Stadtarchiv-EinsturzStadt Köln geht von Milliardenschaden aus

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Die neue U-Bahn-Haltstelle Chlodwigplatz

Die neue U-Bahn-Haltstelle Chlodwigplatz

Köln – Die U-Bahn-Gleise an der Einsturzstelle des Stadtarchivs werden frühestens in acht Jahren befahrbar sein. Das teilten Vertreter der Stadtverwaltung und der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) am Freitag mit. „Ich persönlich hoffe, dass wir die erste U-Bahn auf der Strecke im Jahr 2027 sehen werden“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker. KVB-Vorstand Jörn Schwarze wies darauf hin, dass der Zeitplan für die Eröffnung der gesamten U-Bahn zwischen dem Breslauer Platz und der Bonner Straße noch Unwägbarkeiten enthalte.

So sei nicht klar, ob die Bauunternehmen mit Blick auf die zu erwartenden Schadensersatzklage der Stadt noch weitere Beweiserkundungen zur Ursache des Einsturzes beantragen werden. Die Sanierung des zerstörten U-Bahnbauwerks am Waidmarkt soll Mitte 2020 beginnen. Derzeit fahren zwei getrennte Linien.

Eine Woche, bevor sich das Unglück vom 3. März 2009 zum zehnten Mal jähren wird, informierten Verwaltung und Verkehrs-Betriebe über den Stand der Dinge. Reker erinnerte an die beiden jungen Männer, die von Trümmerteilen erschlagen und verschüttet wurden: „Auch heute noch, nach fast zehn Jahren, sitzt das Entsetzen, die Trauer und die Fassungslosigkeit, dass so etwas passieren konnte, tief.“ Die Stadtchefin kündigte an, sich für ein Mahnmal einzusetzen, „einen Ort des Gedenkens am Waidmarkt“.

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Milliardenschaden

„Nach aktuellem Stand“ geht Stadtdirektor Stephan Keller davon aus, dass der Stadt ein Sachschaden in Höhe von 1,33 Milliarden Euro entstanden ist. Darin enthalten sind mehr als 700 Millionen Euro für das Wiederherstellen der beschädigten Archivdokumente sowie den Verlust eines Teil des Bestandes. 80 Millionen Euro werde das neue Archivgebäude kosten. Insgesamt 94 Millionen Euro habe die Verwaltung für die Bergungsbaugrube und das Besichtigungsbauwerk zur Beweiserkundung ausgeben müssen.

Juristische Aufarbeitung

Im Zusammenhang mit dem entstanden Sachschaden gibt es drei unterschiedliche Verfahren. Zwei befinden sich in der Phase der vorgerichtlichen Beweisaufnahme. Einmal geht es um die Höhe der Schadenssumme im Speziellen, dann grundsätzlich um die Forderung der Stadt an die Bauunternehmen. Außerdem haben Leihgeber von Sammlungen die Verwaltung verklagt; sie verlangen Schadensersatz. Die Verwaltung sieht durch die Urteile in den Strafprozessen ihre Auffassung bestätigt, dass ausschließlich die Baufirmen das Unglück zu verantworten haben und sämtliche Kosten erstatten müssen. Die Unternehmen dagegen halten die Einsturzursache nach wie vor für nicht erwiesen. Noch steht nicht fest, ob und wann eine Gerichtsklage erhoben wird. „Nach rechtskräftigem Abschluss der Strafverfahren und nach endgültiger Schadensfeststellung“ werde man mit den Bauunternehmen und deren Haftpflichtversicherungen Kontakt aufnehmen, heißt es im Rathaus. Das lässt darauf schließen, dass die Anwälte Möglichkeiten eines Vergleichs erörtern werden. Das setze jedoch voraus, dass Unternehmen „ihre Verantwortlichkeit für den Einsturz und die damit verbundenen Schäden und Kosten akzeptiert“, so Stadtdirektor Keller.

Das Archiv

In den Archiv befanden sich ungefähr 62.000 Urkunden, 329.000 Karten, Pläne und Plakate, 500.000 Fotos sowie 2500 Tonträger und Videos. 95 Prozent des Bestandes wurden geborgen. Bis Anfang dieses Jahres wurden nach Angaben der Archivleiterin Bettina Schmidt-Czaia wurden 9051 Stücke vollständig restauriert, darunter 1048 wertvolle Handschriften. Insgesamt wurden 1,6 Millionen Dokumententeile gefunden. 58 Prozent der Dokumente lassen sich einem Bestand zuordnen. Die vollständige Restaurierung werde noch 30 Jahre dauern. Nach und nach sollen sämtliche Archivalien digitalisiert werden. Tausende sind bereits in einem „virtuellen Lesesaal“ abrufbar. Seit dem Einsturz hat das Archiv 80 neuen Sammlungen übernommen, darunter aus den Nachlässen des ehemaligen Oberbürgermeisters Norbert Burger, des Karikaturisten Otto Schwalge und des Talkmaster Alfred Biolek.

Der Neubau

Der 80 Millionen Euro kostende Neubau des Archivgebäudes am Eifelwall soll Ende 2020 fertig sein. Dort entstehe „Europas modernstes kommunales Archiv“. Auf einer Fläche von mehr als 22.000 Quadratmetern werden rund 50 Regalkilometer und 460 Schränke für das Archivgut zur Verfügung stehen. Weitere Lagerflächen sind für das Rheinische Bildarchiv vorgesehen. In dem Gebäude werden rund 150 Beschäftigte arbeiten.

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