Stadt prüft Haus auf Verwahrlosung

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Nippes –  So lange steht das Haus an der Kempener Straße 93 in Nippes schon leer, dass man sich im Stadtbild schon fast daran gewöhnt hat – obwohl viele Nachbar es als Schandfleck empfinden. Das baulich eigentlich recht schöne, mit Fassaden-Ornamenten versehene vierstöckige Haus, an der spitz zulaufenden Ecke Wartburg-/Siebachstraße, bietet einen trostlosen Eindruck. Das einstige Ladenlokal im Erdgeschoss ist mit Vorhängen versehen; am einstigen Eingang ist, schon seit mehreren Jahren, eine Pressspan-Platte angelehnt, die mit Graffiti-Tags dekoriert ist.

In den oberen Geschossen bietet sich ein widersprüchliches Bild: Teilweise sind die verschmutzten Jalousien heruntergelassen oder die Fenster mit Holzbalken verrammelt; andererseits finden sich noch Spuren, dass die Apartments bewohnt sind: Im ersten Obergeschoss sieht man Zimmerpflanzen am Fenster stehen, sowie einige Gegenstände. Einige Fensterscheiben sind notdürftig repariert worden. Die sieben Klingelschilder an der Eingangstür sind jedoch namenlos.

Auch eine kleine Umfrage in der Nachbarschaft bietet wenig Neues. „Ja, die oberen Etagen sind anscheinend noch bewohnt“, so eine Nachbarin, die von ihrem Fenster das Objekt direkt im Blick hat. „Ganz früher war hier mal ein Lebensmittelladen drin, das ist aber schon ewige Zeit her.“ Man munkelt, dass der Eigentümer nicht in Köln wohne und sich einfach nicht mehr um die Immobilie kümmere, wohl weil ihm das Geld ausgegangen ist.

Ab und zu sieht man in der Einfahrt direkt neben der Wohnungstür Bewegung, Leute ein- und ausgehen sowie geparkte Autos stehen – doch es täuscht: Mit dem Objekt selbst hat es direkt nichts zu tun. „Wir wohnen im Block auf der Rückseite, an der Siebachstraße 106“, erläutert eine Frau, die gerade eine Mülltonne auf die Straße stellt. „Vom Eigentümer des Hauses ist hier nichts zu sehen oder zu hören.“

Politisch hatte sich bereits im Jahr 2008 die Bündnis 90/Grünen-Fraktion um das verwahrloste Haus gekümmert. Damals waren noch vier Personen mit Hauptwohnsitz unter der Adresse gemeldet. Man habe das Objekt geprüft, sei aber zu dem Schluss gekommen, dass keine Gefahr von ihm ausgehe. Aus bauordnungsrechtlichen Aspekten habe die Verwaltung keine Einwirkungsmöglichkeiten, hieß es. „Bloße optische Beeinträchtigungen bilden keine Grundlage für ein ordnungsbehördliches Einschreiten.“

Inzwischen, durch die geänderte rechtliche Lage, stellt sich die Situation etwas anders dar. „Derzeit sind zwei Verfahren bei der Wohnungsaufsicht anhängig, die sich gegenseitig beeinflussen“, erläutert Stadt-Sprecherin Sabine Wotzlaw. Das sei einerseits das Verfahren nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz NRW, aufgrund von vermuteten Mängeln und einer Verwahrlosung des Objekts. „Zum anderen wurde ein Verfahren nach der Wohnraumschutzsatzung eingeleitet, um leerstehenden Wohnraum dem Wohnungsmarkt wieder zuzuführen.“ Ob die vermuteten Mängel im Objekt einer regulären Wiederbelegung entgegenstehen, prüfe das Wohnungsamt derzeit. Deshalb ruhe aktuell das Verfahren nach der Wohnraumschutzsatzung; erst wolle man ermitteln, ob das Objekt verwahrlost sei – oder nicht, und damit dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stellbar.

ZWECKENTFREMDUNG

Bis Ende 2006 gab es für 45 Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die unter Wohnungsknappheit leiden – darunter auch Köln – die sogenannte Zweckentfremdungsverordnung. Laut der Regelung mussten Hauseigentümer eine Genehmigung einholen, wenn sie ihre Mietwohnungen fortan gewerblich nutzen wollten. Zudem verbot sie einen „vermeidbaren“ Leerstand von Wohnungen für eine Dauer von länger als drei Monaten – einschließlich dem Unbewohnbarmachen, bewussten Verkommenlassen oder der gezielten Zerstörung von Wohnraum.

Eigentümer, die gegen das Zweckentfremdungsverbot verstießen, drohte ein Bußgeld. Die im Jahr 2001 erlassene Verordnung war jedoch von vornherein bis Silvester 2006 befristet. Da der nordrhein-westfälische Landtag keine Nachfolge-Regelung beschlossen hatte, konnten Hauseigentümer seitdem ihre Wohnungen leerstehen lassen oder in Gewerberäume umwandeln – ohne rechtliche Schritte fürchten zu müssen. Im Dezember 2011 hat der zwischenzeitlich neu gewählte Landtag NRW jedoch beschlossen, dass sich die Kommunen selbst eine Satzung geben dürfen, um eine Umnutzung oder den bewussten Leerstand von Wohnungen zu verhindern.

Einige Städte in NRW haben den Schritt bisher unternommen – darunter außer Dortmund auch Bonn, wo es eine solche Zweckentfremdungssatzung seit Juli vergangenen Jahres gibt. (bes)

Sabine Wotzlaw, Stadtsprecherin

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