StadtgeschichteKölner Nazis planten gigantische Ost-West-Schneise als Aufmarschstraße

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Ost-West-Durchbruch 1939

Die Aufnahme von 1939 zeigt die Aufweitung der Hahnenstraße zu einer breiten Schneise Richtung Neumarkt. 

  • Schon in den 1920er Jahren wurde in Köln über eine schnellere Ost-West-Verbindung durch die verwinkelte Innenstadt diskutiert.
  • Wie andere Städte sollte auch Köln als Gauhauptstadt ein Gauzentrum mit breiten Aufmarschstraßen bekommen.
  • Architekt Clemens Klotz plante damals einen wahnsinnigen Entwurf, der jedoch niemals Wirklichkeit wurde.

Köln – Im engen Gassengewirr der Kölner Innenstadt sticht im Jahr 1939 ein Straßenzug heraus. Die Hahnenstraße ist gerade so stark verbreitert worden, dass eine Ju 52 auf ihr landen könnte. Doch die Hahnenstraße soll keine Landebahn für Flugzeuge werden, sondern den Machthabern eine imposante Kulisse für ihre Aufmärsche bieten. Der neue Boulevard, so der Plan der nationalsozialistischen Stadtverwaltung, soll Teil einer mächtigen Ost-West-Achse quer durch die Stadt werden: Von Deutz bis zum Aachener Weiher.

Zwischen 1937 und 1939 wird der Verlauf der Hahnenstraße dafür komplett verändert und auf 28 Meter Breite ausgedehnt. Führte sie jahrhundertelang im Bogen vom Hahnentor bis zur Benesisstraße, verbindet sie nun den Rudolfplatz (von den Nazis Schlageterplatz genannt) und Neumarkt in gerader, breiter Linie. Gesäumt werden soll sie eines Tages von repräsentativen Bauten im konservativ-klotzigen Stil des Dritten Reichs.

„Civil Casino“ in Köln geplättet

Bis zur Südseite der Schaafenstraße reichen die Überlegungen für das neue Stadtbild. Dafür werden bis 1939 viele Wohnhäuser und das Apostelgymnasium geopfert. Der Neumarkt, bisher ein eng umschlossenes Rechteck, wird im Osten und Westen großformatig aufgebrochen. Auch zwischen Neumarkt und Heumarkt wird vor Ausbruch des Kriegs kräftig Hand an die Innenstadt gelegt. Wohnblöcke werden niedergelegt, das „Civil Casino“, ein traditionsreiches Veranstaltungsgebäude aus dem 19. Jahrhundert, das gerade erst saniert wurde, wird dem Erdboden gleichgemacht. Denn die Ost-West-Achse soll die gesamte Innenstadt als 68 Meter breite Schneise Richtung Deutz durchpflügen, wo sich neben der Messe ein riesiges Gauforum mit Parteibauten und Aufmarschgelände erstrecken soll.

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Der wahnsinnige Entwurf von Architekt Clemens Klotz wird jedoch niemals Wirklichkeit. Geplant wird zwar bis 1944. Als 1939 der Zweite Weltkrieg beginnt, werden jedoch alle Arbeiten gestoppt.

Schon in den 1920er Jahren wurde in Köln über eine schnellere Ost-West-Verbindung durch die verwinkelte Innenstadt diskutiert. Damals seien die Bewahrer des historischen Ist-Zustands in der Mehrheit gewesen, so der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings: „In der Nazizeit haben sich dann Vertreter weitaus brutalerer Ansichten durchgesetzt, für die der Verkehrsfluss wichtiger war als ein historisches Stadtbild“. Wie andere Städte sollte auch Köln als Gauhauptstadt ein Gauzentrum mit breiten Aufmarschstraßen bekommen, erläutert Diplom-Geograph und Historiker Alexander Hess: „Berlin hatte schon aus Kaiserzeiten breite Boulevards und Promenaden, in Köln jedoch gab es nur die Ringstraße.“ Die kam für nationalsozialistische Massenveranstaltungen nicht in Frage, für ihre Machtdemonstrationen musste etwas Beeindruckenderes her.

