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Streit der WocheSoll Köln immer weiter wachsen?

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  • Wenn Städte wachsen ist das erst mal gut, denn nur attraktive Standorte verleiten die Menschen dazu, dort wohnen zu wollen.
  • Und doch gibt es auch viele Schattenseiten des Größerwerdens. Daher die Frage: Soll Köln immer weiter wachsen?
  • Christian Hümmeler, 52, Leiter der Kölner Lokalredaktion, kennt beide Seiten: Er ist im Rhein-Sieg-Kreis aufgewachsen, lebt aber seit mehr als 30 Jahren in Köln.
  • Tim Attenberger,40, stellvertretender Teamleiter Lokalredaktion, wohnt in der Innenstadt und ist glückliches Mitglied einer Genossenschaft.

Köln – Unser Streit der Woche um die Frage: Soll Köln immer weiter wachsen?

Von Christian Hümmeler

Die Grenzen sind weitgehend unsichtbar. Aber sie existieren, erkennbar sind sie am ehesten am Wechsel der Autokennzeichen. Irgendwann steht eben nicht mehr K auf dem Kennzeichen, sondern BM oder GL, LEV oder SU. Dass Köln und sein Umland dennoch nicht selten wie zwei unterschiedliche Planeten wirken, zeigte sich zuletzt am Streit um die Pförtnerampel im Westen der Stadt, die nach dem Willen der städtischen Verkehrsstrategen für bessere Luft auf der Aachener Straße sorgen sollte.

Dass dadurch die Staus (und die Schadstoffbelastung) ganz einfach in die Nachbarkommunen verlagert wurden, war den Kölnern herzlich egal. So egal, dass man es noch nicht einmal für nötig befunden hatte, die Nachbarn vorher zu informieren.

Wachstum in Köln: Gut eingeübte wechselseitige Ignoranz

Doch diese gut eingeübte wechselseitige Ignoranz, die ebenso bei der Ausweisung von Industriegebieten oder beim grenzüberschreitenden Schulbesuch zu beobachten ist, hilft weder den Kölnern noch dem Umland. Und all die Arbeitskreise, Initiativen und Organisationen, die die Region als solche stärken sollen, sind gut gemeint, aber von höchst überschaubarer Effizienz, weil ohne Weisungsbefugnis. Wer teilt schon freiwillig Macht, wenn er sie ganz haben kann. Nein, die Grenzen müssen fallen – zum Wohl aller Beteiligten. Nur so kann aus einer Metropolregion, deren Teile peinlichst auf größtmögliche Eigenständigkeit achten, eine echte Metropole werden. 

Eine Metropole, in der die Ränder genauso wichtig sind wie das Zentrum. Denn hier gibt es die Flächen, die so dringend benötigt werden für bezahlbaren Wohnraum, aber auch für Büros, Handel und Gewerbe. Natürlich darf erst gebaut werden, nachdem ein kluges Netz aus Bahnen und Bussen die neue Metropole dort erschließt, wo Wachstum wirklich erwünscht ist. Eine Metropole, in der die Belastungen, aber auch die Vorteile gleichermaßen verteilt sind. In der die Ränder vom Boom der Großstadt profitieren, in der sie aber auch an den Kosten beteiligt werden.

Stadt Köln würde Anteil an Grünflächen spürbar erhöhen

Eine Metropole, in der es Museen gibt, attraktiven Sport, Konzerte, Theater und Schauspiel. Dafür allerdings kommen künftig alle auf, die davon profitieren – nicht nur, wie bislang, die Bewohner der Kernstadt. Ganz nebenbei würde die Stadt zudem ihren Anteil an Grünflächen spürbar erhöhen.

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Zuletzt ist Köln im Jahr 1975 in der Fläche gewachsen. Damals hieß das Eingemeindung. Nach 45 Jahren wird es Zeit für neue Zusammenschlüsse. Natürlich ist das ein Mammutprojekt. Doch das Beharren auf den alten Strukturen hält ja das Wachstum nicht auf. Es sorgt nur für immer mehr Reibung zwischen Köln und dem Umland. Und für immer kompliziertere und aufwendigere Verwaltungsorganisationen. Zukunftsfähig ist das nicht.

