Stadtarchiv-UrteilLandgericht Köln verteidigt Risiko-Entscheidung mit großen Folgen

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Vor mehr als 13 Jahren stürzte das Kölner Stadtarchiv ein. Noch immer gibt es keinen Schuldigen.

Köln – Das Kölner Landgericht verteidigt die kontroverse Entscheidung, die letztlich zur Aufhebung eines Strafurteils zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs geführt hat. Der Vorsitzende Richter Michael Greve hatte nach dem Willen der Verwaltung in einem Parallelverfahren mit gleichem Sachverhalt als Zeuge aussagen müssen und sich damit laut Bundesgerichtshof in seinem eigenen Verfahren verbrannt.

Köln: Großer Zeitdruck im Stadtarchiv-Verfahren

Nachdem in Greves Verfahren Vorwürfe gegen einen Oberbauleiter laut wurden, kam es zeitnah zu einem weiteren Prozess vor einer anderen Strafkammer. Der Richter sollte dort aussagen, nachdem er im November 2018  in seinem eigenen Verfahren bereits einen Schuldspruch verkündet und einen Bauüberwacher der Kölner Verkehrs-Betriebe zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt hatte.

Im Parallelverfahren vor Richterin Sibylle Grassmann wollte dann keiner der Beschuldigten aus Greves Verfahren belastende Aussagen wiederholen. Da äußerster Zeitdruck aufgrund drohender Verjährung bestand, lud Richterin Grassmann ihre Kollegen, damit diese die neuen Vorwürfe gegen den Oberbauleiter bekräftigen könnten. Schließlich wurde dieser ebenfalls verurteilt.

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Präsident des Landgerichts unterzeichnete Genehmigung

Zum damaligen Zeitpunkt war es zumindest strittig, ob die Richter aussagen können, ohne damit ihr eigenes Verfahren zu gefährden. Sie gelten als ausgeschlossen, wenn sie in gleicher Sache als Zeuge auftreten. Mittlerweile hat sich der Bundesgerichtshof dazu ganz klar positioniert und das Urteil aufgehoben.

Landgerichtspräsident Roland Ketterle hatte die Aussagegenehmigung nach Vorlage eines Dezernenten unterzeichnet, wonach die Richter der Stadtarchiv-Kammer als Zeugen aussagen mussten. Richter Greve hatte zwar seine Bedenken vorgetragen, so Gerichtssprecher Jan F. Orth. Greves Einverständnis sei für die Entscheidung der Verwaltung aber nicht erforderlich gewesen.

Landgericht Köln: Im Interesse der Opfer gehandelt

Laut Orth sei die Abwägung zwischen einer möglichen Gefährdung des Urteils im Ursprungsverfahren „seinerzeit eindeutig zu Gunsten des Aufklärungsinteresses“ in dem weiteren Stadtarchiv-Prozess ausgefallen.

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Der Landgerichtssprecher: „Wir haben alles unternommen, um den Abschluss der Verfahren vor Eintritt der absoluten Verjährung am 2. März 2019 zu gewährleisten.“ Gerade auch im Interesse der Opfer und Hinterbliebenen.

Kölner Landgericht: Keinen Interessenskonflikt gesehen

Grundsätzlich sei das Gericht aber fest davon ausgegangen, dass nach Greves mündlichem Urteil kein Ausschlussgrund mehr bestehe, da am Strafmaß nicht mehr gerüttelt werden konnte. Der Richter befinde sich demnach in keinem Interessenskonflikt mehr. Aktuelle Expertenmeinungen stützten dies. „Die entgegenstehende Auffassung des Bundesgerichtshofs bedauern wir“, sagt Orth.

Das Landgericht muss nach weiteren Urteilsaufhebungen nun beim Stadtarchiv-Komplex gegen insgesamt vier Beschuldigte neu verhandeln. Aufgrund der Revision diesmal ohne dem Druck der drohenden Verjährung.

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