunstwerk vorgestellt, das schon im Vorfeld erneut Kritik provozierte: Das 3,60 mal 2,60 Meter große Bild zeigt – die Blicke voller Selbstvertrauen – präsidial im Vordergrund Selahattin Demirtas, den ehemaligen Co-Vorsitzenden der kurdischen Partei HDP; rechts ist mit nicht minder stolzem Blick der inhaftierte Kunstmäzen und Regimekritiker Osman Kavala zu sehen, links Demirtas‘ frühere Co-Vorsitzende Figen Yüksekdag.

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Bedenken von Integrationsratsmitgliedern

Neben den drei inhaftierten türkischen Oppositionellen sieht man eine Demonstrationsszene aus dem Istanbuler Gezipark aus dem Jahr 2013: Eine Frau in rotem Kleid, die ihr Gesicht wegdreht, weil ein Polizist ihr aus nächster Nähe Tränengas in die Augen gesprüht (und deren Bild zu einem Symbol der Proteste wurde) sowie ein Polizist mit Tränengasmaske.

„Ich möchte mit dem Bild eine Diskussion über die sofortige Freilassung von politischen Gefangenen in der Türkei weiterführen“, sagte Zülfikar, der an der Grenze zu Syrien aufgewachsen ist, bei der Präsentation des Bildes, das vom 5. bis zum 19. August in der Galerie am Brüsseler Platz ausgestellt wird.

Er erinnerte daran, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die sofortige Freilassung von Yüksekdag, Demirtas und Kavala gefordert habe, der sich Türkei bis heute widersetzt.

CDU-Politikerin und Linken-Politiker mal einig

„Bravehearts“ – der Titel von Zülfikars Projekt erinnere eher an den schottischen Freiheitskampf, sagte Bürgermeister Andreas Wolter (Die Grünen) vor dem Werbeplakat in der Nähe des Stadtarchivs. Die drei Porträtierten stünden für „Demokratie, Meinungsfreiheit und Vielfalt in der Türkei“. Das Bild Zülfikars sei auch „ein Aufschrei gegen das Vergessen“.

Serap Güler, Kölner Bundestagsabgeordnete der CDU, die in seltener Eintracht neben den Linken-Politikern Jörg Detjen und Hamide Akbayir stand, erinnerte daran, dass es im Vorfeld des Projekts Bedenken von Mitgliedern des Integrationsrats gegeben habe, da die Stadt Köln Zülfikars Ausstellung unterstützt. „Das Argument war, dass innenpolitische Konflikte der Türkei nicht in Deutschland ausgetragen werden sollten“, so Güler. Das stimme grundsätzlich  – „wenn diese Konflikte in der Türkei denn offen angesprochen und diskutiert werden würden“. Da dies nicht geschehe, sei es legitim und notwendig, auch in Deutschland Kritik zu üben – politisch wie jüngst geschehen von Außenministerin Annalena Baerbock oder eben auch künstlerisch.

Integrationsrat stellt sich hinter das Projekt

Taifun Keltek, Vorsitzender des Integrationsrats, betont gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass es sich lediglich um Bedenken zweier Mitglieder gehandelt habe: „Natürlich ist Zülfikars Projekt voll und ganz von der Kunstfreiheit gedeckt – da gibt es keine zwei Meinungen.“ Auch das Landesministerium für Kunst und Wissenschaft fördert die Ausstellung.

Jörg Detjen, Ratsmitglied der Linken und seit vielen Jahren engagiert für politische Inhaftierte in der Türkei, erinnerte daran, dass Präsident Erdogan mitnichten der Friedensstifter sei, als der er sich im Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu positionieren versuche: „Vielmehr ist er ein Despot und Autokrat, der willkürlich Regimekritiker einsperrt. Seine imperialen Träume gleichen denen von Putin. Auch er will ein großes Reich schaffen, das osmanische, zu dem jetzt auch die griechischen Inseln gehören sollen“.

Deutschland, die EU und die Nato dürften sich „von Erdogan nicht hinters Licht führen lassen“. Zülfikars Bild leiste dazu „einen wichtigen Beitrag“.

Bravehearts, Kunstwerk von Ali Zülfikar, Bleistift mit Pigment auf Holz, zu sehen vom 5. bis zum 19. August in der Galerie am Brüsseler Platz, Brüsseler Platz 14. 

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