Strecke bis nach LeverkusenWieso die Hochbahn „Alweg“ nie durch Köln schwebte

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In den 1950er Jahren drehte die Alweg-Bahn auf der Fühlinger Versuchsstrecke ihre Runden.

  • Sie war ein Geheimnis, lange sollte die Öffentlichkeit nichts von der Planung einen Einschienen-Hochbahn erfahren.
  • In Fühlingen wurde eine Teststrecke gebaut, die luftbereifte Bahn versprach hohe Sicherheit, wenig Fahrgeräusche und sollte eine Weltattraktion werden.
  • Doch nie wurde die Alweg-Bahn zwischen Köln und Leverkusen eingesetzt. Wie konnte es so weit kommen?

Köln – Noch heute könnte sie das rechtsrheinische Köln durchqueren, leise und aerodynamisch wie ein Flugzeug, das über dem übrigen Verkehr auf nur einer Schiene hinwegschwebt, getragen von sechs Meter hohen Stahlbetonpfeilern. Die Pläne für eine Köln-Leverkusener „Alweg-Bahn“ waren weit gediehen.

1954 hatte es diverse Verhandlungen zwischen Vertretern der Städte Köln und Leverkusen, des Rhein-Wupper-Kreises und eines für damalige Verhältnisse ungemein futuristischen Bahnprojekts gegeben. „Die Planungen fanden unter strenger Geheimhaltung statt“, so Ute Beatrix Sardemann, Mitarbeiterin im Kölner Stadtplanungsamt und Autorin einer wissenschaftlichen Arbeit über dieses exotische Kapitel Kölner Verkehrsgeschichte: „Allerdings sickerten im Herbst erste Gerüchte an die Öffentlichkeit. Die Lokalpresse begann, über das Projekt zu spekulieren und erhob gegen die beteiligten Städte heftige Vorwürfe der Geheimniskrämerei.“

Hochbahn in Köln sollte eine Weltattraktion werden

Im Frühjahr 1955 stellte die „Verkehrsbahn Versuchsgesellschaft“ ihren Streckenplan endlich der Öffentlichkeit vor. Vom Kölner Hauptbahnhof sollte die „Einschienen-Hochbahn“ über Deutz, Mülheim, Stammheim und Flittard nach Leverkusen-Opladen rauschen. Auf der Nordseite der Hohenzollernbrücke würde es dafür einen neuen Rheinübergang geben müssen, so die Planer, Haltepunkte waren unter anderem in Deutz und nördlich des Wiener Platzes in Mülheim vorgesehen. 17,5 Kilometer lang sollte die erste öffentliche Alweg-Strecke sein – Oberstadtdirektor Max Adenauer hoffte auf eine „Attraktion, welche die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich ziehen würde“.

Die Anfänge diese Attraktion spielten sich – ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit – am Rande Fühlingens ab. Auf einem abgesperrten Areal östlich der Neusser Landstraße hatte die Alweg-Forschungsgesellschaft, finanziert vom schwedischen Industriellen Axel L. Wenner-Gren (von seinen Initialen leitete sich der Name Alweg ab), Anfang der 1950er Jahre ein 1,7 Kilometer langes Schienenoval gebaut, auf dem ein Testzug in verkleinertem Maßstab seine Runden drehte. Für den Antrieb sorgten 24 Elektromotoren, die die fahrende Zigarre auf bis zu 160 Stundenkilometer beschleunigten. Ein Zug wie ein Flugzeug – das war die Vision Wenner- Grens.

Journalisten recherchieren verdeckt in Köln

Das Richtfest für die Versuchsstrecke wurde im August 1952 bewusst unter Ausschluss der Presse gefeiert. Bevor die Allgemeinheit informiert werde, müsse die Erprobung der Fahrgestelle abgeschlossen sein, rechtfertigte sich die Versuchsgesellschaft – Automobile würden schließlich auch erst präsentiert, wenn die Entwicklungsphase abgeschlossen sei. Umso verärgerter waren die Konstrukteure, als sich beim Richtfest zwei Journalisten inkognito unter die Mitarbeiter mischten.

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„In der Fühlinger Heide bei Köln wird jetzt die Eisenbahn des Jahres 2000 geplant und erprobt“, hieß es deshalb im Mai 1952 im „Spiegel“. „Jene Jahre waren angesichts des zunehmenden Individualverkehrs durch eine intensive Diskussion über die Neuordnung des schienengebundenen Personen- und Regionalverkehrs geprägt“, so Ute Beatrix Sardemann.

