SteuergelderSchwarzbuch-Bustour führt an Kölns größten Verschwendungen vorbei

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Der Bus vor der Abfahrt am Dom

Der Bus vor der Abfahrt am Dom

Köln – Der große schwarze Bus wartet schon auf seine Reisegruppe. In einer Schlange davor stehen knapp 40 Leute aus ganz NRW – der Altersdurchschnitt liegt etwa bei 70. Einer der Wartenden ist Jürgen Höck aus Dellbrück. Leichtfüßig nimmt er die drei Stufen hinauf und schwingt sich auf einen Fensterplatz. Eigentlich schläft er sonntags gern aus, doch heute ist Höck früh aufgestanden – um sich ausgiebig zu ärgern.

Die Bustour soll an Kölns größten Steuergeldverschwendungen vorbeiführen. Behauptet jedenfalls der Bund der Steuerzahler (BdSt), der jährlich im Oktober sein Schwarzbuch über die Verschwendung öffentlicher Mittel herausgibt und der die Fahrt zum ersten Mal organisiert. Eine Deutschland-Premiere mit Tourstart in Köln gewissermaßen. „Wir wollten mal etwas anderes versuchen und testen, ob das bei der Bevölkerung ankommt. Die Verschwendung brennt vielen unter den Nägeln“, sagt der BdSt-Landesvorsitzende Heinz Wirz. Er hofft, dass dadurch noch mehr Bürger Auffälligkeiten melden.

Aussichtsplattform für 90.000 Euro

Der Motor startet. Der Bus hat noch nicht einmal Fahrt aufgenommen, da echauffiert sich Jürgen Höck schon über den Pfusch beim U-Bahn-Bau und den dadurch verursachten Einsturz des Kölner Stadtarchivs. Der 66-Jährige weiß, wovon er spricht. Bis März hat er als Bauingenieur gearbeitet. Über die Venloer Straße geht es stadtauswärts Richtung Bocklemünd. Für den Bau der darunter liegenden U-Bahnstationen war Höck in den 1980er Jahren verantwortlich. Moderator Kevin Kölker und Bärbel Hildebrand vom Bund der Steuerzahler versorgen die Insassen während der Fahrt mit Fakten über den Landschaftspark Belvedere, Mitarbeiterinnen verteilen Kaffee.

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Im Park wurden für die Regionale 2010 Aussichtsplattformen für rund 218.000 Euro gebaut. Die größte, genannt „Domblick“, sollen die Fahrgäste gleich erklimmen. Allein dieser Stahlturm schlug mit 90.000 Euro zu Buche. Rätselhaft ist allerdings, welche Aussicht die 5,80 Meter hohe Plattform bieten soll. Oben angekommen sehen die Steuerzahler – abgesehen von der Autobahn – nicht wesentlich mehr von den Domspitzen als vom Boden aus. Noch absurder ist die zweite Plattform mit dem bezeichnenden Namen „Felderblick“ – 13.000 Euro teuer und gerade einmal 80 Zentimeter hoch. Die Aussichten sind hier maximal finster. Jürgen Höck kneift die Augen zusammen und überprüft erst einmal, ob die Plattform ausreichend gegen Blitzeinschlag gesichert ist. Er nickt erleichtert. Wenigstens das.

Nächster Halt: A1-Tunnel und Oper

Zurück im Reisebus geht es weiter zum Lövenicher Tunnel. Das Bauwerk an der A1 hat stolze 200 Millionen Euro Steuergeld gekostet. Mit höheren Lärmschutzwänden, Flüsterasphalt und einer Tempo-80-Begrenzung wäre derselbe Lärmschutz laut ADAC für einen Bruchteil zu haben gewesen. Höck begutachtet das Bauwerk durch seine getönte Brille mit Goldrand und verzieht missmutig den Mund.

Still wird er, als es zu Kölns Dauerbaustelle an der Oper geht. Statt der ursprünglich veranschlagten 230 Millionen Euro und einer Eröffnung im Jahr 2015 seien inzwischen 570 Millionen bis 2022 eingeplant, erläutert Bärbel Hildebrand. Einmal habe er sich Wallenstein angesehen, murmelt der Rentner leise. Vor dem Abitur. „Es war fürchterlich.“ Daher grämt es ihn nicht, dass der breite Bus nicht bis zum Offenbachplatz vorfahren kann, weil es durch die Baustelle zu eng ist.

Elf Presshaie für die Altstadt

Zu Fuß macht sich die Gruppe auf den Weg durch die Altstadt. Das nächste Objekt der Begierde ist ein Mülleimer der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) namens „Presshai“, der Abfälle selbst zusammendrücken soll. 8.300 Euro Anschaffungskosten, elf Stück wurden aufgestellt: Folglich hat die Stadt 91.300 Euro investiert. Dafür hätte man auch eine Aussichtsplattform bekommen.

Jürgen Höck zückt sein Handy für ein Foto. Und knipst auch gleich den Trinkwasserbrunnen am Kurt-Hackenberg-Platz. 45.000 Euro waren veranschlagt, 130.000 Euro hat er letztlich gekostet. Ein Hinweisschild, dass es sich bei der permanent sprudelnden Quelle um Trinkwasser handelt, suchen Passanten übrigens vergebens. Die Tour endet nach gut drei Stunden am Rheinboulevard. Die Reinigungskosten der Deutzer Freitreppe sind enorm: 500.000 Euro pro Jahr. „Wir haben in Köln immer die Top-Ideen“, resümiert Höck und grinst zynisch. Mit der Rundfahrt ist er zufrieden: „Gut, dass noch einmal auf das alles aufmerksam gemacht wird“, findet der Rentner. „Vielleicht bringt das einige Leute zum Überlegen.“

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