StadtgeschichteKölner Bürgerhospital war eine Keimzelle der modernen Medizin

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Bürgerhospital um 1905

Das Bürgerhospital nahe des Neumarkts war früher ein zukunftsweisendes Zentrum für Medizin und Ort der ersten Blasenentfernung weltweit.

  • In unserer Serie „Köln früher und heute” zeigen wir jede Woche einen Ort in Köln und erzählen von dessen Geschichte und Gegenwart.
  • In dieser Folge geht es um das Bürgerhospital unweit des Neumarkts, das zur Keimzelle aller modernen Krankenhäuser in Köln wird.
  • 1887 fand hier die erste totale Blasenentfernung weltweit statt.

Köln – „Es dürfte schon gegen 9 Uhr gewesen sein, als Theodor Baum am 13. Januar 1887 auf dem Tisch des großen Operationszimmers im ersten Obergeschoss mit Rindslederriemen festgeschnallt wurde. Das große Glasfenster gab den Blick auf die kahlen Kastanienbäume des Innenhofes und die Westfassade der Cäcilienkirche frei.“

So beginnt die Beschreibung im Buch „Kölner Krankenhaus-Geschichten“ über die erste totale Blasenentfernung weltweit. Nicht in Wien oder Paris fand der Eingriff statt, sondern im Bürgerhospital zu Köln, unweit des Neumarkts. Auch wenn der an Blasenkrebs erkrankte Patient kurze Zeit später verstarb, gilt die Operation als zukunftsweisende Pioniertat. Das Bürgerhospital hatte seinen Ursprung im Jahr 1805, als der Stadt während französischer Besatzung die säkularisierten Klostergebäude von St. Cäcilien und St. Michael übergeben wurden.

Heilanstalt für „Irre“ und Arme

Jahrhundertelang waren Kranke von ihren Angehörigen versorgt worden oder von Ordensgemeinschaften, nun nimmt in der Innenstadt die medizinische Neuzeit ihren Lauf.

Das Bürgerhospital wird zur Keimzelle aller modernen Krankenhäuser in Köln und ist nicht nur die zentrale Heilstätte für Invalide, „Irre“ und Kranke, sondern auch die größte Anstalt der geschlossenen Armenpflege in Stadt. Außerdem mausert es sich zu einem der größten chirurgisch-operativen Krankenanstalten in Europa.

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Mal grassieren Cholera-Epidemien, mal Krätze-Seuchen. Immer wieder stößt die Einrichtung an ihre Kapazitätsgrenzen. In den 1840er Jahren entsteht deshalb auf dem Stiftsgelände ein Krankenhaus-Bau, der mit 764 Betten eines der größten seiner Art in ganz Preußen ist. Architekt ist der Kölner Stadtbaumeister und Grundstücksspekulant Johann Peter Weyer, der einen hufeisenförmigen Bau aus Ziegelsteinen errichten lässt.

Pflege übernehmen die Cellitinnen

„Das ist ein interessanter, ganz cooler Klassizismus“, sagt der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings über die Architektur des dreigeschossigen schlossähnlichen Anwesens. Der Neubau bezieht sich streng auf die Kirche St. Cäcilien, die eine neue Fassade erhält und von nun an als Krankenhaus-Kapelle fungiert. Über Arkadengänge können die Patienten trockenen Fußes die Kirche erreichen.

Die Pflege übernehmen ab 1838 Schwestern des Klosters der Cellitinnen zur heiligen Maria an der Kupfergasse und des Klosters der Cellitinnen zur heiligen Elisabeth an der Antonsgasse. Sie sind zuständig für 280 Plätze für Invalide, zu denen nicht mehr arbeitsfähige alte Menschen gezählt werden sowie psychisch auffällige Patienten, hinzu kamen 150 Kranke. „Als Kranke wurden nur solche Patienten aufgenommen, bei denen eine Heilung zu erwarten war, aussichtslose Fälle wurden abgelehnt“, wie es in den „Kölner Krankenhaus-Geschichten“ heißt: „Wer es sich leisten konnte, ließ sich in Köln nach wie vor zu Hause pflegen und behandeln.“

Das 1847 vollendete Bürgerhospital ist eine für damalige Verhältnisse hochmoderne Einrichtung. Auf allen Ebenen gibt es fließendes kaltes und heißes Wasser, Duschen, Badewannen und Heizungen. Alle Patientenzimmer werden nach Süden ausgerichtet und der Innenhof ähnelt einem barocken Park.

Neue Operationsmethoden

Jahrzehntelang ist das Gesundheitszentrum die zentrale Anlaufstelle für viele medizinische Bereiche, und vor allem Bernhard Bardenheuer, von 1873 bis 1913 chirurgischer Oberarzt, leistet Fortschrittliches – nicht nur mit der ersten Blasenentfernung, sondern auch mit neuen Methoden in der Behandlung von Frakturen. Außerdem entfernte er mindestens sieben Nieren.

Die Nationalsozialisten führen das Krankenhaus schließlich in Abgründe. Jüdische Mitarbeiter werden entlassen, jüdische Patienten abgelehnt. Auch Sinti und Roma werden ab 1940 nicht mehr behandelt. Gemäß der NS-Rassenhygiene wird eine Abteilung „Rassen- und Konstitutionspflege“ als Außenstelle des Gesundheitsamts eingerichtet.

Es folgen schwere Bombenschäden und nach dem Krieg die Entscheidung, das Bürgerhospital zu schließen. Die Ruinen stehen noch bis in die 60er Jahre, für St. Cäcilien gibt es schon in den 50er Jahren eine konkrete Zukunft. Zunächst steht der romanische Bau, dessen Turm im Krieg abgebrannt war, nach dem Krieg leer, dann entsteht die Idee, ihn für das neue Schnütgen-Museum zu nutzen.

„Unter dem Lob der gesamten wissenschaftlichen Kunstwelt“ sei das erste Kölner Museum der Nachkriegszeit im Jahr 1956 eröffnet worden, sagt Krings. Seit jenem Jahr gelte auch ein Vertrag zwischen der Stadt Köln und dem Erzbistum, wonach in St. Cäcilien zwei Mal pro Jahr Gottesdienst gefeiert werden darf – zwischen Exponaten mittelalterlicher Kunst.

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