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Streit der WocheSoll Anwohnerparken in Köln viel teurer werden?

Lesezeit 5 Minuten
SDW-Anwohnerparken-Header

Wie soll in Zukunft mit Parken in der Stadt umgegangen werden?

Köln – Das künftige Kölner Ratsbündnis hat angekündigt, die Gebühren auf das „Niveau europäischer Metropolen“ anheben zu wollen. Konsequent oder übereilt? Claudia Lehnen und Peter Berger tauschen im Streit der Woche Argumente dafür und dagegen aus.

Pro: Endlich eine klare Ansage!

von Claudia Lehnen

Wer sich verändern will, wird und darf viele Fehler machen. Eine einzige Sache sollte er aber – komme, was wolle – vermeiden, denn sie wird das Projekt in jedem Fall scheitern lassen: Einfach so weitermache wie bisher. Man kann jetzt laut kritisieren, dass die Stadt mit ihren Planungen, die Anwohnerparkgebühren zu erhöhen und die Ausweise dereinst ganz abschaffen zu wollen, mit der falschen Maßnahme anfängt. Dass man alles ganz anders hätte anpacken müssen. Dass nicht alle Eventualitäten bedacht wurden. Man kann sich aber auch einfach mal hinstellen, aufatmen und sagen: Endlich.

Endlich mal kein Trippelschritt in Richtung Klimaneutralität. Sondern eine klare Ansage. Nichts anderes hat diese Stadt gerade nötig. Zum Vergleich: Für den Preis, den ein Stockholmer für einen Anwohnerparkplatz bezahlen muss, könnte ein Kölner sich eine gesamte Straße mit sage und schreibe 28 Parkplätzen mieten. 30 Euro Gebühren im Jahr für rund zwölf Quadratmeter öffentliche Fläche – das ist in Zeiten des Klimawandels ein völlig falsches Signal. Höchste Zeit, es Kölner Autobesitzern leichter zu machen, über eine Veränderung nachzudenken.

Köln wird nicht von heute auf morgen autofrei. Aber es ist richtig und überfällig, in diese Straße einzubiegen. Wer Motivation braucht, schließe die Augen und denke darüber nach, wie viel Raum am Ende gewonnen wird, wenn nicht nur Blech die Straßen säumt. 290 000 Pkw reihen sich hier derzeit Stoßstange an Stoßstange. Wären sie verschwunden, würden Fußgänger und Radfahrer, aber auch spielende Kinder und ratschende Großeltern sage und schreibe 3,5 Millionen Quadratmeter gewinnen. Das entspricht der Größe von fast 500 Fußballfeldern. Und einer Fläche 25-mal so groß wie der Kölner Volksgarten. Was könnte man da rennen, spielen, pflanzen, springen, flanieren, malen, rumliegen? Man könnte den Raum auch nutzen, um Wohnungen zu bauen. Gegen die Gentrifizierung der Innenstädte wäre das sicher ein probateres Mittel als das Verhätscheln der Autolobby unter dem Deckmantel der sozialen Gerechtigkeit.

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Die Einwände der Kritiker sind riesig: Wir-brauchen-unser-Auto, Ohne-Auto-geht-das-nicht, Ich-lass-mir-nicht-vorschreiben-wie-ich-mich-fortzubewegen-habe. Ich weiß. Am Ende kommen mir derlei Aussagen etwa so stichhaltig vor wie die felsenfeste Überzeugung meiner Großmutter, eine vegane Ernährung sei unmöglich. Denn: „Alles, was man ohne Fleisch kochen kann, ist ja mit Eiern oder Sahne.“ Man kann Reis mit Gemüse essen. Und man kann als Stadtbewohner mit dem Rad zur Bahn fahren, mit dem Roller oder zu Fuß zum Bäcker gehen und für größere Einkäufe Lastenräder oder verschiedene Carsharing-Angebote nutzen.

Natürlich muss es Ausnahmen geben für diejenigen, die das wegen körperlicher Einschränkungen wirklich nicht können. Und natürlich muss die Stadt die Angebote noch verbessern: Wir brauchen bessere und sicherere Radwege, mehr Fahrradstellplätze, breitere und attraktivere Fußgängerzonen.