Wer in einer Liga mit hochattraktiven europäischen Städten wie Zürich oder Wien, Kopenhagen oder Stockholm mitspielen will, muss alte Grenzen aufbrechen. Auch im Kopf. Aber das sollte möglich sein. Denn mal Hand aufs Herz, liebe Nachbarn: Was sagen Sie schon heute, wenn Sie im Urlaub gefragt werden, woher Sie kommen? Na also.  

Contra: „Viele Menschen können sich das Leben in der Stadt nicht mehr leisten“

Von Tim Attenberger

Wachstum wird gerne als ein rein positiver Vorgang betrachtet. Bis zu einem gewissen Grad trifft das auch zu, aber ein zu schnelles und ungezügeltes Wachstum birgt enorme Risiken für Metropolen. Die zunehmende Urbanisierung führt etwa dazu, dass die Infrastruktur an ihre Kapazitätsgrenzen stößt. Ein Blick auf die Verkehrssituation in Köln reicht, um zu sehen, dass die Stadtbahnen schon jetzt hoffnungslos überfüllt sind und sich die Autos auf den Hauptverkehrsstraßen regelmäßig stauen.

Die Entwicklung der Verkehrswege hat mit dem Wachstum der Stadt ganz offensichtlich nicht Schritt gehalten. Das gilt ebenso gut für die Schulen und Kindergärten – schon jetzt mangelt es an den nötigen Plätzen, um die Kinder unterzubringen und optimal zu unterrichten.

Durch den starken Zuzug nach Köln wird Wohnraum teurer

Ähnliches gilt für das Thema Wohnen: Der starke Zuzug nach Köln hat auch dazu geführt, dass Wohnraum jedes Jahr teurer wird und sich viele Menschen das Leben in der Stadt nicht mehr leisten können. Das führt zwangsläufig zu einem Austausch der Bevölkerung.

Menschen mit einem geringen Einkommen werden zunehmend von Besserverdienenden verdrängt. Das Problem hat sich inzwischen sogar derart verschärft, dass selbst gut verdienende junge Paare nicht mehr dazu in der Lage sind, sich in Köln eine Wohnung oder gar ein Haus zu kaufen und das, obwohl sich die Zinsen für Baufinanzierungskredite seit Jahren auf einem äußerst niedrigen Niveau bewegen.

Das Motto in Köln lautet: Bauen, bauen, bauen

Deshalb lautet das Motto in Köln zurzeit: Bauen, bauen, bauen. Das alleine wird aber keinesfalls aus dem Dilemma herausführen. Wenn die Stadt immer nur weitere Bauflächen ausweist, auf denen Wohnungen mit einem hohen Preisniveau entstehen, dann wird sich für diejenigen, die nicht über ein entsprechendes Einkommen verfügen, nichts zum Positiven verändern. Wichtiger wäre, mehr geförderten und preisgedämpften Wohnungsbau – wie etwa mit der Hilfe von Genossenschaften – zu realisieren.

Wenn weitere Flächen verbraucht werden sollen, dann muss das zumindest kontrolliert und nachhaltig passieren. Ansonsten würde Köln zwar immer weiter wachsen, das soziale Gefüge würde aber auch immer weiter aus dem Gleichgewicht geraten. Das wiederum würde dazu führen, dass Köln auf lange Sicht genau jenes Flair verliert, das diese Stadt auszeichnet und sie so attraktiv macht.

Unbegrenztes Wachstum wird nicht möglich sein

Jeder muss sich bewusst sein, dass ein unbegrenztes Wachstum schlichtweg nicht möglich sein wird und dass nun mal nicht jeder in Köln oder gar in der Innenstadt direkt am Dom wohnen kann. Zum einen sind die Flächen endlich, zum anderen braucht eine lebenswerte Stadt auch eine ausreichende Zahl an öffentlich zugänglichen Grünflächen.

Diese sind laut einer Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung besonders in sozial benachteiligten Gegenden wichtig – dort kommen die Bewohner in Kontakt mit der Natur und fühlen sich durch Sport und Spiel sowie durch den Austausch mit ihren Nachbarn als Teil einer Gemeinschaft. Köln würde daher gut daran tun, nicht einfach nur immer weiter unreflektiert zu wachsen.    

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