In diesem Umfeld hofften Wenner-Gren und sein Team auf ihre große Chance auf dem Markt. Das luftbereifte Fahrwerk der Bahn versprach hohe Sicherheit und wenig Fahrgeräusche. Durch eine industrielle Vorfertigung der Fahrbalken und Stützen seien zudem die Betriebskosten gegenüber den herkömmlichen Zwei-Schienen-System niedriger, warben die Entwickler. Der Platzbedarf sei geringer und das Fortkommen oberhalb der verstopften Straßen störungsfrei. Am 8. Oktober 1952 wurde die Öffentlichkeit endlich eingeweiht. „So einen Zug hatte die Welt noch nie zuvor gesehen“, schreibt Reinhard Krischer in einem Buch über die Alweg-Bahn: „Er hatte mit der herkömmlichen Eisenbahn absolut nichts gemein und wirkte tatsächlich wie ein dicht über dem Boden fliegendes Flugobjekt.“ Doch eine Chance, sich im Kölner Alltag zu bewähren, sollte die Fühlinger Zukunftsvision niemals bekommen.

Fühlinger Projekt wurde ausgebremst

Auf der rechtsrheinischen Referenzstrecke sollte die Alweg-Bahn zwar eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 43 Stundenkilometern erreichen und damit dreimal schneller sein als die Straßenbahnlinie O auf der gleichen Strecke, über deren Ausbau gleichzeitig verhandelt wurde. Doch verschiedene Einwände gegenüber der Streckenführung und Streitigkeiten über die Finanzierung bremsten das Projekt aus.

Max Adenauer brachte für den Bau und den Betrieb der aufgeständerten Balkenstrecke eine Gesellschaft mit einem Kapitalstock von zehn Millionen D-Mark ins Gespräch. Die Stadt Köln sollte sich mit sechs Millionen D-Mark beteiligen, die für die Aufrechterhaltung der Linie O ohnehin angefallen wären. Die restlichen 40 Prozent sollten Leverkusen, Opladen, der Rhein-Wupper-Kreis und die Alweg-Gesellschaft aufbringen. Doch Alweg lehnte eine Beteiligung wegen des schon geleisteten Entwicklungsaufwands ab, auch Kölns kommunale Verhandlungspartner winkten ab.

Kurz bevor Ende 1955 im Kölner Stadtrat wegen der finanziellen Unklarheiten das endgültige Aus der Alweg-Strecke besiegelt werden sollte, schlug das Hochbahn-Unternehmen eine Teilstrecke zwischen Stammheim und Flittard auf eigene Kosten vor. Die Bedingungen: eine zweijährige Erprobung der Anlage müsse gewährleistet werden und der Ausbau der Linie O währenddessen unterbleiben. Der Kölner Rat nickte das Angebot ab. Als Termin für den Baubeginn wurde der 1. April 1956 festgelegt. Doch auch daraus wurde nichts: Die zum Bayer-Konzern gehörende Wohnungsbaugesellschaft GeWoGe, über deren Grundbesitz in Flittard ein Teil der Probestrecke verlaufen sollte, sperrte sich gegen einen Verkauf. „Damit war das Schicksal dieses rechtsrheinischen Alweg-Projekts endgültig besiegelt“, so Ute Beatrix Sardemann.

Hochbahn überstand nie das Prüfungsstadium

Mehrere weitere Anläufe führten ins Leere. Weder eine Anbindung der Innenstadt zur „Neuen Stadt“ Chorweiler noch zum Flughafen Köln/Bonn gingen über ein Prüfungsstadium hinaus. „Vielleicht waren die städtischen Nachkriegsprobleme noch zu groß, um die Stadträte weit über den Horizont der vielfach noch bestehenden Kölner Trümmerlandschaft gucken zu lassen“, schreibt Autor Reinhard Krischer. „Vielleicht fand die Firma Alweg auch nie den richtigen Draht zur berühmten Kölner »Klüngelwirtschaft«, der ihr zum Erfolg auf eigenem Terrain hätte verhelfen können.“

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Eine Referenzstrecke im Maßstab 1:1 entstand zwar, sie blieb jedoch auf das Fühlinger Testgelände beschränkt. Das bisherige Oval wurde in einen linearen Verlauf geändert. Die Alweg-Bahn überquerte von nun an die Neusser Landstraße, auf der es immer wieder zu Unfällen staunender Autofahrer gekommen sein soll. Bundeskanzler Konrad Adenauer war zwar begeistert, als er 1957 persönlich in den schnittigen Vorführ-Zug stieg. Doch die Hochbahn, die nur kleinere Ableger in Italien, in den USA und in Japan bekommen hatte, musste schließlich dem Naherholungsgebiet Fühlinger See weichen. Nur ein paar Betonreste am Ortseingangsschild an der Neusser Landstraße künden heute noch vom Traum eines ganz neuen Personen-Nahverkehrs in Köln.

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