Immerhin: Den Platz dafür können wir jetzt schon einmal gemeinsam schaffen. Indem wir Städter ernsthaft das Experiment wagen, ohne eigenes Auto zu leben. Wer weiß, vielleicht lernen wir, dass es geht.

Contra: Köln hat keine Quartiersgaragen

von Peter Berger

Es ist einfach frustrierend mit dieser Stadt, deren Verkehrspolitik dem immer gleichen Muster folgt. Erst wird jahrelang diskutiert, an jedem Kreisverkehr, jedem Radweg, jeder Tempo 30-Zone, jeder Pförtnerampel und jeder Stadtbahnlinie der komplette schwarze, rote und grüne Ideologien-Katalog abgearbeitet. Dann geschieht erst mal nichts und am Ende macht man den zweiten Schritt vor dem ersten.

Ach wie schön sind doch die autofreien Wohnquartiere in Barcelona, das Radverkehrskonzept in Stockholm und wie schnucklig diese kleine Tram in Wien. In Amsterdam fährt zwischen all den Grachten doch auch keiner mehr Auto. Das wollen wir auch haben.

Wir haben zwar kein gesamtstädtisches Parkkonzept wie die Wiener, wir haben es ja in 20 Jahren nicht mal geschafft, ein paar Quartiersgaragen zu bauen. Wir sind auch nicht in der Lage, den öffentlichen Nahverkehr wie Stockholm in nur 15 Jahren um 50 Prozent zu erweitern, kriegen gerade mit Ach und Krach einen Expressbus auf der Aachener Straße unter und träumen lieber weiter von Seilbahnen und Wassertaxis. Wir brauchen auch kein leistungsfähiges Stadtbahnnetz. Nein. Die Nord-Süd-U-Bahn hat ja gezeigt, wohin das führt.

Aber in einem Punkt sind wir uns einig. Weg mit den Autos aus den Vierteln, Schluss mit dem Anwohnerparken, das in Köln, um genau zu sein, Bewohnerparken heißt. Weil die Stadt sich vor weit mehr als 20 Jahren bei der Einführung dieses Systems vor dem Bundesverwaltungsgericht schon einmal bis auf die Knochen blamiert hat. Aber das ist eine andere Geschichte.

Doch diesmal könnte es noch toller werden. Wir geben einfach keine neuen Ausweise mehr raus und verteuern die vorhandenen dermaßen, dass jeder, der aufs Auto angewiesen ist, sich dreimal überlegen wird, ob er sich Köln mit Auto noch leisten kann. Wo die Mieten explodieren, muss das Parken zum Luxus werden. Zuvor weiten wir die Parkraum-Bewirtschaftung aber noch auf die ganze Stadt aus. Natürlich ohne Anwohner-Ausweise. Die Frage, an welchen Ladestationen Menschen in der Innenstadt ohne Eigenheim mit eigener Garage künftig den Strom für ihre E-Autos zapfen sollen, beantworten wir später.

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Das ist die Basis kölscher Verkehrspolitik der Jahre 2020 bis 2025 eines grün-schwarz-lilafarbenen Ratsbündnis, dessen politische Bandbreite vom SUV-Anbeter bis zum Trambahn-Fanatiker reicht. Gewöhnen wir uns einfach daran, dass wir zwar in der viertgrößten Stadt Deutschlands leben, die Umwidmung eines Radwegs in einen Gehweg aber schon mal ein paar Jahre in Anspruch nehmen kann.

Schlimm genug. Völlig absurd aber wird es, wenn die Politik plötzlich in der Innenstadt freie Stellplätze am Straßenrand, in Parkhäusern und Tiefgaragen entdeckt, die es laut ihrer eigenen Aussage vor einem Jahr noch nicht gegeben hat. Die Kölner CDU, die sich im November 2019 noch vehement gegen höhere Parkgebühren gewehrt hatte, weil der Parkraum viel zu knapp ist, plant offensichtlich ein völlig neues Anwohnerparken – in Phantomgaragen.

Ich werde jetzt losradeln und eine suchen. Anschließend hole ich mein Auto, stelle es hinein, verbrenne meinen Anwohnerparkausweis und gehe nur noch zu Fuß. Das beruhigt.

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