Stadtarchiv-Prozess in KölnKVB-Mitarbeiterin steht vor dem Freispruch

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Die Überreste des Stadtarchivs kurz nach dem Einsturz am 3. März 2009

Die Überreste des Stadtarchivs kurz nach dem Einsturz am 3. März 2009

Köln – Im Prozess um den Einsturz des Stadtarchivs hat die KVB-Mitarbeiterin Petra A. gute Chancen auf einen Freispruch. Das lässt sich aus Hinweisen schließen, mit denen sich der Vorsitzende der 10. Großen Strafkammer des Landgerichts am Mittwoch an die vier Angeklagten und deren Verteidiger wandte.

Angesichts des nahenden Endes des Verfahrens teilte Richter Michael Greve seine vorläufige Einschätzung mit. Aufgrund der bisherigen Beweislage komme eine Verurteilung der beiden Bauleiter Lars L. und Joachim G. in Betracht. Das gleiche gelte für den KVB-Beschäftigten Manfred A., der für die Kontrolle der U-Bahn-Arbeiten am Waidmarkt zuständig war. „Es kann davon auszugehen sein“, dass die drei Angeklagten ihre Pflichten vernachlässigt haben, sagte Greve. Sie hätten sich durch Unterlassen möglicherweise der fahrlässigen Tötung, teils der fahrlässigen Baugefährdung schuldig gemacht.

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Im Gegensatz zu ihren Mitangeklagten erhielt Petra A., die Chefin der von den Kölner Verkehrs-Betrieben eingesetzten Bauüberwachung, keinen Hinweis des Gerichts. Daraus lässt sich folgern, dass ihr wohl kein Schuldspruch mehr droht. Die Erleichterung war der 50-jährigen Ingenieurin anzumerken, sie wirkte entspannt, mitunter sogar fröhlich.

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Die Gutachter des Gerichts und der Staatsanwaltschaft kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, der neuneinhalb Jahre zurückliegende Einsturz wurde durch Pfusch beim U-Bahn-Bau verursacht. In den bisherigen 42 Verhandlungstagen haben sich keine Beweise dafür ergeben, dass Petra A. von den fehlerhaften Arbeiten gewusst haben könnte. Die in der Anklageschrift aufgeführten Versäumnisse sind bisher jedenfalls nicht belegt worden. Sie besuchte die Baustelle ohnehin nur in Ausnahmefällen und war auf Informationen ihres Untergebenen Manfred A. angewiesen. Beide haben noch keinerlei Angaben zu den Vorgängen gemacht. Der Anwalt von Manfred A. kündigte nach dem Hinweis auf eine mögliche Verurteilung an, sein Mandant wolle sich nun doch noch äußern.

Der Kammervorsitzende betonte zwar, seine Hinweise an drei der vier Angeklagten seien nicht als Festlegung in die eine oder die andere Richtung zu verstehen. Ein Freispruch bleibt also vorstellbar. Wie wahrscheinlich eine solche Entscheidung zugunsten der Angeklagten ist, lässt sich allenfalls erahnen.

Für die städtischen Verkehrsbetriebe könnte ein Schuldspruch gegen ihren Mitarbeiter Manfred A. verheerende finanzielle Folgen haben. In dem Fall müssten die KVB, und damit letztlich die Steuerzahler, aller Voraussicht nach für einen Teil des Schadens aufkommen.

„Die Arbeitsgemeinschaft der Bauunternehmen beteiligt sich nicht an Spekulationen über einen möglichen Ausgang des Verfahrens“, sagte deren Sprecher Markus Lempa in einer Verhandlungspause. Die Baufirmen, denen eine Schadenersatzklage in Milliardenhöhe droht, halten es für nicht zweifelsfrei erwiesen, dass ein Baufehler das Unglück ausgelöst hat. Unbestritten ist: Dem Archivgebäude wurde im Zusammenhang mit den U-Bahn-Arbeiten der Boden entzogen. Doch anders als von der Staatsanwaltschaft ermittelt, lasse sich ein sogenannter hydraulischer Grundbruch als Ursache nicht ausschließen, führen die Unternehmen an. Im Falle eines Grundbruchs strömt Grundwasser explosionsartig meist durch die Sohle in eine Baugrube – eine Art Naturereignis.

Neue Untersuchung gefordert

Die Anwälte beantragten eine zusätzliche Untersuchung am Einsturzort. Die bisher durchgeführten Erkundungen des Bodens seien nicht ausreichend. Um Gewissheit zu bekommen, müsste innerhalb der Baugrube nahe der schadhaften Stelle in einer Betonwand Bohrungen bis tief in das Erdreich hinein angeordnet werden. Die Arbeiten würden etwa vier Wochen dauern.

Zeitlich wäre das kein Problem. Das Verfahren ist weit fortgeschritten. Von der zu Beginn geäußerten Besorgnis einer Verjährung möglicher Straftaten im März 2019 ist längst keine Rede mehr. Die Entscheidung, ob das Gericht dem Beweisantrag der Verteidiger folgen wird, will Greve am nächsten Verhandlungstag am 5. September verkünden.

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