Zunächst sei Robert Ley, der aus dem Bergischen Land stammende Leiter der Deutschen Arbeitsfront (DAF), federführend bei den städtebaulichen Planungen gewesen, so Jost Dülffer, emeritierter Professor für Neuere Geschichte. Er habe sich in Deutz ein riesiges „Haus der Deutschen Arbeit“ für die DAF gewünscht.

Hitler informierte sich über aktuellen Stand in Köln

Seit dem Kriegsausbruch sei Gauleiter Josef Grohé zuständig für das neue Deutz gewesen, das in Konkurrenz stehen sollte zur kirchlich bestimmten Altstadt. Auf ihn gehen die Entwürfe für das Gauforum als riesiges Partei- und Verwaltungszentrum zurück. Adolf Hitler habe sich mindestens zweimal bei Besuchen in Köln über den Stand der Dinge informieren lassen, so Dülffer: „Er hat gerne diskutiert und gerne gebilligt.“

Details wurden sowohl beim neuen Deutz als auch bei der dazugehörigen Ost-West-Achse mehrfach geändert. Auf dem bekannteren Stadtmodell befindet sich das neue technische Rathaus mit seinem markanten Turm auf der Stelle der ehemaligen Markthalle am Heumarkt. Auf diesem Modell ist auch eine mächtige Nord-Süd-Fahrt zu sehen, die erst nach dem Krieg Realität wurde. Andere Modelle lassen von einer Nord-Süd-Fahrt nichts erkennen, und das Rathaus flankiert den Neumarkt auf östlicher Seite. Die Oper befindet sich mal am traditionellen Ort am heutigen Rudolfplatz, mal wird sie an die Nord-Süd-Achse versetzt, wo sie nach dem Krieg tatsächlich gebaut wird.

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Ursprünglich sei auch das Gauforum nicht in Deutz, sondern am Aachener Weiher geplant gewesen, erklärt Alexander Hess. Dafür wäre der Baublock zwischen Aachener Straße und Richard-Wagner-Straße abgerissen worden. In diesem Bereich, zwischen Aachener Weiher und neuer Universität, befand sich ab 1933 schon das so genannte Maifeld, ein großer flacher Aufmarschplatz, der nach dem Krieg unter Trümmern begraben wurde. Schließlich habe man sich für Deutz als Ort größenwahnsinniger Inszenierungen entschieden. Es wäre ein Ort symbolischer Aufladung geworden: Das alte Köln mit dem Dom auf der einen Seite, das neue „Dritte Reich“ auf der anderen.

Zwischen Deutzer Freiheit und Deutzer Bahnhof wären ganze Stadtviertel dem neuen städtischen Zentrum geopfert worden, in deren Mitte eine überdimensionale Versammlungshalle gestanden hätte. Am Deutzer Gotenring sah die NS-Planung einen großen Bahnhof vor, der zusammen mit einem linksrheinischen Pendant im Inneren Grüngürtel beziehungsweise am Gereonswall den bisherigen Hauptbahnhof am Dom ersetzen sollte. Ziel war es, zur Internationalen Verkehrsausstellung in den Deutzer Messehallen im Jahr 1940 möglichst viel von der neuen Stadt vorzeigen zu können. „Man hätte bis Frühjahr 1940 im Akkord die Gebäude hochziehen müssen“, sagt Alexander Hess. Doch auch die Verkehrsausstellung fiel kriegsbedingt ins Wasser.

Nach 1945 standen die Vorzeichen günstiger, um zu vollenden, was unter den Nationalsozialisten begonnen wurde: „Man konnte die Nazi-Vorarbeit plus Kriegszerstörung nutzen, um die Ost-West-Achse in ihrer heutigen Form zu realisieren“, so Alexander Hess. Den Größenwahn der NS-Zeit schenkten sich die Nachkriegsplaner jedoch. Die bis heute charakteristischen ein- bis zweigeschossigen Pavillonbauten von Wilhelm Riphahn schrumpften die Hahnenstraße auf ihr heutiges Maß zurück. Östlich des Neumarkts wurde die Cäcilienstraße verbreitert und die Pipinstraße verlängert, auch im Hinblick auf den Bau der Nord-Süd-Fahrt. Am Ende entstand ein Achsenkreuz, wie es sich das NS-Regime erträumt hatte. Nur eben nicht ganz so gigantisch.

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