Stadt Köln verschärft Corona-RegelnSituation in den Krankenhäusern ist „bedrohlich“

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Eine Pflegerin schaut sich die Werte eines Patienten mit einem schweren Covid-19 Krankheitsverlauf an. (Symbolbild)

Köln – Es ist nichts anderes als ein Hilferuf, den die Leiterin des städtischen Krisenstabes am Freitag Richtung Düsseldorf schickt: „Als Stadt haben wir mit den heutigen Entscheidungen unsere Handlungsmöglichkeiten nahezu ausgeschöpft. Landesweites Handeln ist dringend notwendig. Die Zeit drängt.“ Andrea Blome fordert die Landesregierung auf, die Corona-Schutzmaßnahmen im ganzen Land zu verschärfen, „da die aktuelle Situation nicht nur Köln alleine betrifft“.

15 neue Intensivpatienten in drei Tagen

Grund für den eindringlichen Appell ist die Situation auf den Intensivstationen der Krankenhäuser und Kliniken in der Stadt, die sich von Tag zu Tag verschärft. Als „bedrohlich“ bezeichnete sie am Freitag ein Stadtsprecher, Blome sprach von einer „sehr ernsten Situation“. Allein in den vergangenen drei Tagen sei die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen von 91 auf derzeit 106 gestiegen. Auf dem Höchststand der zweiten Corona-Welle lag sie bei 112.

Um Platz für schwer Covid-Erkrankte zu schaffen, reduzieren die städtischen Kliniken die Anzahl ihrer Operationen weiter – aktuell werden nur noch Notfalloperationen sowie ausgewählte Eingriffe durchgeführt. „Vor allem kleinere Operationen, nach denen die Patienten nicht auf ein Intensivbett angewiesen sind, sind weiterhin möglich“, sagte  eine Sprecherin der Kölner Kliniken. Grundsätzlich werde je nach Infektionslage kurzfristig entschieden, wie viele Operationen in der Woche durchgeführt werden können. Genaue Zahlen geben die Kliniken aber nicht bekannt.

Alles zum Thema Henriette Reker

Kliniken verschieben nicht notwendige Operationen

Ähnlich verfährt die Uniklinik.  „Wir haben damit begonnen, Operationen zu verschieben. Wenn sich die Situation auf den Intensivstationen nicht entspannt - wovon wir leider nicht ausgehen können - , werden wir in der nächsten Woche unser OP-Programm um bis zu 30 Prozent reduzieren müssen“, sagte ein Sprecher. Die Erfordernisse würden täglich neu bewertet.

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Um die Situation in den Krankenhäusern zu entspannen, nimmt die Stadt ab sofort Lockerungen zurück und verschärft darüber hinaus geltende Vorschriften. Ab Samstag gilt überall dort, wo im öffentlichen Raum die Maskenpflicht herrscht, zusätzlich ein Verzehr- und Alkoholkonsumverbot. Ein Verweilverbot wurde zudem für die Bereiche um das Historische Rathaus erlassen. Es erstreckt sich auch auf den Alter Markt, den Gülichplatz und den Theo-Burauen-Platz und gilt in der Zeit von montags bis samstags von 8.30 Uhr bis 18 Uhr. Museen und der Zoo, die bislang öffnen durften, bleiben ab Montag bis auf weiteres geschlossen. „Der Dreiklang von Testen, Impfen und Regeln ist für den Krisenstab handlungsleitend“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt.

Maßnahmen reichen noch nicht aus

Nach Einschätzung der medizischen Experten im  Krisenstab werden die am Freitag beschlossenen Maßnahmen allerdings nicht ausreichen, um die Lage auf den Intensivstationen spürbar zu verbessern – daher Blomes Appell an die Landesregierung. Denn in manchen Kommunen rund um Köln ist beispielsweise das Shoppen unter strengen Voraussetzungen auch weiterhin möglich, während in Köln längst schon wieder das Konzept „Click und Collect“ gilt. Steigende Infektionszahlen im Umland machen sich indirekt aber auch in Köln bemerkbar, weil die hiesigen Krankenhäuser und Kliniken auch Patienten aus anderen Kreisen und Städten aufnehmen.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker forderte die Menschen in der Stadt erneut auf, sich „alle gemeinsam an die bestehenden Regeln“ zu halten, um mitzuhelfen, das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu schützen. „Wir erleben derzeit zwar, dass wir beim Impfen endlich etwas schneller werden, und jeder von uns kennt mittlerweile jemanden oder hat jemanden in der Familie, der geimpft ist. Aber wir dürfen nicht die Augen verschließen vor dem, was auf den Intensivstationen los ist.“ Jeder und jede einzelne könne auch unabhängig von Corona „von jetzt auf gleich“ auf ein Bett auf der Intensivstation angewiesen sein, sagte die Oberbürgermeisterin.

Mehr als die Hälfte der Patienten wird künstlich beatmet

Insgesamt 389 Intensivbetten gibt es in den Krankenhäusern und Kliniken der Stadt. Etwa 20 waren am Freitag noch frei. Mehr als ein Viertel sind mit Covid-Patienten belegt, von denen wiederum über die Hälfte derzeit künstlich beatmet werden müssen.   Intensivmediziner wie der der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv-und Notfallmedizin (DIVI), Professor Gernot Marx, bezeichnen die Situation in den Kliniken landauf landab als „absolut kritisch“. Marx und seine Kolleginnen und Kollegen  werden nicht müde, einen sofortigen harten Lockdown für ungefähr drei Wochen zu fordern.

„Wir verpassen jede der möglichen Ausfahrten“

Professor Christian  Karagiannidis, leitender Oberarzt am Klinikum Köln-Merheim und Präsident der Intensivmediziner-Gesellschaft DGIIN sagt: „Unsere prognostizierte  Zahl  der  Patienten  und  die  tatsächliche  liegen  weiterhin  sehr  nah beieinander. Durch einen harten Lockdown hätten wir jeweils abbiegen und damit Leid und  Tod  verhindern können –aber  wir  verpassen  durch  politisches  Zögern  jede  der möglichen Ausfahrten.“

Neben den Verschärfungen und Lockerungsrücknahmen, die der Krisenstab beschlossen hat, gelten in Köln auch weiterhin verschärfte Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen im öffentlichen und privaten Raum (ein Haushalt plus maximal eine weitere Person), medizinische Masken an vielen Orten, Friseurbesuche nur mit negativem Coronatest sowie Alkoholkonsum-, Verzehr- und Verweilverbote an Hotspots, wo sich viele Menschen treffen.

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